In einem aktuellen Beschluss hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Beschluss vom 18.04.2024, 24 W 5/24) über die Voraussetzungen und Grenzen einer Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO in einem selbständigen Beweisverfahren entschieden. Diese Entscheidung ist von besonderer Bedeutung für die Praxis des Bau- und Immobilienrechts, da sie die Anforderungen an die Erhebung der Hauptsacheklage im Zusammenhang mit einer Kostenentscheidung präzisiert.
Sachverhalt
Die Antragsteller hatten im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens Mängel an ihrer Eigentumswohnung feststellen lassen, die angeblich durch den Antragsgegner zu 1 verursacht wurden. Das Landgericht Münster hatte den Antragstellern eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage gesetzt.
Diese Frist wurde auf Antrag der Antragsteller verlängert. Nachdem die Hauptsacheklage zunächst nicht erhoben wurde, beantragte der Antragsgegner zu 1 den Erlass einer Kostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 ZPO. Kurz vor Erlass der Kostenentscheidung reichten die Antragsteller dann doch noch eine Hauptsacheklage ein.
Rechtliche Analyse
Das OLG Hamm stellte klar, dass eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zulässig ist, wenn die Hauptsacheklage zwar nicht innerhalb der gesetzten Frist, aber noch vor Erlass der Kostenentscheidung erhoben wird. Dies gilt auch dann, wenn die Klage erst während des wegen der Kostenentscheidung durchgeführten Beschwerdeverfahrens erhoben wird.
Das Gericht betonte, dass nicht nur die Anhängigkeit, sondern die Rechtshängigkeit der Klage erforderlich ist, um eine Kostenentscheidung zu verhindern. In diesem Fall war die Klage erst am 04.01.2024 rechtshängig geworden, da die Zustellung an den Antragsgegner zu 1 erst an diesem Tag erfolgt.
Das OLG Hamm schloss sich der weitverbreiteten Auffassung an, dass eine zum Erlasszeitpunkt rechtmäßige Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufzuheben ist, auch wenn die Klage zwischenzeitlich rechtshängig wird:
Soweit sich das Landgericht allerdings der in Rechtsprechung und Literatur weitgehend vertretenen Auffassung angeschlossen hat, wonach eine zum Erlasszeitpunkt rechtmäßig ergangene Kostenentscheidung gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO im Beschwerdewege nicht mehr aufzuheben ist, auch wenn die Klage bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung rechtshängig geworden ist (vgl. insoweit OLG Koblenz, Beschluss vom 27.02.2015 – 3 W 99/15, MDR 2015, 482; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.03.2008 – 19 W 4/08, NJW-RR 2008, 1196; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 494a Rn. 4a; BeckOK ZPO/Kratz, Stand: 01.03.2024, § 494a Rn. 10; MüKoZPO/Schreiber, 6. Aufl., § 494a Rn. 8), folgt der Senat dem nicht. Allgemeiner Grundsatz des Beschwerdeverfahrens nach den § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist es, dass das Beschwerdegericht regelmäßig nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung entscheidet und neu entstandene Tatsachen bzw. neuer Vortrag anders als bei § 531 Abs. 2 ZPO ohne weiteres zu berücksichtigen sind (vgl. nur Anders/Gehle/Hunke, ZPO, 82. Aufl. § 572 Rn. 23). Der Senat sieht – wie auch das OLG Köln (Beschluss vom 04.01.2022 – 11 W 50/21, NJW 2022, 1537) und das LG Lübeck (Beschluss vom 31.03.2021 – 7 T 127/21, NZBau 2021, 791 m. Anm. Giesen, NZBau 2022, 147) – keine Veranlassung, von diesem Grundsatz im vorliegenden Fall abzuweichen (so auch Anders/Gehle/Bünnigmann, ZPO, 82. Aufl., § 494a Rn. 25; Guhling/Günter/Nober, Gewerberaummiete, 3. Aufl., Kapitel 20 Rn. 51).
Vielmehr folgt aus dem Zweck der Vorschrift des § 494a ZPO, dass eine Abänderung der Kostenentscheidung im Beschwerdewege zuzulassen ist, wenn die Hauptsacheklage erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens rechtshängig wird. Zweck des § 494a ZPO ist es nämlich, dem Prozessgegner in einem selbständigen Beweisverfahren die Möglichkeit zu geben, eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten zu erwirken, wenn der Antragsteller, etwa nach einem für ihn nachteiligen Ausgang des selbständigen Beweisverfahrens, kein Hauptsacheverfahren anstrengt (vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2007 – VII ZB 118/06, NJW 2007, 3357 Rn. 11; MüKoZPO/Schreiber, 6. Aufl., § 494a Rn. 1; Musielak/Huber, ZPO, 20. Aufl., § 494a Rn. 1). Ist demgegenüber aufgrund der zwischenzeitlich – noch vor endgültiger Entscheidung über den Kostenantrag gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO – eingetretenen Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage sichergestellt, dass in diesem Hauptsacheverfahren eine Entscheidung auch über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ergeht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 05.12.2013 – VII ZB 15/12, NJW 2014, 1018 Rn. 14; Beschluss vom 21.10.2004 – V ZBR 28/04, NJW 2005, 294; Anders/Gehle/Bünnigmann, ZPO, 82. Aufl., § 494a Rn. 25), entfällt das rechtliche Interesse des Prozessgegners an einer isolierten Kostenentscheidung in dem selbständigen Beweisverfahren.
Dies gilt umso mehr, als der grundsätzliche Vorrang einer aufgrund materiell-rechtlicher Erwägungen getroffenen Kostenentscheidung weitgehend anerkannt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2007 – VII ZB 118/06, NJW 2007, 3357 Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 28.09.2023 – 25 W 234/23, MDR 2023, 1618; OLG Köln, Beschluss vom 19.10.2022 – 11 U 247/21, NJW-RR 2023, 726; BeckOK ZPO/Kratz, Stand: 01.03.2024, § 494a Rn. 12). Das OLG Köln (Beschluss vom 04.01.2022 – 11 W 50/21, NJW 2022, 1537 Rn. 13) weist in diesem Zusammenhang darüber hinaus zu Recht darauf hin, dass auch die teilweise vertretene Auffassung, dass der Kostenbeschluss nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO im Verhältnis zur im Hauptsacheverfahren getroffenen prozessualen Kostenentscheidung nur vorläufigen, auflösend bedingten Charakter hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 11.01.2021 – 11 W 1558/20, BauR 2021, 1993; offengelassen in BGH, Beschluss vom 27.10.2021 – VII ZB 7/21, NJW 2022, 628 Rn. 14) nicht gegen die hier vertretene Auffassung zum Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts spricht.
Entweder gilt es nämlich sicherzustellen, dass keine nicht mehr abänderbare formelle Kostenentscheidung ergeht, bei der es abzusehen ist, dass sie womöglich mit der wirklichen Rechtslage, über die jedenfalls noch entschieden wird, nicht übereinstimmt. Oder es muss – den Fall angenommen, dass eine spätere prozessuale Kostenentscheidung die Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO überholen kann – erst recht möglich sein, einen absehbaren Widerspruch zwischen zwei Kostenentscheidungen von vorneherein zu vermeiden.
Fazit und Auswirkungen
Der Beschluss des OLG Hamm verdeutlicht die Bedeutung der fristgerechten Erhebung der Hauptsacheklage im Zusammenhang mit einer Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung ist praxisrelevant für alle Beteiligten in Bau- und Immobilienverfahren, da sie die Voraussetzungen für eine wirksame Verhinderung von isolierten Kostenentscheidungen präzisiert. In Zukunft sollten Parteien in selbständigen Beweisverfahren darauf achten, Hauptsacheklagen rechtzeitig und korrekt zu erheben, um unnötige Kostenentscheidungen zu vermeiden.
Der Beschluss stärkt die Position von Antragstellern, die durch eine verspätete Klageerhebung dennoch eine Kostenentscheidung vermeiden können, solange die Klage vor Erlass der Entscheidung rechtshängig wird. Dies fördert eine gerechte Verteilung der Verfahrenskosten und vermeidet unnötige Prozesskosten für alle Beteiligten.
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