OLG Frankfurt zur Reichweite zivilrechtlicher Haftung nach dem GwG: Die zunehmende Regulierung des Finanzsektors im Kampf gegen Geldwäsche führt regelmäßig zu Konflikten zwischen der Pflicht zur Verdachtsmeldung nach dem Geldwäschegesetz (GwG) und den Interessen betroffener Kunden.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 25. Februar 2025 (Az. 10 U 18/24) entschieden, dass eine Bank, die aufgrund eines auffälligen Zahlungseingangs eine Verdachtsmeldung an die Financial Intelligence Unit (FIU) erstattet und daraufhin den Zugriff auf das Konto verweigert, nicht für die dem Kunden entstehenden vorgerichtlichen Anwaltskosten haftet. Die Entscheidung klärt grundlegend, in welchem Umfang Banken zivilrechtlich für Begleitfolgen ihrer geldwäscherechtlichen Meldepflichten einstehen müssen.
Sachverhalt
Die Klägerin unterhielt bei der beklagten Bank seit vielen Jahren ein Girokonto. Nach weitgehend unauffälliger Kontoführung wurden im Juli 2023 innerhalb weniger Tage zwei erhebliche Gutschriften im Gesamtwert von über einer Million Euro verbucht – eine vom eigenen Konto bei einer anderen Bank, eine von einem Drittkonto. Die Beklagte meldete den Vorgang gemäß § 43 GwG an die FIU und verweigerte vorerst die Auszahlung. Die Klägerin erschien noch am Tag der Meldung mit ihrem Anwalt bei der Bank und erklärte, es habe sich um eine fehlgeleitete Zahlung auf das Konto eines Dritten gehandelt. Gleichwohl blieb die Auszahlung gesperrt, woraufhin der Anwalt die Bank zur Freigabe des Guthabens aufforderte. Erst Wochen später überwies die Bank das Geld zurück – nicht an die Klägerin, sondern an die ursprüngliche Absenderbank.
Die Klägerin verlangte daraufhin u. a. Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 9.875,22 €, was das Landgericht Wiesbaden zunächst bejahte. Auf Berufung der Bank hob das OLG diese Entscheidung auf.
Juristische Analyse
1. Kein Schadensersatzanspruch aus Verzug (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB)
Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten kommt zunächst dann in Betracht, wenn sich die Bank mit der Auszahlung des Guthabens in Verzug befand. Voraussetzung hierfür ist, dass die Bank zuvor wirksam zur Leistung aufgefordert und eine angemessene Frist gesetzt wurde (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin zwar eine Frist bis zum 8. August 2023 gesetzt. Verzug trat damit frühestens am Folgetag ein. Da jedoch der Anwalt der Klägerin bereits das Schreiben vom 29. Juli 2023 verfasst hatte, war er zu diesem Zeitpunkt bereits beauftragt worden – also vor Eintritt des Verzugs. Aus diesem Grund können die dadurch entstandenen Kosten nicht als Verzugsschaden geltend gemacht werden.
2. Kein Schadensersatz aus Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB)
Ein weiterer möglicher Anspruch wäre aus einer schuldhaften Pflichtverletzung des Girovertrags abzuleiten. Dies setzt voraus, dass die Bank ihre vertraglichen Pflichten verletzt hat, indem sie die Auszahlung zu Unrecht verweigerte – und diese Pflichtverletzung kausal zur Beauftragung des Anwalts führte.
Das OLG verneint eine solche Pflichtverletzung mit überzeugender Begründung. Die Bank war nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 GwG verpflichtet, nach einer Verdachtsmeldung drei Werktage mit der Transaktion zu warten. Da die Meldung am Freitag, dem 21. Juli 2023, erfolgte, durfte die Auszahlung frühestens am Donnerstag, dem 27. Juli 2023, erfolgen. Eine Pflicht zur sofortigen Auszahlung bestand mithin nicht. Darüber hinaus sei der Bank angesichts der Komplexität des Sachverhalts – einschließlich der Beteiligung eines Drittkontos – ein zusätzlicher kurzer Überlegungszeitraum zuzugestehen. Eine verzögerte Auszahlung bis Ende Juli sei daher nicht fahrlässig gewesen.
Folglich lag zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beauftragung (spätestens am 29. Juli 2023) keine pflichtwidrige Handlung der Bank vor, sodass die Kausalität für einen Ersatzanspruch entfällt.
3. Keine deliktische Haftung trotz später Auszahlung
Interessanterweise adressiert das OLG auch das Verhalten der Bank nach Ablauf der Wartefrist, insbesondere die letztlich erfolgte Rücküberweisung des Geldes an die Absenderbank. Zwar ist diese Maßnahme aus Sicht der Klägerin nachvollziehbar als rechtswidrig empfunden worden, doch führt sie dennoch nicht zur Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Denn diese Kosten waren bereits vor dieser Maßnahme entstanden. Eine deliktische Haftung scheidet damit unabhängig von der Frage einer späteren Pflichtverletzung aus.
4. Keine zivilrechtliche Haftung trotz möglicher Fehlmeldung – § 48 GwG
Besonders relevant ist die Auslegung des § 48 Abs. 1 GwG. Die Norm schützt Verpflichtete (wie Banken) vor zivilrechtlicher Haftung für Meldungen, sofern diese nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr sind. Das OLG stellt klar, dass es auf die Rechtmäßigkeit der Meldung selbst gar nicht ankommt. Entscheidend ist allein, ob sie objektiv unwahr war – was hier nicht ersichtlich ist. Die Bank hat einen ungewöhnlichen Geldzufluss mit Fremdkonto-Beteiligung gemeldet; ein solches Verhalten ist nicht grob fehlerhaft, sondern angesichts der Sorgfaltspflichten aus dem GwG sogar geboten.
Diese Norm verdrängt zivilrechtliche Ansprüche auch dann, wenn sich die Verdachtslage im Nachhinein als unbegründet erweist – ein wichtiger Klarstellungspunkt für die Praxis.
Quintessenz
Das Urteil des OLG Frankfurt setzt einen bedeutsamen Maßstab für die Auslegung der zivilrechtlichen Haftung von Banken im Zusammenhang mit Geldwäscheverdachtsmeldungen. Es betont, dass die gesetzlichen Melde- und Wartepflichten nach dem GwG Vorrang vor zivilrechtlichen Leistungspflichten haben und dass Banken nicht schon deshalb haften, weil sie vorsichtig agieren. Der Schutz des Finanzsystems vor Geldwäsche überwiegt hier das individuelle Interesse des Kunden an sofortiger Verfügung.
Für die Praxis bedeutet das: Banken dürfen im Zweifel lieber einmal zu viel als zu wenig melden – solange sie nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch berichten, sind sie vor zivilrechtlichen Konsequenzen sicher. Zugleich zeigt die Entscheidung, dass Kunden zwar einen Anspruch auf zügige Auszahlung haben, dieser aber nicht zur Rückwirkung auf bereits entstandene Anwaltskosten führen kann. Der Ausgleich zwischen Sicherheitsinteressen und Individualschutz bleibt damit ausgewogen.
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