Die zunehmende Verbreitung von Photovoltaikanlagen in Deutschland führt zu einer wachsenden Zahl von Rechtsstreitigkeiten zwischen Käufern und Anbietern. Häufig geht es um die mangelhafte Lieferung und Installation von Batteriespeichern, die nicht die erwartete Leistung erbringen oder aufgrund technischer Probleme vom Hersteller nachträglich in ihrer Funktion eingeschränkt werden. Das Landgericht Bielefeld hat mit seinem Urteil vom 5. Dezember 2024 (Az. 9 O 212/24) einen weiteren bedeutenden Beitrag zur Rechtsprechung in diesem Bereich geleistet.
Das Urteil reiht sich in eine Serie ähnlich gelagerter Fälle ein, darunter Entscheidungen des Landgerichts Rostock und des Landgerichts Brandenburg. Dabei rückt insbesondere die Frage in den Fokus, ob eine nachträgliche Kapazitätsreduktion eines Batteriespeichers durch den Hersteller einen Sachmangel darstellt und welche Rechte Käufern in einer solchen Situation zustehen.
Sachverhalt
Im konkreten Fall hatte die Klägerin eine Photovoltaikanlage einschließlich eines Batteriespeichers und einer Wallbox für Elektrofahrzeuge bei der Beklagten erworben. Die Lieferung und Installation der Anlage erfolgten planmäßig, doch nach wenigen Monaten stellte sich heraus, dass der Batteriespeicher durch eine Softwareanpassung des Herstellers in seiner Speicherkapazität gedrosselt worden war. Hintergrund war eine Sicherheitsmaßnahme des Herstellers, die vorsorglich sämtliche Geräte bestimmter Baureihen in einen sogenannten „Konditionierungsbetrieb“ versetzte. Dadurch wurde die nutzbare Kapazität dauerhaft auf 70 % der ursprünglich vereinbarten Leistung reduziert.
Die Klägerin forderte daraufhin die Wiederherstellung der ursprünglichen Speicherkapazität. Nachdem die Beklagte nicht reagierte, erklärte sie den teilweisen Rücktritt vom Vertrag, verlangte die Rücknahme des Batteriespeichers sowie eine anteilige Rückzahlung des Kaufpreises. Die Beklagte argumentierte, dass die Speicherreduzierung keine mangelhafte Leistung darstelle, sondern eine autonome Entscheidung des Herstellers zur Gefahrenabwehr.
Rechtliche Analyse
Das Landgericht Bielefeld stellte fest, dass die nachträgliche Reduzierung der Speicherkapazität einen Sachmangel darstellt. Maßgeblich für die Beurteilung sei, dass der Batteriespeicher nicht mehr die vertraglich vereinbarte Leistung erbringe und somit die gewöhnliche Verwendungsmöglichkeit eingeschränkt sei.
1. Einordnung als Werkvertrag
Wie bereits in früheren Entscheidungen, etwa des LG Rostock , stellte das Gericht klar, dass Verträge über die Lieferung und Montage von Photovoltaikanlagen als Werkverträge und nicht als Kaufverträge mit Montagepflicht zu qualifizieren sind. Entscheidend sei nicht allein die Übereignung der Anlage, sondern die erfolgreiche Inbetriebnahme und damit das Erreichen eines funktionstüchtigen Zustands.
Die Werkvertragseigenschaft hat für Käufer erhebliche Vorteile, insbesondere in Bezug auf Gewährleistungsrechte. Während im Kaufrecht die Gefahr mit Übergabe der Sache übergeht, bleibt der Unternehmer bei einem Werkvertrag für die ordnungsgemäße Herstellung der vereinbarten Leistung verantwortlich.
2. Sachmangel durch Kapazitätsreduzierung
Das Landgericht Bielefeld schloss sich der Argumentation an, dass eine Reduzierung der Speicherkapazität auf 70 % einen Sachmangel gemäß § 633 Abs. 2 BGB darstellt. Der Käufer darf erwarten, dass das erworbene Produkt die vertraglich zugesicherten Eigenschaften besitzt und diese nicht durch eine nachträgliche Maßnahme des Herstellers eingeschränkt werden.
Besonders relevant war hierbei die Frage, ob die Beklagte für die Maßnahme des Herstellers haftet. Das Gericht bejahte dies mit der Begründung, dass die Beklagte als Verkäuferin das Produkt mit einer bestimmten zugesicherten Leistung geliefert habe und die Reduzierung nicht auf eine natürliche Abnutzung, sondern auf eine zentrale Entscheidung des Herstellers zurückzuführen sei. Ein Käufer müsse sich nicht darauf verweisen lassen, dass die Einschränkung auf einer „externen“ Entscheidung beruhe.
3. Angemessene Frist zur Nacherfüllung
Die Klägerin hatte der Beklagten eine Frist gesetzt, um die volle Funktionsfähigkeit des Speichers wiederherzustellen. Das Gericht sah diese Frist als ausreichend an, da sich die Beklagte nicht um eine Nachbesserung bemüht habe. Interessanterweise stellte das LG Bielefeld klar, dass eine zu kurze Frist nach § 323 BGB nicht zur Unwirksamkeit des Rücktritts führt, sondern stattdessen eine angemessene Frist in Lauf gesetzt wird.
Diese Auffassung stimmt mit der Entscheidung des LG Rostock überein, das in einem ähnlich gelagerten Fall ebenfalls eine angemessene Fristsetzung als zwingende Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt sah.
Parallelen zu anderen Entscheidungen
Die Rechtsprechung zur mangelhaften Lieferung von Batteriespeichern gewinnt an Konturen. Während das LG Rostock eine ähnliche Entscheidung für eine auf einem Wohngebäude installierte Photovoltaikanlage getroffen hat, befand das LG Brandenburg in einem anderen Fall, dass der Einbau mangelhafter technischer Komponenten eine Rückabwicklung des Vertrags rechtfertigen könne.
Eine zentrale Erkenntnis aus diesen Fällen ist, dass Käufer nicht jede nachträgliche Änderung an gelieferten Produkten hinnehmen müssen. Insbesondere wenn eine Funktionsreduzierung durch den Hersteller ohne Zustimmung des Käufers erfolgt, kann dies als Sachmangel gewertet werden.
Praktische Folgen für Käufer und Anbieter
Die Entscheidung des LG Bielefeld zeigt, dass Anbieter von Photovoltaikanlagen und Batteriespeichern ihre vertraglichen Verpflichtungen sehr genau prüfen müssen. Auch wenn eine Leistungsreduzierung durch den Hersteller erfolgt, bleibt der Vertragspartner des Käufers für die vereinbarte Beschaffenheit verantwortlich.
Für Käufer bedeutet dies, dass sie sich auf zugesicherte Produkteigenschaften verlassen können und nicht befürchten müssen, dass eine spätere „Sicherheitsmaßnahme“ wesentliche Eigenschaften der Anlage verändert. Die Entscheidung stärkt damit die Rechte von Verbrauchern und schafft Rechtssicherheit in einem immer wichtiger werdenden Bereich des Energierechts.
Die Entscheidung macht nochmals klar, dass Anbieter ihre Produkte vor der Auslieferung genau prüfen müssen und sich nicht darauf berufen können, dass eine Einschränkung durch den Hersteller außerhalb ihres Einflussbereichs liegt. Sie trägt dazu bei, dass Verbraucher auch in einem sich wandelnden technologischen Umfeld nicht schutzlos gestellt werden.
Fazit
Mit seinem Urteil bestätigt das Landgericht Bielefeld eine Tendenz in der Rechtsprechung, wonach nachträgliche technische Einschränkungen bei Batteriespeichern als Sachmangel gewertet werden können. Zusammen mit den Entscheidungen aus Rostock und Brandenburg entsteht eine klare Linie: Wer eine Photovoltaikanlage mit einem Batteriespeicher kauft, hat das Recht auf die volle vertraglich zugesicherte Leistung.
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