Kritik an Anmerkung in StV: Besitz von digitaler Pornographie (Sexualstrafrecht)

Im Strafverteidiger 8/2009 findet sich ab Seite 469 die Besprechung des Beschlusses des OLG Hamburg (1 Ss 180/08, hier vorgestellt), demzufolge derjenige Besitz an kinderpornographischen Schriften erhält, der eine Webseite mit diesem Inhalt aufruft, während dabei im (automatisierten) Browser-Cache Kopien gespeichert werden. Es soll hier nicht um das – ohnehin vieldiskutierte – Urteil an sich gehen. Vielmehr um die technischen Aspekte, die in der Anmerkung zum Urteil a.a.O. aufgeworfen werden.

Hinweis: Beachten Sie zum Thema Sexualstrafrecht die Besprechung eines Urteils aus Hamburg, das bei Laden in den Arbeitsspeicher schon einen Besitz sieht – zu finden hier.

Die Verfasser der Anmerkung weisen als erstes darauf hin, dass das Gericht in technischer Hinsicht nicht ausreichend differenziert zwischen „dem Cache“ und dem „Browser-Cache“. Dabei bleiben die Autoren leider Erklärungen schuldig, was unter „dem Cache“ zu verstehen sein soll: Zwar spielen sie auf die CPU und den damit verbundenen Hardware-Cache an. Das alleine darf aber – wenn man es schon genau nehmen will – nicht ausreichen. So gibt es heute üblicherweise zumindest den Level1 und Level2 Cache, die sich nicht nur dem direkten Zugriff selbst erfahrener Benutzer nicht ohne weiteres entziehen und von flüchtiger Speicherdauer gekennzeichnet sind. Vielmehr ist zu bedenken, dass beim Level1-Cache Speichergrößen bis zu 256kbit das Maximum darstellen, was mit Blick auf Bilder als eher nicht geeigneter Ort des Besitzes erscheint.

Doch neben dem L1- und L2-Cache gibt es weitere Hardware-Cache-Bereiche, zu denken ist nur an den eingebauten Cache-Speicher von Festplatten, der bei modernen Festplatten im Consumer-Bereich schon heute problemlos bis zu 16MB umfasst. Hinzu kommen exotischere, aber nicht abwegige, Orte wie die Grafikkarte.

Dem Aufruf der Autoren, mehr technische Sorgfalt in dieser Hinsicht walten zu lassen, kann ich mich nur anschließen – doch muss man dies auch konsequent beibehalten. So unterscheiden beide Autoren weiterhin zwischen „dem Arbeitsspeicher“ und „dem Cache“, bleiben aber schuldig, warum. Man mag – aus technischer Sicht – problemlos an Hand der Arbeitsweise und des Zwecks der Hardware diese beiden Bereiche unterscheiden können, doch das angesprochene Kriterium „dem Nutzerzugriff entzogen“ macht für mich bei beiden Systemkomponenten keinen Unterschied. Warum auch sollte in dieser Hinsicht der System-Arbeitsspeicher etwas anderes sein, als etwa der Grafikkarten-Arbeitsspeicher?

Die Diskussion ist nicht nur begrifflicher Art, sondern führt zum eigentlichen Kern des Problems: Beide Autoren bemängeln, dass bei „dem Cache“ (gemeint ist der Hardwareseitige Cache) nicht die Problematik besteht, dass ein Besitz vorliegen könnte – denn hier steht dem User gar nicht der Zugriff auf den Inhalt offen. Nun stellt sich die Frage: Sieht das beim Arbeitsspeicher anders aus? Denn selbst wer das bejaht, muss sich der Frage stellen, ob und warum es dann etwas anderes ist, wenn (zumindest teilweise) der Grafikkarten-Speicher als Erweiterung des Arbeitsspeichers vom System herangezogen wird. Genau hier liegt dann die spannende Frage: Ist zwischen dem Hardware-Cache und dem Arbeitsspeicher wirklich – aus Nutzersicht, denn es geht ja um den individuellen Vorsatz – der große Unterschied, der hier einfach behauptet wird?

Dass letztlich vom OLG nur der Browser-Cache gemeint ist, wird so oder so deutlich: Wenn das OLG nämlich ausführt, dass die Daten selbst nach einem Ausschalten noch verfügbar sind. Ob also an dieser Stelle der Vorwurf der sachlich falschen Darstellung (wie von den Autoren erhoben) wirklich so greift oder nicht vielmehr ein deklaratorischer Fehler vorliegt, ist so klar gar nicht. Vor diesem Hintergrund würde ich vielmehr dem OLG ankreiden, nicht sauber zwischen den verschiedenen Software-Caches zu unterscheiden, etwa dem Windows-Pagefile und evt. vorhandenen Offline-Proxys (wie z.B. wwwoffle).

Auch bei der zweiten Anmerkung stolpern die Autoren dann über ein technisches Detail, was jedenfalls für mich die gesamten Ausführungen hinfällig werden lässt. Bei den Überlegungen, wann nun genau Vorsatz vorliegt, fällt dieser Satz:

Es ist dem Nutzer dagegen i.d.R. nicht möglich, die Funktion des Browser-Caches zu deaktivieren […]

Ja, ist es das? Sowohl Chrome, Firefox als auch InternetExplorer bieten diese Funktion. Und auch hier ist es nicht nur eine technische Feinheit, sondern ein Problem, das sich beim Vorsatz gleich zu beginnt stellt: Wenn es diese Möglichkeit nämlich gibt, muss man sich fragen, ob nicht von jedem Nutzer zu erwarten ist, dass er sie aktiviert, sobald er entsprechende Webseiten aufruft. Wer das nämlich verlangt, der wird ggfs. auch dann einen Vorsatz sehen (müssen), wenn der Benutzer „ganz fest vorhatte“ sofort nach der Sitzung den Cache manuell zu löschen. Jegliche Überlegung, wann genau die Absicht gefasst sein muss den Browser-Cache zu löschen, kann man sich damit ersparen.

Und hier schließt sich sodann der Kreis: Vor diesem Hintergrund, bei deaktiviertem Cache – den man eventuell zwingend verlangt um den Vorsatz zu verneinen – verbleibt nur noch der Arbeitsspeicher als Anknüpfungspunkt. Und somit die Diskussion, inwiefern der Arbeitsspeicher – was den Zugriff des Nutzers an geht – sich vom (sonstigen) Hardware-Cache unterscheidet.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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