Das Landgericht Berlin (Zivilkammer 27) hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Bezeichnung eines Journalisten als „unseriöser Märchenonkel“ eine unzulässige Schmähkritik oder eine zulässige Meinungsäußerung darstellt. Der Fall wirft grundlegende Fragen zur Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten auf – ein Thema, das insbesondere für die Presse- und Medienbranche von großer Bedeutung ist.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Verlegerin, die unter anderem für ein Nachrichtenportal verantwortlich ist. Der Kläger zu 2) ist ein Redakteur, der mehrfach über Missbrauchsvorwürfe berichtet hatte. Die Beklagten sind eine Kanzlei und deren Partner, die in presserechtlichen Verfahren auf der Gegenseite aktiv waren.
Die Beklagten hatten in Social-Media-Beiträgen sowie in einem Interview unter anderem die Kläger kritisiert. Besonders relevant wurde dabei eine Äußerung in einem Facebook-Posting des Beklagten zu 2), in dem der Kläger zu 2) als „unseriöser Märchenonkel“ bezeichnet wurde. Die Kläger argumentierten, dass diese Bezeichnung eine Schmähkritik darstelle und den Journalisten in seinem Persönlichkeitsrecht verletze.
Rechtliche Analyse
Die zentrale juristische Frage war, ob die Äußerung eine unzulässige Schmähkritik darstellt oder von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.
1. Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung
Grundsätzlich wird zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen unterschieden. Während Tatsachenbehauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar sind, sind Meinungen durch das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG geschützt, solange sie nicht in die Persönlichkeitsrechte Dritter eingreifen.
Die Bezeichnung als „unseriöser Märchenonkel“ ist keine Tatsachenbehauptung, sondern eine wertende Meinungsäußerung, da sie eine subjektive Einschätzung der journalistischen Arbeit des Klägers wiedergibt. Entscheidend ist daher, ob sie als Schmähkritik oder noch als zulässige Meinungsäußerung einzustufen ist.
Es gibt eine sehr umfassende und über die Jahrzehnte gewachsene Rechtsprechung zur Thematik Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung. Beachten Sie dazu in unserem Blog jedenfalls:
- Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil
- Meinungsfreiheit auch für meinungsbezogene Tatsachenbehauptung
- Tatsachen vermischt mit Meinungen
- Keine Meinungsfreiheit für unwahre Tatsachenbehauptung
- Abgrenzung zur Schmähkritik
- Kritik an Unternehmen
- Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht
- Deutung des Sinngehalts einer Äußerung
- Beiträge rund um Werbeagenturen
2. Schmähkritik oder zulässige Meinungsäußerung?
Schmähkritik liegt vor, wenn eine Äußerung nicht mehr der Auseinandersetzung in der Sache dient, sondern ausschließlich auf die Herabwürdigung der Person abzielt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sind Schmähkritik und reine Herabsetzungen nicht von der Meinungsfreiheit geschützt.
Das Landgericht Berlin verneinte eine Schmähkritik und stellte fest, dass die Äußerung im Kontext einer presserechtlichen Auseinandersetzung gefallen sei. Sie diene der Meinungsbildung und sei nicht allein auf Diffamierung gerichtet. Die Kritik bezieht sich auf eine bestimmte Berichterstattung und bewertet diese als „unseriös“. Dabei wurde nicht die Person des Klägers, sondern sein journalistisches Wirken angegriffen.
3. Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht
Die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) stehen in einem Spannungsverhältnis. In der Abwägung betonte das Gericht, dass öffentliche Personen – insbesondere Journalisten – in der öffentlichen Diskussion auch scharfe Kritik hinnehmen müssen, solange sie nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreitet.
Da sich die Bezeichnung auf das journalistische Wirken des Klägers bezog und nicht dessen Würde oder Persönlichkeit fundamental angriff, überwiegt in diesem Fall die Meinungsfreiheit.
Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass die Meinungsfreiheit einen weiten Schutzraum genießt, solange die Äußerung nicht zur reinen Diffamierung einer Person führt. In der Medienlandschaft und im Journalismus bleibt es somit erlaubt, Kritik in überspitzter oder polemischer Form zu äußern, sofern sie sich auf die berufliche Tätigkeit bezieht und nicht allein der Herabsetzung dient.
Fazit
Diese Entscheidung stärkt die Presse- und Meinungsfreiheit, indem sie betont, dass auch scharfe Kritik an Journalisten erlaubt bleibt, solange sie nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreitet. Die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz bleibt eine Gratwanderung, doch das Gericht hat hier richtigerweise den Kontext und die Bedeutung der Äußerung berücksichtigt. Dies unterstreicht die Bedeutung eines offenen Diskurses, gerade in presserechtlichen Streitigkeiten.
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