Mit seinem Beschluss vom 3. März 2025 (Az. 5 StR 312/23) hat der Bundesgerichtshof eine gewichtige Klarstellung zur erweiterten Einziehung von Vermögensgegenständen vorgenommen. Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, ob ein Vermögensgegenstand, der dem Täter erst nach der sogenannten Anknüpfungstat zugeflossen ist, dennoch unter die Regelung des § 73a Abs. 1 StGB fallen kann.
Die Antwort des 5. Strafsenats fällt eindeutig aus: Ja – und zwar unabhängig vom zeitlichen Zusammenhang. Diese Auslegung hat weitreichende Folgen für die Praxis der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und stärkt das staatliche Interesse an einer effektiven Rückführung deliktischer Gewinne.
Der konkrete Fall und seine Bedeutung
Ausgangspunkt war ein Rauschgiftdelikt. Der Angeklagte hatte mit erheblichen Mengen Kokain gehandelt. Zwei Jahre nach der Tat wurde bei einer Durchsuchung ein Bargeldbetrag in Höhe von 11.875 Euro sichergestellt. Zwar war dieses Geld nicht direkt aus der abgeurteilten Straftat erlangt worden, doch nach Überzeugung des Gerichts aus anderen, ebenfalls rechtswidrigen Quellen. Diese konnte das Landgericht nicht konkret zuordnen, entschied jedoch auf Grundlage des § 73a StGB auf erweiterte Einziehung. Der Angeklagte legte Revision ein – unter anderem mit dem Argument, das sichergestellte Geld sei erst nach der Anknüpfungstat in sein Vermögen gelangt.
Die Argumentation des BGH
Der Bundesgerichtshof hat diesen Einwand mit bemerkenswerter Deutlichkeit zurückgewiesen. Zunächst verweist er auf den klaren Wortlaut der Norm: § 73a Abs. 1 StGB fordert nicht, dass sich der Vermögensgegenstand zum Zeitpunkt der Anknüpfungstat bereits im Besitz des Täters befand. Entscheidend sei allein, dass ein Täter oder Teilnehmer eine rechtswidrige Tat begangen habe und dass sich nun im Vermögen des Betroffenen ein Gegenstand befindet, der nach Überzeugung des Gerichts aus anderen – nicht näher konkretisierten – rechtswidrigen Taten stammt.
Der Senat macht deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift ein umfassendes Instrument zur Vermögensabschöpfung schaffen wollte – nicht nur zur Bestrafung, sondern zur Wiederherstellung rechtmäßiger Vermögensverhältnisse. Gerade weil häufig keine genaue Zuordnung von Vermögen zu konkreten Straftaten möglich ist – etwa bei Drogenhandel, Betrug in Serie oder Korruption – erlaubt § 73a Abs. 1 StGB den Zugriff auch auf solche Vermögenswerte, die dem Täter später zugeflossen sind, sofern sie mit hoher Wahrscheinlichkeit deliktischen Ursprungs sind.
Besonderes Gewicht legt der BGH auf die systematische Stellung und den Zweck der Norm. Die Einziehung ist keine Strafe im engeren Sinne, sondern ein eigenständiges Rechtsinstitut mit kondiktionsähnlichem Charakter. Sie soll das Vertrauen in die Rechtsordnung stärken, indem sie sicherstellt, dass Straftäter keine Vorteile aus ihren Taten behalten. Die gesetzliche Regelung strebe dabei gerade nicht an, eine starre zeitliche Verknüpfung zwischen Tat und Vermögen zu erzwingen – das wäre ihrer Funktion und Zielrichtung diametral entgegengesetzt.
Historische und systematische Begründung
Besonders überzeugend ist der Rückgriff des Senats auf die Gesetzgebungsgeschichte. Schon der ursprüngliche „erweiterte Verfall“ nach § 73d a.F. StGB zielte auf eine vollständige Abschöpfung rechtswidrig erlangten Vermögens – unabhängig davon, wann dieses genau in das Tätervermögen gelangte. Die Reform von 2017, mit der § 73a StGB eingeführt wurde, verfolgte konsequent diese Linie weiter. Der Gesetzgeber betonte ausdrücklich, dass es nicht auf die präzise Feststellung einer Erwerbstat ankomme, sondern darauf, dass das Gericht sich von der rechtswidrigen Herkunft des Vermögensgegenstands überzeugt.
Auch das Verhältnis zu anderen Regelungen – insbesondere § 76a Abs. 4 StGB – spricht aus Sicht des Senats für eine weite Auslegung. Andernfalls würden Vermögenswerte, die erst nach der Anknüpfungstat erlangt wurden, vollständig dem Zugriff der Justiz entzogen, selbst wenn ihre deliktische Herkunft feststeht – ein systematisch kaum zu rechtfertigendes Ergebnis.
Europarechtliche Perspektive
Schließlich verweist der Senat auch auf die aktuelle Richtlinie (EU) 2024/1260 zur Einziehung von Vermögenswerten, die keine zeitliche Begrenzung der Einziehung verlangt. Vielmehr soll gerade auch Vermögen einziehbar sein, das nicht unmittelbar einer verurteilten Straftat zugeordnet werden kann. Die Entscheidung des BGH stellt somit auch die nationale Praxis in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben zur effektiven Bekämpfung wirtschaftlicher Kriminalität.
Schlussbetrachtung
Die Kernaussage dieser Entscheidung ist ebenso klar wie bedeutsam: Das Ziel der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung liegt in der Herstellung rechtmäßiger Zustände – nicht in der dogmatischen Bindung an chronologische Zufälle. Der Bundesgerichtshof ermöglicht mit seiner Auslegung des § 73a Abs. 1 StGB einen flexiblen und zugleich rechtsstaatlich kontrollierten Zugriff auf deliktisch erlangtes Vermögen – auch dann, wenn es dem Täter erst nach der verurteilten Tat zugeflossen ist. Damit stärkt er nicht nur die Wirksamkeit strafrechtlicher Gewinnabschöpfung, sondern auch das Vertrauen in die Gerechtigkeit wirtschaftsstrafrechtlicher Sanktionen.