Bereits im September hatte das LG Berlin (27 O 685/10) entschieden, dass der Axel-Springer-Verlag von einem Minister auf Unterlassung in Anspruch genommen werden konnte, als dieser Verlag aus Emails des Ministers veröffentlichte deren Herkunft unklar war (konkret steht ein Diebstahl des Laptops samt Emails im Raum). Nunmehr liegt mir das Urteil im Volltext vor und ich zitiere hier aus der Entscheidung den wesentlichen Passus zur Publikation der Emails. Die Auseinandersetzung zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit, der Freiheit der Presse und dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen ist dabei wieder einmal eine geeignete zitierfähige Fundstelle.
Update: Die Entscheidung wurde inzwischen vom Kammergericht bestätigt, ich habe das hier besprochen – und kam am Ende zum Bundesgerichtshof, der diese Entscheidungen aufgehoben hat und die Klage abgewiesen hat.
Links dazu:
- Entscheidung des LG Köln (28 O 157/08) zum Thema „Mails veröffentlichen“
- Beitrag: Abmahnung veröffentlichen: Erlaubt oder nicht?
Im vorweggenommenen Fazit gilt m.E. seit je her: Aus Mails des Privatlebens ohne Erlaubnis veröffentlichen ist Tabu und kann empfindliche Konsequenzen haben. Bei geschäftlichen Mails wird man immer im Rahmen einer Abwägung entscheiden müssen, was zulässig ist und was nicht, wobei auch der (sachliche!) Bericht eines Verbrauchers über Praktiken eines Unternehmens m.E. unzweifelhaft ein gewisses öffentliches Interesse genießt, in dessen Rahmen der Beleg mit Zitaten aus einer Mail u.U. zulässig sein wird. Wobei auch bei Zitaten Regeln zu beachten sind, z.B. dass Zitate nicht entstellend aus dem Sachzusammenhang gerissen werden dürfen. Das alleine ist schon eine Persönlichkeitsrechtsverletzung, die abmahnfähig ist.
Aus der Entscheidung:
Die Daten – auch der E-Mail-Verkehr – die sich auf dem entwendeten Laptop des Antragstellers befinden, betreffen grundsätzlich die Geheimsphäre des Antragstellers (vgl. Wanckel, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 19 Rdz. 38). Nur in Fällen besonders gewichtiger Informationsinteressen der Öffentlichkeit können die Medien unter Einhaltung der publizistischen Sorgfalt berechtigt sein. Informationen aus dem Geheimbereich, die sie nur aufgrund einer Indiskretion eines Informanten mit Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten konnten, zu verwerten (BGH NJW 1987, 2667, 2668; Wanckel a.a.O., Rdz. 35). Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich der Schutz der Privat- und der Geheimsphäre auch auf rechtswidrige Eingriffe Dritter in den Kreis der Gesprächspartner erstreckt, etwa durch heimliche Tonbandaufnahmen (BVerfGE 34, 238, 246 = NJW 1973, 891, 892; BGHZ 27, 284, 285 ff), durch das Abhören eines Telefongesprächs (BGHZ 73, 120, 121 ff) oder durch Einschleichen in eine Pressekonferenz (BVerfGE 66, 116, 133 ff = NJW 1984, 1741, 1742 ff). Nichts anders kann für zumal privaten E-Mail Verkehr gelten.
Allerdings ist es der Presse nicht schlechthin verwehrt, das, was ihr Informant ihr auf rechtswidrigem Weg zugetragen hat, zu veröffentlichen, Das durch die Verfassung gewährleistete Informationsrecht der Presse geht über die Freiheit des Bürgers, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, hinaus (vgl. Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG). Würde der Presse ein absolutes Verwertungsverbot bezüglich solcher Informationen auferlegt, die nach ihrer Kenntnis, aber ohne ihre Beteiligung in rechtswidriger Weise erlangt wurden, so könnte ihre Kontrollaufgabe leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (BVerfGE 66, 116, 137 ff; BGHZ 73, 120, 124 ff). Durch ein solches Verbot wäre ferner die Freiheit des Informationsflusses beeinträchtigt, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll; schließlich würde auch der Grundrechtsschutz von vornherein in Fällen entfallen, in denen es dieses Schutzes bedarf (BVerfGE a.a.O.). Die Vielfalt möglicher Fallgestaltungen lässt es aus diesen Gründen nicht zu, die Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG gänzlich auszuschließen. Das muss selbst dort gelten, wo der Informant unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts Äußerungen weitergibt, die ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit gemacht worden sind.
Andererseits muss sich die Presse jedoch stets der Gefahr bewusst bleiben, dass sie durch den Zugriff auf solche Informationen und deren Veröffentlichung Dritte zu Einbrüchen in die geschützte Eigensphäre anderer Personen ermuntern kann (BGHZ 73, 120, 127). Insbesondere hat sie selbst eine Verantwortung gegenüber der Person des Betroffenen, über dessen schützenswerte Belange sie sich nicht rücksichtslos hinwegsetzen darf.
Eine derartig rücksichtslose Verfügung über die Person des Antragstellers ist der Antragsgegnerin im Streitfall vorzuwerfen. Ihr ist bekannt, dass dem Antragsteller sein Laptop abhanden gekommen sein soll. Sie weiß selbst nicht, ob die streitgegenständlichen E-Mails authentisch sind. Glaubt man der Berichterstattung im … sollen Schwerkriminelle mit den Daten hausieren gehen. Angesichts des politischen Druck, dem sich der Antragsteller derzeit in Brandenburg – nicht wegen des vorliegenden Sachverhalts – ausgesetzt sieht. Ist eine Manipulation des E-Mail-Verkehrs nicht auszuschließen. Hinzu tritt, dass dem dem Gericht vorliegenden E-Mail-Verkehr eine Beteiligung des Antragstellers an Irgendwelchen Straftaten der Kindesmutter ebenso wenig zu entnehmen ist wie eine etwaige Kenntnis davon. Dass die Kindesmutter sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Unterhaltsvorschüsse oder Sozialleistungen hat auszahlen lassen, ist darin nicht eindeutig belegt. Dass der Antragsteller davon etwas gewusst hätte, geschweige denn aktiv daran beteiligt gewesen wäre, schon gar nicht. Der Umstand, dass ein Kindesvater keinen Unterhalt zahlt, muss nicht heißen, dass die Mutter sich an die Unterhaltsvorschusskasse wenden muss; vor und nach der Schwangerschaft hat sie während des Mutterschutzes Anspruch auf Lohnfortzahlung, wer danach weiter berufstätig ist, bedarf nicht unbedingt öffentlicher Mittel. Wegen der Verletzung der Unterhaltspflicht macht sich gemäß § 170 StGB der Unterhaltspflichtige auch nur strafbar, wenn der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre; auch dazu gibt der E-Mail-Verkehr nichts Eindeutiges her. Es ist im Übrigen nicht ungewöhnlich, dass eine Kindesmutter bewusst davon absieht, Unterhaltsansprüche gegenüber dem Kindesvater aus welchen Gründen auch immer geltend zu machen oder gerichtlich durchzusetzen; das muss nicht gleich bedeuten, dass die Kindesmutter deshalb auf öffentliche Mittel angewiesen ist, die sie sich dann auch nur durch strafbares Verhalten verschaffen kann.
Auch eine Güterabwägung mit der verfassungsrechtlich gleichfalls geschützten Meinungs- und Pressefreiheit führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Beteiligung des Antragstellers an einer Straftat der Kindesmutter, mag die Tat inzwischen auch verjährt sein angesichts seiner Stellung als Innenminister Brandenburgs ein erhebliches öffentliches Interesse erweckt, ist in Anbetracht des gravierenden Eingriffs der Antragsgegnerin in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers sowie mit Rücksicht auf die daraus für ihn bereits entstandenen und bei Fortsetzung der Veröffentlichung künftig noch zu erwartenden Folgen einerseits und der äußerst schwachen Quellenlage andererseits die abwägende Wertung, die Bedeutung einer weiteren Unterrichtung der Öffentlichkeit überwiege keinesfalls die damit für den Antragsteller verbundenen Nachteile, geboten.
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