Markenrecht: Wann liegt Verwechslungsgefahr bei Marken vor?

bei Marken: Immer wieder von Interesse ist die Frage, wann zwischen zwei Marken – die ähnlich aussehen und/oder klingen – eine Verwechslungsgefahr anzunehmen ist. Im Folgenden stelle ich zwei Entscheidungen des Bundespatentgerichts vor, die dieses Thema sehr zugänglich angehen und aufbereiten. Am Ende des Beitrags finden Sie Links zu weiteren Artikeln bei uns rund um das Thema Verwechslungsgefahr von Marken.

In der ersten Entscheidung zeigt das Bundespatentgericht (26 W (pat) 36/13) recht verständlich auf, wie detailliert zu prüfen ist, ob eine Verwechslungsgefahr bei widerstreitenden Marken anzunehmen ist. Eine Collage der betreffenden Entscheidungen. Im Folgenden ein strukturierter Auszug aus der Entscheidung.

Ähnliche Marken: Annahme der Verwechslungsgefahr

Verwechslungsgefahr besteht, wenn das Publikum glauben könnte, dass die von den Vergleichszeichen erfassten Waren/Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich im Hinblick auf die Identität oder Ähnlichkeit der Vergleichszeichen einerseits und die Identität oder Ähnlichkeit der von diesen erfassten Waren/Dienstleistungen andererseits. Weil die Verwechslungsgefahr vom Vorliegen einer Vielzahl von Umständen abhängt, tritt als weiteres Element insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren hinzu.

Faktoren der Verwechslungsgefahr bei Marken

Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr wird im Wesentlichen anhand des Zusammenwirkens der Faktoren Identität oder Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke und Identität oder Ähnlichkeit der Vergleichszeichen beurteilt. Dabei stehen die genannten Faktoren in einem Wechselwirkungsverhältnis, so dass ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann.

In allen Fällen, in denen es auch um für Verbraucher bestimmte Waren oder Dienstleistungen geht, ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann.

Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in dem Sinne auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt.

Dabei ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind, da sich der Durchschnittsverbraucher regelmäßig auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von den verschiedenen Marken im Gedächtnis behalten hat, und eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet. Dies verbietet es zwar regelmäßig, ein Zeichen zu zergliedern und zu analysieren, schließt es aber nicht aus, zunächst seine verschiedenen Elemente nacheinander zu prüfen, um sodann den durch sie hervorgerufenen Gesamteindruck zu beurteilen.

Verwechslungsgefahr: Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen

Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren/Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwen- dungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistun- gen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (…)

Kennzeichnungskraft der Marke

Bei der Feststellung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist zwischen den verschiedenen Waren/Dienstleistungen zu differenzieren. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss deshalb bezogen auf die jeweils in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ermittelt werden (…)

Zeichenähnlichkeit der Marken

Hinsichtlich des Grades der Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Zeichen ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Vergleichszeichen dem angesprochenen Verkehr, also dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen vermitteln (…) Eine künstlich zergliedernde, analysierende Betrachtungsweise ist zu vermeiden, weil auch eine größere Anzahl von Übereinstimmungen im Einzelnen nicht notwendig zu einem übereinstimmenden Gesamteindruck führen muss. Der Verkehr nimmt eine Marke regelmäßig so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (…)

Zeichenähnlichkeit kombinierter Marken

Bei (…) kombinierten Zeichen kann eine Verwechslungsgefahr nur bejaht werden, wenn die Zeichen insgesamt hinreichend ähnlich sind oder der übereinstimmend-ähnliche Bestandteil den maßgeblichen Gesamteindruck des betreffen- den Zeichens derart prägt, dass die übrigen Bestandteile für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (…) Beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile dürfen nicht von vorn- herein unberücksichtigt bleiben. Aus ihnen können zwar keine isolierten Rechte hergeleitet werden. Ebenso wenig prägen sie für sich allein den Gesamteindruck einer Marke. Mit weiteren Angaben können sie sich aber zu einem zusammengehörigen betrieblichen Herkunftshinweis verbinden (…) Im Einzelfall kann auch eine für sich gesehen beschreibende Angabe in Verbindung mit einem weiteren Bestandteil wesentlich zur besonderen Identifizierung und Einprägsamkeit der Gesamtmarke beitragen (…)

Stellt sich eine Marke als einheitlicher Gesamtbegriff dar, besteht für den Verkehr keine Veranlassung, sich nur an einem einzelnen Markenbestandteil zu orientieren. Ein für sich genommen beschreibender Bestandteil kann zum Gesamtein- druck der Marke beitragen und diese mitprägen, wenn er Teil eines Gesamtbegriffs mit eigenständigem Bedeutungsgehalt ist (…) Eine Verkürzung auf den mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil ist nicht anzunehmen, wenn durch die Einfügung des Bestandteils in das zusammengesetzte Zeichen ein Gesamtbegriff mit eigenständigem Bedeutungsgehalt entsteht. Dann tragen auch die anderen Bestandteile zum Gesamteindruck bei, selbst wenn sie beschreibend sind (…)

Beispiel zur Verwechslungsgefahr zwei ähnlich klingender und aussehender Marken

Beim Bundespatentgericht (29 W (pat) 547/13) ging es um den Klassiker schlichthin: Die Verwechslungsgefahr zweier Marken, die ein wenig ähnlich klingen und vor allem aussehen. Die Entscheidung ist derart exemplarisch, dass ich sie hier ohne weitere Ausführungen aufnehme.

Hinweis für fachkundige Leser: Benannte Entscheidung ist vor allem aus einem anderen Grund von besonderem Interesse – es geht hier auch um die Frage des Schutzes und der Kollision von Dienstleistungs-/Handelsmarken. Nach meinem Eindruck schliesst sich das Gericht der Einschätzung von Kochendörfer („Die Handelsmarke im Verletzungsverfahren“) in GRUR 2014, 35ff. an

Die Marken des Beispiels zur Ansicht

Es ging um zwei Marken, die eine wurde gerade frisch eingetragen, die andere bestand schon länger (Bilder dem Urteil entnommen):

Bildschirmfoto 2014-06-21 um 11.00.21

Jüngere Marke

Bildschirmfoto 2014-06-21 um 11.00.27

Ältere Marke (die sich gegen die jüngere wehrt)

Verwechslungsgefahr der Marken im Beispiel?

Liegt hier nun eine Verwechslungsgefahr vor? Es ist unterschiedlich geschrieben, unterschiedlich gestaltet – also doch eher nicht, oder? Die Frage der Bestimmung der Verwechslungsgefahr ist ein Mysterium für Markenrechtsinhaber, dabei zeigen die sich häufig widersprechenden Entscheidungen bereits, dass es hier keine „klare Formel“ sondern nur Regeln zur Auslegung gibt. Im vorliegenden Fall wurde eine Verwechslungsgefahr angemommen!

Verwechslungsgefahr bei Ähnlichkeit aber abweichendem Begriffsinhalt

Beachten Sie aber, dass mit dem BGH eine Verwechslungsgefahr ausnahmsweise trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen wegen eines ohne weiteres erkennbaren eindeutigen abweichenden Begriffsinhalts der Zeichen zu verneinen sein kann. Ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht hierfür jedoch nicht aus:

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche aus; es genügt daher, wenn die Zeichen einander entweder im (Schrift-)Bild oder im Klang oder in der Bedeutung ähnlich sind (…). Allerdings kann eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn zumindest einem der Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt (…). Dies setzt jedoch einen die Zeichen unterscheidenden, ohne weiteres erkennbaren konkreten Begriffsinhalt voraus (…); ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht nicht aus (…). Ferner kann eine im Hinblick auf den beschreibenden Zeichenbestandteil bestehende Übereinstimmung die Verwechslungsgefahr nicht begründen (…).

Beachten Sie zum Thema Verwechslungsgefahr auch bei uns:

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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