Mangel bei Freispruch wegen Volksverhetzung

Beim OLG Frankfurt a.M. (3 Ss 123/22) ging es um eine Sprungrevision der Staatsanwaltschaft gegen ein freisprechendes Urteil, wobei in der eine vorgeworfen wurde. Dass ein solcher Freispruch gut zu begründet ist, macht das OLG deutlich. Dabei gilt der Grundsatz, dass das Urteil eine verständliche Darstellung des konkreten Anklagesatzes, der den individuellen Anklagevorwurf nach Ort, Zeit, Verantwortungsbereich und Begehungsweise aufzeigt, enthalten muss. Ohne eine solche Mitteilung können die Urteilsgründe ihre Aufgabe, dem Rechtsmittelgericht eine umfassende Nachprüfung auch der freisprechenden Entscheidung zu ermöglichen, nicht erfüllen – daran scheiterte es hier.

Das OLG hebt allerdings hervor, dass die kritisch zu sehenden Äußerungen des Angeklagten sich eindeutig gegen eine klar abgrenzbare Gruppe richten müssen. Dies können neben den in § 6 genannten Personenmehrheiten zwar auch Bevölkerungsteile sein, die durch ihre politische oder weltanschauliche Überzeugung als besondere Gruppe erkennbar sind (inzwischen auch nach Geschlecht), aber man muss genau prüfen:

  • Wenn sich die Äußerungen ihrem Wortlaut nach nicht gegen Menschen eines bestimmten (hier: jüdischen) Glaubens oder Kultur schlechthin richten, sondern gegen eine Gruppe nur pauschal (hier: als „Zionisten“) bezeichneter Menschen, deren Abgrenzung ersichtlich schwerfällt, wird ein Schwergewicht darauf liegen müssen, ob sich die Äußerungen ihrem objektiven Sinngehalt nach gegen die konkrete Gruppe (hier: Juden) im Allgemeinen richten.
  • In der Würdigung bzw. Auslegung darf man sich einerseits nicht mit dem bloßen Wortlaut der Äußerungen zufriedengeben. Denn entscheidend ist der objektive Sinngehalt. Wenn die Auslegung einer Erklärung aus der objektiven Sicht eines unvoreingenommenen Dritten und Berücksichtigung des Adressatenkreises der Aussage ergibt, dass der Erklärende den Begriff „Juden“ nur deshalb vermeidet, weil er Strafbarkeit befürchtet, seinen Zuhörern aber unmissverständlich vermittelt, dass er nicht nur eine nicht abgrenzbare Teilmenge, sondern „die“ Juden meint, ist er auch an diesem Sinngehalt festzuhalten. Denn auch im Rahmen des § 130 StGB können nicht nur ausdrückliche, sondern auch konkludente Äußerungen strafbar sein.
  • Bei der Auslegung und Anwendung von § 130 StGB sind zudem die aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Anforderungen zu beachten, damit die besondere wertsetzende Bedeutung des Grundrechts auf der Normanwendungsebene des einfachen Rechts zur Geltung kommt. Ist eine Äußerung mehrdeutig, so müssen, soll die zur Anwendung sanktionierender Normen führende Deutung der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt werden, andere Auslegungsvarianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen ausgeschlossen werden.
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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