LG Hanau zur Zulässigkeit der Aufnahme von Polizeieinsätzen

Die Entscheidung des Landgerichts Hanau (Az.: 5 KLs 3350 Js 16251/22) vom 13. September 2023 bringt neue Klarheit in die rechtliche Bewertung eines kontroversen Themas: Darf ein Bürger Polizeieinsätze filmen, insbesondere wenn dabei auch Gespräche der Beamten aufgezeichnet werden? Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt. Das Gericht setzte sich intensiv mit der Frage auseinander, inwiefern Polizeibeamte auch während ihrer Tätigkeit vor unbefugten Aufnahmen geschützt sind.

Sachverhalt und Hintergrund

Der Angeklagte geriet während einer nächtlichen Verkehrskontrolle in Konflikt mit den eingesetzten Polizeibeamten. Als Reaktion auf das Einschalten der dienstlichen Bodycam eines Beamten entschloss er sich, die Kontrolle mit seinem Smartphone zu filmen. Trotz mehrfacher Aufforderung durch die Polizei, die Aufnahme zu beenden, hielt der Angeklagte an seinem Verhalten fest. Dabei zeichnete er sowohl Bild als auch Ton auf, wobei er ausdrücklich auf sein vermeintliches Recht zur Aufnahme im öffentlichen Raum verwies.

Rechtliche Würdigung durch das LG Hanau

Das Gericht stellte unmissverständlich fest, dass der Angeklagte sich durch die der gesprochenen Worte der Polizeibeamten strafbar gemacht hat. Dabei wurden mehrere zentrale rechtliche Aspekte erörtert, die sowohl die Abgrenzung zwischen öffentlichem und nichtöffentlichem Raum als auch die Rechte der Polizeibeamten betreffen.

Schutz der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes

Im Zentrum der Entscheidung steht § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der die unbefugte Aufnahme nichtöffentlich gesprochener Worte unter Strafe stellt. Das Gericht hob hervor, dass auch dienstliche Äußerungen von Polizeibeamten grundsätzlich unter den Schutz der Vertraulichkeit fallen. Der Gesetzgeber misst dem Recht auf unbefangene Kommunikation eine hohe Bedeutung zu, selbst wenn diese in einer professionellen Umgebung stattfindet. Entscheidend ist, dass die Worte nicht an die Allgemeinheit, sondern an einen begrenzten Personenkreis gerichtet sind. Im vorliegenden Fall beschränkte sich der Kreis der Anwesenden auf die Fahrzeuginsassen, sodass keine Öffentlichkeit im rechtlichen Sinne vorlag.

Das Gericht betonte, dass der Schutz der Vertraulichkeit des Wortes nicht dadurch entfällt, dass der Polizeibeamte eine dienstliche Bodycam verwendet. Die von der Bodycam erzeugten Aufnahmen dienen ausschließlich gesetzlich festgelegten Zwecken und unterliegen strikten Regeln zur Verwertung. Im Gegensatz dazu kann der Sprechende nicht kontrollieren, wie eine private Aufnahme verwendet wird, was den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte erheblich verstärkt.

Kein Recht zur Aufnahme aus Art. 5 GG

Der Angeklagte berief sich auf die und ein vermeintliches Recht zur Dokumentation von Polizeieinsätzen. Das Gericht stellte jedoch klar, dass Art. 5 Abs. 1 GG kein generelles Recht zur Aufnahme von Bild- und Tonmaterial gewährt, insbesondere wenn dadurch die Rechte Dritter beeinträchtigt werden. Während die unter bestimmten Umständen das Filmen von Polizeieinsätzen rechtfertigen kann, gilt dies nicht für private Aufnahmen, die keine journalistischen Zwecke verfolgen und vielmehr eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen.

Abgrenzung zwischen öffentlichem und nichtöffentlichem Raum

Ein weiterer Aspekt der Entscheidung war die Frage, ob die Aufnahmen durch die Tatsache, dass sie im öffentlichen Raum stattfanden, gerechtfertigt sein könnten. Das Gericht stellte jedoch klar, dass der Begriff der „Nichtöffentlichkeit“ im Sinne von § 201 StGB nicht allein durch den Ort, sondern durch den Charakter der Kommunikation definiert wird. Entscheidend ist, dass die Worte nicht für eine unbestimmte Anzahl von Zuhörern bestimmt sind. Im vorliegenden Fall sprach der Beamte ausschließlich mit den Insassen des Fahrzeugs, was eine nichtöffentliche Kommunikation begründete.

Konsequenzen und Handlungsempfehlungen

Das Urteil des LG Hanau macht deutlich, dass private Aufnahmen von Polizeieinsätzen rechtlich nur in sehr engen Grenzen zulässig sind. Bürger, die solche Situationen dokumentieren möchten, müssen sich der potenziellen Strafbarkeit bewusst sein, insbesondere wenn sie auch Tonaufnahmen anfertigen. Die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes bleibt auch im Kontext dienstlicher Kommunikation ein hohes Rechtsgut.

Unternehmen und Privatpersonen, die sich auf das Recht zur Dokumentation berufen, sollten stets abwägen, ob die Aufnahmen tatsächlich erforderlich und verhältnismäßig sind. Gleichzeitig sollten Polizeibehörden weiterhin daran arbeiten, durch den Einsatz von Bodycams Transparenz zu schaffen und das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken, ohne dabei den Schutz der Persönlichkeitsrechte aus den Augen zu verlieren.


Fazit

Das Urteil des LG Hanau zeigt die rechtlichen Grenzen privater Dokumentationen von Polizeieinsätzen auf und stärkt den Schutz der Vertraulichkeit auch im Kontext dienstlicher Kommunikation. Es verdeutlicht, dass die Rechte der Polizeibeamten nicht durch ihre Amtstätigkeit aufgeweicht werden und betont die Wichtigkeit einer ausgewogenen Balance zwischen Transparenz und Persönlichkeitsrechten.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Ich bin Softwareentwickler, in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht + Kunst & Medien - ergänzt um Arbeitsrecht.