Luxusprodukte rechtfertigen Vertriebsverbot auf Amazon.de

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat heute entschieden, dass ein Anbieter von Luxusparfüms seinen Vertriebspartnern untersagen darf, diese über die Plattform „amazon.de“ zu bewerben und zu vertreiben. Der Entscheidung ist ein Vorlageverfahren zum EuGH vorausgegangen.

Die Klägerin vertreibt Markenkosmetikprodukte in Deutschland. Die Beklagte zählt zu den von der Klägerin autorisierten Einzelhändlern (Depositären), die bestimmte Qualitätsanforderungen beim Vertrieb der klägerischen Produkte einhalten müssen. Die Beklagte vertreibt die Produkte in stationären Läden sowie im Internet über einen eigenen Internet-Shop und die Plattform „amazon.de“. Hinsichtlich des Internet-Vertriebs vereinbarten die Parteien, dass „die Führung eines anderen Namens oder die Einschaltung eines Drittunternehmens, für welches die Autorisierung nicht erteilt wurde, … dem Depositär nicht gestattet (ist).“ Die Klägerin überarbeitete nachfolgend ihre Zusatzvereinbarung zum sog. Elektronischen Schaufenster. Nunmehr ist der Depositär berechtigt, Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen, sofern der „Luxuscharakter der Produkte gewahrt“ bleibt. Die erkennbare Einschaltung eines Drittunternehmens, das nicht autorisierter Depositär ist, ist ausdrücklich nicht erlaubt. Diese geänderte Klausel unterzeichnete die Beklagte nicht.

Die Klägerin möchte der Beklagten untersagen, bestimmte Markenprodukte über die Plattform „amazon.de“ zu bewerben und zu vertreiben. Der Vertrieb über „amazon.de“ unterfalle dem vertraglich vereinbarten Verbot, nicht autorisierte Drittunternehmen erkennbar einzuschalten.

Das Landgericht hat die abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat nunmehr vor dem OLG Erfolg. Das OLG hatte zunächst mit Beschluss vom 19.04.2016 dem EuGH Fragen zum europäischen Wettbewerbsrecht vorgelegt. Diese hatte der EuGH mit Urteil vom 06.12.2017 (C-230/16) beantwortet. Das OLG hat nun die Auslegungsvorgaben des EuGH auf den zu entscheidenden Fall angewandt. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin von der Beklagten verlangen könne, die streitigen Markenprodukte nicht über „amazon.de“ zu vertreiben. Reine Werbekooperationen, bei denen der Kunde auf den Internetshop der Beklagten geleitet werde, seien davon allerdings nicht erfasst und weiterhin zulässig.

Die Internet-Zusatzvereinbarung sei, so das OLG, Bestandteil eines von der Klägerin unterhaltenen sog. qualitativen selektiven Vertriebssystems. Für die kartellrechtliche Beurteilung der ursprünglich sehr weiten Klausel sei auf die aktuell verwendete Fassung abzustellen. Die mit der Klausel verbundenen Beschränkungen des Wettbewerbs seien hier zulässig. Dabei bedürfe es im Ergebnis keiner abschließenden Entscheidung, ob die Regelung bereits grundsätzlich als wettbewerbskonformer Bestandteil des Binnenmarktes anzusehen sei und damit gar nicht dem europäischen Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV unterliege. Jedenfalls wäre die Vereinbarung zulässig, da sie zum Bereich der freigestellten und damit kartellrechtlich unbedenklichen Vereinbarungen im Sinne der Verordnung (EU) 330/2010 (Vertikal-GVO) zähle.

Es spreche allerdings bereits viel dafür, dass die Regelung nicht vom europäischen Kartellverbot erfasst werde. Qualitative selektive Vertriebsvereinbarungen seien nach der Rechtsprechung des EuGH zulässig, „wenn die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich … festgelegt und ohne angewendet werden, wenn die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität … ein solches Vertriebsnetz erfordern und sofern die festgelegten Kriterien schließlich nicht über das erforderliche Maß hinausgehen“. Der EuGH habe im Rahmen des Vorlageverfahrens klargestellt, „dass auch die Sicherstellung des Luxusimages von Waren, deren Qualität nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften beruht, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstattung verleiht, die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems rechtfertigen kann“. Um „in Anbetracht ihrer Eigenschaften und ihres Wesens die Qualität von Luxuswaren zu wahren“, könne mithin auch zur Sicherstellung einer hochwertigen

Art der Darbietung die Errichtung eines selektiven Vertriebssystems erforderlich sein. Den hier zu beurteilenden Markenprodukten komme ein Luxusimage zu. Dies wäre bei freier Zulassung der Einschaltung von Drittunternehmen wie „amazon.de“ gefährdet.

Die aufgestellten Qualitätskriterien würden auch einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt. Dies hätten die vernommenen Zeugen überzeugend bekundet. Zweifelhaft sei lediglich, ob das Verbot jeglicher „Verkaufskooperation mit einer nach außen erkennbaren anderen Drittplattform ohne Rücksicht auf deren konkrete Ausgestaltung in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel“ stehe. Es seien auch vertragliche Klauseln für den Internetvertrieb vorstellbar, die weniger in die Wettbewerbsfreiheit des Händlers eingriffen. Letztlich habe aber bereits der EuGH hinsichtlich dieser konkreten Klausel die Verhältnismäßigkeit bejaht.

Im Ergebnis bedürfe die Frage, ob das Kartellverbot überhaupt anwendbar sei, jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Die Vereinbarung sei jedenfalls nach den Ausnahmevorschriften der Art. 101 Abs. 3 AEUV, Art. 2 ff Vertikal-GVO von den strengen kartellrechtlichen Vorgaben ausgenommen. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind demnach erlaubt, soweit die Marktanteile der beteiligten Vertragspartner jeweils nicht über 30% liegen und die Absprachen keine sog. Kernbeschränkungen enthalten. Hier betrügen die Marktanteile der Parteien jeweils nicht mehr als 30%. Die Klausel enthalte auch keine Kernbeschränkung. Insbesondere würde keine Kundengruppe im Sinne von Art. 4 b Vertikal-GVO abgegrenzt, da die Kunden von Drittplattformen innerhalb der Gruppe der Online-Käufer nicht separiert werden könnten. Auch der passive Verkauf an Endverbraucher werde nicht i.S.d. Art. 4 c Vertikal-GVO beschränkt. Den Vertragshändlern sei es unter bestimmten Bedingungen gestattet, über das Internet und mittels anderen Suchmaschinen Werbung zu betreiben und die Ware zu vertreiben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH die Zulassung der Revision begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.07.2018, Az. 11 U 96/14 (Kart)
Quelle: Pressemitteilung des Gerichts

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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