Das LAG Köln (8 Sa 657/20) konnte sich nochmals umfangreich zur Wirksamkeit einer Abgeltungsklausel in einem vor 2015 geschlossenen Arbeitsvertrag äußern – und gibt damit einen hervorragenden Überblick über aktuelle Streitfragen. Dabei ging es um die klassische, damals standardmäßig genutzte, Klausel
„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.“
Wie das LAG ausführt, hatte diese Klausel letztlich Bestand.
Die Ausschlussfrist ist für das LAG Vertragsbestandteil geworden und nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung oder wegen Intransparenz oder aus sonstigen Gründen unwirksam:
- Die Regelung ist zuvorderst nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB (vgl. dazu etwa BAG 19.03.2014 – 5 AZR 252/12) denn hier war die für Arbeitsverträge typische Klausel ist in einer eigenständigen Regelung unter einer aussagekräftigen Überschrift in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden.
- Eine wie hier verwendete dreimonatige Geltendmachungsfrist hält sich in den insoweit vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten zeitlichen Grenzen (mindestens drei Monate für die Geltendmachung des Anspruchs: BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11). Auch stellt die Klausel auf die Fälligkeit und nicht schon auf die Entstehung des Anspruchs ab (dazu BAG 19.02.2014 – 5 AZR 700/12). Die Obliegenheit zur Geltendmachung besteht schließlich nicht nur für den Kläger, sondern auch für die Beklagte (BAG 21.06.2011 – 9 AZR 203/10)
- Problemlos ist für das LAG, dass die Regelung eine „schriftliche“ Geltendmachung und nicht nur eine Geltendmachung in Textform verlangt. Zwar kann in Arbeitsverträgen, die ab dem 01.10.2016 geschlossen werden, gemäß § 309 Nr. 13 b) BGB für die Geltendmachung der Ansprüche nur Textform gefordert werden. Wird stattdessen das Wort „schriftlich“ verwendet, kann dies unter Umständen zur Intransparenz der Regelung führen. Gemäß der Übergangsregelung in Art. 229 § 37 EGBGB gilt diese Rechtsfolge jedoch nicht für bereits zuvor geschlossene Arbeitsverträge (BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18).
- Weiterhin ist die Regelung nicht dadurch unangemessen benachteiligend, dass die Klausel Ansprüche wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzungen nicht aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt Dies rechtfertigen Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB), insbesondere die Tatsache, dass diese Regelung sich typischerweise zugunsten des Arbeitnehmers auswirkt (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18).
- Die Verfallfrist ist auch nicht deshalb unwirksam, weil Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen nicht ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich ausgenommen worden sind. Anders wäre es möglicherweise, wenn bei Vertragsschluss Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fanden (BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18).
- Abschließend ist es problemlos, wenn die Klausel den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich ausnimmt. Eine Intransparenz kann sich aus diesem Grund nämlich nur für Arbeitsverträge ergeben, die ab Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (01.01.2015) geschlossen wurden (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18; BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18).
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