Letztes Wort ist höchstpersönlich und kann nicht übertragen werden

Das Letzte Wort ist höchstpersönlich und seiner Natur nach nicht übertragbar. Daher ist der Verteidiger – auch als bevollmächtigter Vertreter des abwesenden Betroffenen – weder zum letzten Wort aufzufordern noch kann er verlangen, nach seinem Schlussvortrag noch ein letztes Wort zu haben, so das Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 RBs 47/20.

Das Gericht führt insoweit zu der – durchaus in OWI-Verfahren anders gehandhabten! – Frahe aus:

Der Betroffene, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden wurde und an der nicht teilgenommen hat, hat allein beanstandet, dass seinem Verteidiger nicht das letzte Wort gewährt worden sei (§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 258 Abs. 2 StPO). Diese Verfahrensrüge greift nicht durch.

Der geltend gemachte Verfahrensverstoß scheidet von vornherein aus, wenn der Verteidiger allein in dieser Eigenschaft ohne Vertretungsvollmacht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat.

Der Betroffene hat nicht dargelegt, dass der Verteidiger als sein Vertreter bevollmächtigt und die schriftliche Vollmacht dem Gericht nachgewiesen war (§ 73 Abs. 3 OWiG). Aber auch wenn man hiervon zugunsten des Betroffenen ausgeht, wäre die Rüge nicht begründet.

Denn das letzte Wort ist ein höchstpersönliches Recht des Betroffenen, das ihm die Möglichkeit geben soll, sich – unabhängig von dem Schlussvortrag des Verteidigers – mit seinen eigenen Worten abschließend zur Sache zu äußern. Dieses Recht ist seiner Natur nach nicht übertragbar (vgl. BGH MDR 1978, 460 bei Holtz; BayObLG VRS 61, 128; OLG Jena VRS 108, 215; KG Berlin, Beschluss vom 30. August 1999, 3 Ws (B) 436/99, bei juris; OLG Brandenburg BeckRS 2019, 5999; Ott in: Karlsruher Kommentar, , 8. Aufl., § 258 Rdn. 14; Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 258 Rdn. 38; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 258 Rdn. 20).

Daher ist der Verteidiger – auch als bevollmächtigter Vertreter des abwesenden Betroffenen – weder zum letzten Wort aufzufordern noch kann er verlangen, nach seinem Schlussvortrag noch ein letztes Wort zu haben.

Oberlandesgericht Düsseldorf, 2 RBs 47/20

Dieser Auffassung hat sich inzwischen auch das Oberlandesgericht Hamm, 5 RBs 98/22, angeschlossen:

Dem mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger musste bei Abwesenheit des Betroffenen nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, für diesen das letzte Wort zu sprechen. Die auf § 258 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 OWiG gestützte gegenteilige Auffassung des Betroffenen trifft nicht zu.

Das letzte Wort ist ein höchstpersönliches Recht des Betroffenen (vgl. BGH NJW 1962, 500, 501), das ihm die Möglichkeit geben soll, sich – unabhängig von dem Schlussvortrag des Verteidigers – mit seinen eigenen Worten abschließend zur Sache zu äußern (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.2020 – IV-2 RBs 47/20 – juris; Bock ZStW 2017, 745, 754; Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 258 Rdn. 38 m.w.N.).

Dieses Recht ist seiner Natur nach nicht übertragbar.

Daher ist der Verteidiger – auch als bevollmächtigter Vertreter des abwesenden Betroffenen – weder zum letzten Wort aufzufordern noch kann er verlangen, nach seinem Schlussvortrag noch ein letztes Wort zu haben (vgl. nur: (KG Berlin, Beschl. v. 30.08.1999 – 2 Ss 161/993 Ws (B) 436/99 –juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.2020 – IV-2 RBs 47/20 – juris m. zahlr. w. Nachw.; OLG Koblenz NJW 1978, 2257 – LS -). Die von der Verteidigung vertretene Auffassung, dass der mit Vertretungsmacht ausgestattete Verteidiger das letzte Wort für den nicht erschienenen Angeklagten haben müsse, widerspricht der ständigen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die obigen Nachweise). § 258 Abs. 3 StPO soll sicherstellen, dass (auch) dem Angeklagten – sofern verteidigt neben dem Verteidiger – selbst volle Freiheit zur Äußerung gewährt wird (BGH NJW 1959, 1093). Dieser Zweck zeigt sich darin, dass dort ausdrücklich zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger differenziert wird und dass „er selbst“ (also der Angeklagte in Person) sich äußern können soll, etwa auch, um eine von seinem Verteidiger abweichende Darstellung zu geben (vgl. BGH NJW 1962, 500, 501). Ob es vor diesem Hintergrund konsequent ist, dass es gleichwohl möglich sein soll, dass der Verteidiger das letzte Wort für den anwesenden Angeklagten (bzw. Betroffenen)  wahrnehmen können soll (so: OLG Oldenburg NJW 1957, 839; Bock a.a.O. S. 755) – wofür sprechen könnte, dass der anwesende Angeklagte oder Betroffene dann immer noch zu erkennen geben kann, ob die Äußerungen des Verteidigers seinem Willen entsprechen – kann dahinstehen, denn im vorliegenden Fall war der von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundene Betroffene nicht anwesend. Soweit der Betroffene meint, dass wegen der dem Verteidiger erteilten Vertretungsmacht die persönlichen Verfahrensrechte auf diesen übergingen und sich insoweit auf die Entscheidung KG Berlin NStZ-RR 2015, 385 bezieht, kann er damit nicht durchdringen. Die Entscheidung bezieht sich nicht auf § 258 Abs. 3 StPO. Die Vertretung des (abwesenden) Betroffenen ist eben bzgl. solcher Verfahrensrechte nicht möglich, die ihm ausdrücklich in Abgrenzung zu seinem Verteidiger (vgl. hierzu: BGH NJW 1963, 259, 260; Ott in: KK-StPO, 8. Aufl., § 258 Rdn. 14) eingeräumt worden sind.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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