Löschungsverfahren bei Geschmacksmustern

Grundsätze für beschränkte Verteidigung im Löschungsverfahren
BGH, Beschluss vom 14.9.2004, X ZB 25/02

Für die beschränkte Verteidigung des Gebrauchsmusters im
Löschungsverfahren gelten die im entwickelten Grundsätze
zur beschränkten Verteidigung des erteilten Patents entsprechend.
Deshalb darf der Gegenstand der Anmeldung bei der Aufstellung neuer
Schutzansprüche beschränkt werden, solange dadurch das
nicht auf einen Gegenstand erstreckt wird, der von den eingetragenen
Schutzansprüchen nicht erfaßt ist und von dem der Fachmann aufgrund
der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß er von
vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt sein sollte.

‚, ‚aa) Im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist materiell wie im Patentnichtigkeitsverfahren eine Verteidigung des Gebrauchsmusters mit beschränkten Schutzansprüchen möglich (BGHZ 135, 58, 63 – Einkaufswagen; vgl. auch Keukenschrijver in Busse, PatG 6. Aufl., § 17 GebrMG Rdn. 16; Bühring, GebrMG 6. Aufl., § 15 Rdn. 72 ff.). Insoweit gelten für die beschränkte Verteidigung des Gebrauchsmusters im Löschungsverfahren die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zur beschränkten Verteidigung des erteilten Patents entsprechend. Deshalb darf der Gegenstand der Anmeldung bei der Aufstellung neuer Schutzansprüche beschränkt werden, solange dadurch das Gebrauchsmuster nicht auf einen Gegenstand erstreckt wird, der von den eingetragenen Schutzansprüchen nicht erfaßt ist und von dem der Fachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen kann, daß er von vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt sein sollte. Begehrt der Schutzrechtsinhaber unter Beachtung dieser der beschränkten Verteidigung materiell gesetzten Grenzen nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der Erfindung Schutz, so ist er nicht genötigt, sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den neuen Schutzanspruch aufzunehmen. Vielmehr kann er sich darauf beschränken, ein oder auch mehrere Merkmale aus der Beschreibung in den Schutzanspruch aufzunehmen, wenn dadurch die zunächst weiter gefaßte Lehre eingeschränkt wird und der so bestimmte Gegenstand des neu gefaßten Schutzanspruchs in der Beschreibung für den Fachmann als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war. Deshalb hat es der Schutzrechtsinhaber in der Hand, sein Schutzrecht durch die Aufnahme einzelner oder mehrerer Merkmale, die in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannt werden, zu beschränken, wenn und soweit diese Merkmale jedes für sich oder auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg befördern (vgl. Senat BGHZ 110, 123 – Spleißkammer; Beschl. v. 1.9.2001 – X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 – Drehmomentübertragungseinrichtung m.w.N.).

bb) Feststellungen, auf die sich die Annahme des Beschwerdegerichts stützt, das Schutzbegehren in der Fassung des mit dem Hauptantrag von der Antragsgegnerin verteidigten Schutzanspruchs 1 sei von den eingetragenen Schutzansprüchen nicht erfaßt und in den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart, lassen sich den Ausführungen des angefochtenen Beschlusses nicht entnehmen.

Der vom Beschwerdegericht in Bezug genommene eingetragene Schutzanspruch 12 betrifft nach seinem Wortlaut Verriegelungselemente, die hauptsächlich aus an einem an der Unterseite der Feder angebrachten Verriegelungselement bestehen, das die Form eines Vorsprungs aufweist. Das deckt sich mit dem nach dem Hauptantrag verteidigten Schutzanspruch 1, demzufolge die integrierten mechanischen Verriegelungsmittel einerseits einen Vorsprung an der Unterseite der Feder aufweisen. Dem eingetragenen Schutzanspruch 12 zufolge soll in der Lippe, die die Unterseite der Nut begrenzt, ein Verriegelungselement in Form einer Aussparung vorhanden sein. Dies deckt sich mit dem Merkmal des nach dem Hauptantrag verteidigten Schutzanspruchs 1, wonach in der Unterlippe eine Aussparung vorhanden ist. Die Aussparung weist nach dem eingetragenen Schutzanspruch 12 einen aufrecht stehenden Teil auf, der durch die Aussparung begrenzt wird. Das deckt sich mit dem Merkmal der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung des Schutzanspruchs 1, wonach die Aussparung in der Unterlippe den Vorsprung aufnimmt. Die Beschreibung erläutert das Zusammenwirken dieser Merkmale unter Bezugnahme auf die Figuren 5 bis 7 dahingehend, daß ein Verriegelungselement vorzugsweise aus einem Vorsprung an der Unterseite der Feder besteht, der in einer Aussparung in der unteren Wand der Nut Platz nehmen kann und das andere Verriegelungselement durch das aufrecht stehende Teil, das die Aussparung begrenzt, gebildet wird (Beschreibung Seite 12, Zeilen 17-23). Ferner erläutert die Beschreibung das Zusammenwirken der so ausgebildeten Verriegelungselemente dahin, daß sie beim Ineinanderfügen von zwei Fußbodenpaneelen vorzugsweise mit Abschrägungen so zusammenwirken, daß die Verriegelungselemente leicht übereinandergedrückt werden können, bis sie mittels eines Klickeffektes hintereinander greifen (Beschreibung Seite 12, Zeile 33, bis Seite 13, Zeile 2). Wie sich aus dem Rückbezug des eingetragenen Schutzanspruchs 12 auf die vorhergehenden Schutzansprüche und damit auch auf die Schutzansprüche 2 bis 5 ergibt, betrifft diese Ausgestaltung auch solche Ausführungsformen der Lehre nach dem Streitgebrauchsmuster, bei denen die Verriegelungsmittel die zusammengefügten Paneele unter Spannkraft zusammenhalten und die dazu erforderliche Spannkraft dadurch geliefert wird, daß mindestens ein Kupplungsteil elastisch verbiegbar und in gekoppeltem Zustand verbogen ist.

Gleiches gilt, soweit das Beschwerdegericht die Auffassung vertreten hat, es stelle eine unzulässige Erweiterung des Schutzbegehrens dar, wenn in der nach dem Hauptantrag von der Antragsgegnerin verteidigten Fassung des Schutzanspruchs 1 die Kupplungsteile so ausgebildet sein sollen, daß sie eine Klickverbindung gestatten. Nach dem eingetragenen Schutzanspruch 14 gestatten die mit Verriegelungselementen versehenen Kupplungsteile eine Klickverbindung.

Nach dem Schutzanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung weisen die mit dem Kern einstückig ausgebildeten Kupplungsteile die Verriegelungsmittel auf, so daß die Klickverbindung mittels der Kupplungsteile und der an ihnen befindlichen Verriegelungsmittel erreicht wird. Dabei ist klargestellt, daß nicht nur die Kupplungsteile einstückig mit dem Kern ausgebildet sind, sondern gleiches auch für die Verriegelungsmittel gilt. Auch insoweit fehlen Feststellungen, inwiefern Schutzanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag von der Antragsgegnerin verteidigten Fassung statt einer Beschränkung auf eine bestimmte Ausführungsform eine unzulässige Erweiterung aufweisen soll.

2. Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist daher begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung durch das Beschwerdegericht. Die Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin führt notwendig auch zum Erfolg der gegenläufigen Rechtsbeschwerden der Antragstellerin und der Nebenintervenientinnen, da die Grundlage, auf der über diese Rechtsmittel entschieden worden ist, mit der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses aufgrund der Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin entfallen

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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