Manipuliertes Verteidigungsverhalten durch die Polizei

Der (BGH) hat im Urteil 4 StR 370/23 klargestellt, dass das manipulierte Verteidigungsverhalten der verdeckten Ermittlerinnen gegenüber der Angeklagten zu einem erheblichen Eingriff in die prozessualen Rechte der Angeklagten führte. Insbesondere haben die Ermittlerinnen die Angeklagte dazu gebracht, selbstbelastende Äußerungen zu machen, die sie in einer formellen Vernehmung nicht gemacht hätte. Dies stellt einen Verstoß gegen § 136a dar, der ein faires Verfahren und das Recht der Angeklagten, selbst zu entscheiden, ob sie aussagen oder schweigen möchte, schützen soll.

Die Ermittlerinnen nutzten das Vertrauen der Angeklagten und forderten sie auf, ein Alibi zu konstruieren und dies auch gegenüber ihrer Verteidigerin zu verwenden. Zudem täuschten die Ermittlerinnen vor, in dem betreffenden selbst als Zeuginnen ausgesagt zu haben und boten an, Gefälligkeitsaussagen zu machen. Dies ging weit über die notwendigen Täuschungen hinaus, die mit der gewählten Legendierung verbunden und gerechtfertigt waren:

Die Entscheidung der Angeklagten für die Inanspruchnahme ihres Schweigerechts haben die Strafverfolgungsorgane durch die Art und Weise der Informationsgewinnung seitens der eingesetzten verdeckten Ermittlerinnen massiv verletzt.

Diese haben der Angeklagten unter Ausnutzung des Vertrauens, das im Verlauf des mehr als ein Jahr dauernden, in der Intensität zunehmenden Einsatzes geschaffen worden war, durch beharrliche, quasi-inquisitorische Nachfragen selbstbelastende Äußerungen entlockt, zu denen sie bei einer förmlichen Vernehmung nicht bereit gewesen wäre (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 – 4 StR 296/08 Rn. 9). Die Missachtung des Rechts der Angeklagten, selbst frei zu entscheiden, ob sie aussagen oder schweigen wolle, wiegt dabei hier umso schwerer, als die verdeckten Ermittlerinnen entgegen dem Rechtsgedanken von § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO auch ihr Verteidigungsverhalten mitsamt dem Vertrauensverhältnis zu ihrer Verteidigerin manipuliert haben.

Denn sie gaben ihr auf, gemeinsam mit ihnen in Kenntnis der Wahrheit ein angesichts der objektiven Beweislage angeblich benötigtes „Alibi“ zu konstruieren, welches sie auch gegenüber ihrer Verteidigerin verwenden sollte. Weiter täuschten die verdeckten Ermittlerinnen der Angeklagten vor, bereits selbst in dem betreffenden Ermittlungsverfahren als Zeuginnen ausgesagt zu haben und ggf. noch Gefälligkeitsaussagen tätigen zu wollen. Damit gingen sie deutlich über die mit der gewählten Legendierung (§ 110a Abs. 2 StPO) notwendig verbundenen und deshalb gerechtfertigten Täuschungen hinaus. Die nach alledem unzulässige Beweisgewinnung durch die verdeckten Ermittlerinnen hat wegen des gravierenden Eingriffs in die prozessualen Rechte der Angeklagten ein in dem von der Strafkammer angenommenen Umfang zur Folge.

Die unzulässige Beweisgewinnung führte damit also zu einem Beweisverwertungsverbot. Das Gericht betonte, dass das Schweigerecht der Angeklagten gezielt unterlaufen wurde, was einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens darstellt. Die Entscheidung der Strafverfolgungsorgane, die Angeklagte durch verdeckte Ermittlerinnen zu manipulieren, wird daher scharf kritisiert.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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