Im Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Oktober 2024 (1 StR 276/24) wurde klargestellt, dass Cannabismengen, die an verschiedenen Wohnsitzen oder am gewöhnlichen Aufenthalt eines Angeklagten aufbewahrt werden, zur Bestimmung der strafrechtlich relevanten Freigrenze nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) zusammenzurechnen sind.
Hintergrund
Das Konsumcannabisgesetz (KCanG), in Kraft seit 1. April 2024, erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen den Besitz von Cannabis bis zu einer gesetzlich festgelegten Freigrenze. Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG sind Freimengen von Cannabis straflos, sofern sie 60 Gramm nicht übersteigen. Der Fall betraf den Besitz von Cannabis an mehreren Orten, die als Wohnsitze oder gewöhnlicher Aufenthalt des Angeklagten galten.
Rechtliche Analyse und Argumentation des BGH
1. Zusammenrechnung von Cannabismengen
Der BGH entschied, dass für die Bestimmung der Freigrenze die an unterschiedlichen Orten aufbewahrten Mengen zu addieren sind:
- Definition der Orte: Als Wohnsitze oder gewöhnlicher Aufenthalt werden Orte definiert, die der Angeklagte regelmäßig nutzt. Dabei kann eine Person mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, wie es auch in der Abgabenordnung (§§ 8, 9 AO) geregelt ist.
- Relevanz für die Freigrenze: Der Gesetzgeber hat die Freigrenzen im KCanG als äußerstes Maß dessen definiert, was mit Blick auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung noch vertretbar ist. Die Zusammenrechnung dient daher dem Zweck, die Freigrenze nicht durch Aufteilung der Menge auf mehrere Orte zu umgehen.
2. Strafrechtliche Konsequenzen bei Überschreiten der Freigrenze
Das Gericht stellte fest, dass mit dem Überschreiten der Freigrenze die gesamte vorgehaltene Menge strafbar wird. In diesem Fall wurde bei der Addition der an verschiedenen Orten aufbewahrten Mengen die Grenze von 60 Gramm überschritten, was eine strafrechtliche Ahndung nach § 34 Abs. 1 KCanG zur Folge hatte.
3. Konkurrenzrechtliche Betrachtung
Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) betrachtete der BGH den gleichzeitigen Besitz von Betäubungsmitteln an verschiedenen Orten als eine einheitliche Tat. Diese Auslegung gewährleistet eine konsistente Anwendung der Strafrechtsdogmatik auch unter dem neuen gesetzlichen Regime des KCanG.
Hervorgehobene Aspekte des BGH
- Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und die präventive Zielsetzung des KCanG rechtfertigen die Zusammenrechnung der Mengen.
- Eine abweichende Interpretation würde den Normzweck unterlaufen und eine Umgehung der Freigrenzen ermöglichen.
- Die strafrechtliche Relevanz beginnt mit dem Besitz der ersten Menge, die die Freigrenze überschreitet, wodurch die gesamte Menge strafrechtlich erfasst wird.
Fazit
Die Entscheidung des BGH zur Zusammenrechnung von Cannabismengen verdeutlicht, wie die gesetzlichen Freigrenzen des KCanG konsequent angewendet werden: Sie unterstreicht nunmehr endgültig, dass der Besitz an unterschiedlichen Orten keine Möglichkeit bietet, die Freigrenze zu umgehen. Diese Klarstellung stärkt die rechtsdogmatische Einheitlichkeit im Umgang mit Betäubungsmitteln und zeigt die enge Anlehnung des KCanG an die bisherigen Regelungen des BtMG.
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