In einem markenrechtlich differenzierten Beschluss vom 19. Februar 2025 (Rs. T-102/24) hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Unionswortmarke „EDUCTOR“ zurückgewiesen. Die Klägerin – QX World Kft. – hatte geltend gemacht, Inhaberin einer prioritätsälteren, nicht eingetragenen, aber angeblich notorisch bekannten Marke gleichen Namens zu sein. Das Gericht befand jedoch, dass die vorgelegten Nachweise nicht ausreichten, um die angebliche Bekanntheit rechtlich tragfähig zu belegen.
Sachverhalt
Die streitige Wortmarke „EDUCTOR“ war 2013 von der ungarischen Firma Mandelay Kft. für medizinische Geräte und Dienstleistungen in den Klassen 10, 35 und 44 registriert worden. QX World Kft. stellte im Jahr 2017 einen Antrag auf Nichtigerklärung der Marke beim EUIPO und berief sich dabei auf Art. 60 Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2017/1001 – unter Bezugnahme auf eine in mehreren EU-Mitgliedstaaten bekannte, aber nicht eingetragene Marke gleichen Namens. Maßgebliche Grundlage sollte dabei Art. 6bis PVÜ sein, der Schutz notorisch bekannter Marken garantiert.
Rechtliche Analyse
1. Maßstab: Nachweis notorischer Bekanntheit
Das EuG erinnert daran, dass die notorische Bekanntheit einer Marke nach Art. 6bis PVÜ nicht vermutet wird, sondern im Einzelfall substantiiert dargelegt werden muss. Dabei genügt es nicht, auf den bloßen Gebrauch der Marke zu verweisen; vielmehr sind überzeugende Nachweise wie Marktanteile, Werbeinvestitionen, Presseberichte, Auszeichnungen oder Umfragen erforderlich.
2. Mangelhafte Beweisführung der Klägerin
Die Klägerin legte mehrere Belege vor – darunter Rechnungen, Screenshots, Fotos von Konferenzen sowie Google-Suchergebnisse zum Begriff „SCIO biofeedback“. Nach Einschätzung des Gerichts belegen diese zwar eine geschäftliche Nutzung, jedoch nicht die erforderliche Bekanntheit im Sinne der Konvention von Paris. Insbesondere mangelte es an objektiven Belegen über Marktanteile, Werbeintensität oder eine signifikante Bekanntheit in der Zielgruppe.
Das Gericht stellte klar: Auch eine Vielzahl von Rechnungen reicht nicht aus, wenn keine Angaben über den relevanten Markt oder die Marktanteile gemacht werden. Gleiches gilt für bloße Internetrecherchen oder Fotos von Messen – sie mögen Sichtbarkeit belegen, nicht aber rechtlich anerkannte Bekanntheit.
3. Kein Verfahrensfehler: Kammer durfte selbst entscheiden
Die Klägerin rügte zudem, dass die Berufungskammer des EUIPO selbst über das Vorliegen der notorischen Bekanntheit entschieden habe, obwohl dies nicht Gegenstand der Entscheidung der ersten Instanz gewesen sei. Das Gericht wies dies zurück: Aufgrund des Prinzips der „funktionalen Kontinuität“ sei die Berufungskammer verpflichtet, eine vollständige Neubewertung vorzunehmen.
4. Kein unzulässiger Maßstab
Die Klägerin warf der Kammer vor, sie habe unzulässigerweise den Nachweis einer prozentual bestimmten Bekanntheit oder hoher Werbeausgaben verlangt. Auch dies verneinte das Gericht. Vielmehr habe die Kammer lediglich festgestellt, dass keinerlei Angaben zur Marktstellung, zu Werbeaufwendungen oder zur Wahrnehmung durch relevante Verkehrskreise gemacht worden seien – ein legitimer Maßstab.
Quintessenz
Der Beschluss des EuG verdeutlicht, dass die Anforderungen an den Nachweis der notorischen Bekanntheit einer nicht eingetragenen Marke hoch sind – zu Recht. Wer eine eingetragene Unionsmarke zu Fall bringen will, muss fundiert belegen, dass die beanspruchte ältere Marke in der relevanten Öffentlichkeit bekannt war. Rechnungen, Produktbilder und Webseitenbelege allein genügen nicht. Vielmehr bedarf es harter, objektivierbarer Beweismittel. Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit für Inhaber eingetragener Marken und setzt ein klares Signal für saubere Beweisführung in markenrechtlichen Auseinandersetzungen.
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