Markenrecht: Erforderlichkeit einer Abmahnung vor der Einleitung des Eilverfahrens bei Sequestration

Das OLG Frankfurt am Main (6 W 149/05) hat zur Erforderlichkeit einer vor der Einleitung des Eilverfahrens im Fall einer beabsichtigten Sequestration entschieden:

Ist mit der Einlegung eines bloßen Kostenwiderspruchs eine , die neben einem mit Rücksicht auf das Sicherungsinteresse des Gläubigers einen Ausspruch auf Herausgabe von Verletzungsgegenständen zur Verwahrung an den Gerichtsvollzieher enthält, in der Hauptsache anerkannt, ist im Hinblick auf die Kostenvorschrift des § 93 ZPO eine vorherig Abmahnung des Antragsgegners aus Sicht des Antragstellers regelmäßig entbehrlich. (…) Besteht jedoch – wovon hier aus den genannten Gründen auszugehen ist – ein mit diesem Sicherungsinteresse zu begründender Sequestrationsanspruch, ist eine vorherige Abmahnung des Antragsgegners aus der Sicht des Antragstellers regelmäßig entbehrlich (vgl. allgemein hierzu Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., Rdz. 1.48 zu § 12 m.w.N.). Denn eine solche Abmahnung liefe dem Zweck der Sequestrationsverfügung zuwider, da sie dem Antragsgegner Zeit und Gelegenheit gäbe, diejenigen Maßnahmen zur Beiseiteschaffung der Verletzungsgegenstände zu ergreifen, die mit der einstweiligen Verfügung gerade unterbunden werden sollen.

Der Senat verkennt nicht, dass ein Verzicht auf das Abmahnerfordernis in Fällen der vorliegenden Art, in denen eine Unterlassungsverfügung mit einer Sequestrationsverfügung verbunden wird, Schutzrechtsinhaber veranlassen könnte, den Sequestrationsanspruch nur deswegen geltend zu machen, um auf diese Weise die hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs grundsätzlich bestehende Abmahnungsobliegenheit zu umgehen. Dieser Gefahr kann jedoch nur dadurch entgegengewirkt werden, dass bereits im Erkenntnisverfahren geprüft wird, ob ein Sicherungsbedürfnis für die Sequestration tatsächlich besteht.


Diese Rechtsprechung hat das OLG Frankfurt am Main (6 W 138/05) auch nochmals bestätigt:

Besteht jedoch – wovon hier aus den genannten Gründen auszugehen ist – ein mit diesem Sicherungsinteresse zu begründender Sequestrationsanspruch, ist eine vorherige Abmahnung des Antragsgegners aus der Sicht des Antragstellers regelmäßig entbehrlich (vgl. allgemein hierzu Baumbach/Hefermehl-Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., Rdz. 1.48 zu § 12 m.w.N.). Denn eine solche Abmahnung liefe dem Zweck der Sequestrationsverfügung zuwider, da sie dem Antragsgegner Zeit und Gelegenheit gäbe, diejenigen Maßnahmen zur Beiseiteschaffung der Verletzungsgegenstände zu ergreifen, die mit der einstweiligen Verfügung gerade unterbunden werden sollen. Diese Gefahr wurde im vorliegenden Fall auch nicht durch die Filialstruktur der Antragsgegnerin ausgeschlossen. Sofern zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt wird, dass das Wegschaffen markenrechtsverletzender Ware vorherige unternehmensinterne Abstimmungs- und Entscheidungsvorgänge erfordert hätte, konnte jedenfalls aus der Sicht der Antragstellerin angesichts der Existenz moderner Kommunikationsmittel nicht davon ausgegangen werden, dass derartige Vorgänge so lange gedauert hätten, dass die Ware innerhalb der mit einer Abmahnung gewährten Frist nicht hätte weggeschafft werden können.

Im Jahr 2010 konnte das OLG Frankfurt am Main (6 W 92/10) klar stellen, hieran weiterhin festzuhalten:

Der Kostenwiderspruch kann grundsätzlich nicht mit der fehlenden Abmahnung begründet werden, wenn mit dem Eilantrag zugleich auch ein Sequestrationsanspruch geltend gemacht worden ist (…) Wie das Landgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschl. v. 24.10.2005 – 6 W 149/05; GRUR 06, 264) zutreffend angenommen hat, hatte die Antragstellerin aus ihrer Sicht Anlass zur Einreichung des Eilantrages, auch ohne die Antragsgegnerin zuvor abgemahnt zu haben. Wenn – wovon im Rahmen der Entscheidung nach § 93 ZPO ausgegangen werden muss – der Antragstellerin ein im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchsetzbarer Sequestrationsanspruch zustand, war eine vorherige Abmahnung nicht geboten, weil dies den Zweck der Sequestration gefährdet hätte.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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