Rechtsdurchsetzung: Neue Herausforderungen für Juristen am Beispiel Duisburg & Loveparade

Natürlich ist es ein relativ alter Hut, der unter Kennern nur ein müdes Lächerln hervorruft, aber wie das aktuelle Beispiel zeigt, gibt es genügend „Entscheider“ in unserem Land, die das Problem immer noch nicht zu kennen scheinen: Den so genannten Streisand-Effekt, der Juristen in ihrer beratenden Tätigkeit vor neue Herausforderungen stellt.

Das Beispiel ist in Kürze schnell erklärt: Nach den Geschehnissen auf der Loveparade 2010 und dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach möglichst vielen Informationen hat eine Internetseite nicht-offizielle Dokumente online gestellt, die zumindest interessant zu lesen sind. Die Veröffentlichung der Dokumente missfiel wohl den Verantwortlichen im Duisburger Rathaus, die sich dagegen wehren wollten – und eine Unterlassung per einstweiliger Verfügung erwirkten. Nun trat ein, was jedenfalls für Kenner nicht überraschend ist: Die Dokumente waren ohnehin schon teilweise kopiert von einzelnen Usern. Diese verbreiteten die Dateien via Download-Plattformen, durch Twitter wurden die Links zu den Plattformen verbreitet, erste Blogs berichteten, größere Blogs berichteten (u.a. Netzpolitik und Lawblog) und am Ende steht es heute u.a. auf Tagesschau.de und bei Spiegel-Online. Der – vielleicht sogar berechtigte – Anspruch verkehrte in sein Gegenteil, anstelle Öffentlichkeit zu versagen, wurde eine noch größere Öffentlichkeit geschaffen.

Fatal ist, und das wirft ein besonders schlechtes Bild auf die Verantwortlichen, dass dieser Effekt bei Weitem kein Geheimnis ist. Wer in diesem Bereich aktiv ist, weiß um den „Streisand Effekt“ und kennt das Risiko. Nun ist dieser Effekt nicht bei jedem Thema zwingend, es ist mitunter willkürlich, welches Thema Beachtung findet oder nicht. Gerade hier war es aber, nicht zuletzt auch wegen des enormen Interesses im Netz an dem Thema, durchaus vorhersehbar.

Bei der Beratung und Rechtsdurchsetzung muss heute der Streisand-Effekt zwingend berücksichtigt werden. Übrigens: Nicht nur bei der Stadt Duisburg oder der Deutschen Bahn, sondern auch bei mittelständischen Unternehmen. Treffen kann es jeden, feste Faktoren gibt es nur selten und auch wenn die wegen der Veröffentlichung interessanter Dokumente eines Blogs wie Netzpolitik quasi zwingend zu diesem Effekt führen wird, so ist dies keinesfalls die einzige Variante.

Was heißt das in der Praxis? Sicherlich kann es nicht bedeuten, dass man bei berechtigten Ansprüchen nur wegen dieses Effektes gleich ganz auf den Rechtsschutz verzichten muss. Wie man mit dem Streisand-Effekt umgehen soll, ist dabei umstritten und je nach Ansprechpartner gibt es verschiedene Ansätze. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass man sorgfältiger als gewohnt zwischen den Alternativen

  1. Kommunikation (mit dem betroffenen Blogger und getrennt davon: der Öffentlichkeit)
  2. Rechtsschutz durch „altbekannte“ Wege
  3. Ignorieren insgesamt
  4. Ignorieren des konkreten Problems und Anpassen der bisherigen Öffentlichkeitsarbeit

abwägen muss. Ein Jurist ist dabei zwingend notwendig, ebenso zwingend wird sein, dass dieser die notwendige Erfahrung im Umgang mit diesem Thema hat. Je nach Beteiligten bzw. je nach Alternativen wird man auch einen PR-Berater benötigen. Das Thema selbst, speziell der konkrete Fall, verdeutlicht, wie stark sich die Rechtsdurchsetzung geändert hat – und auch noch weiter ändern wird. Während es früher hieß, dass man „Recht haben“ und „Recht bekommen“ unterscheiden müsse, wird es sicherlich bald so sein, dass man als dritten Faktor hinzu zählt, von der Öffentlichkeit auch als im Recht wahrgenommen zu werden.

Dabei wird auch die Litigation-PR eine große Rolle spielen. Ich denke daran, dass man ggfs. gar keine Rechtsmittel ergreift, sondern mittels Litigation-PR gezielt den betroffenen Blogger angeht. Sofern die Maßnahme von Erfolg gekrönt ist und ihn ggfs. die entsprechende öffentliche Aufmerksamkeit bzw. Sympathie kostet, mag man immer noch über (geeignete) Rechtsmittel nachdenken. Aber auch dies wird sich nur „rechnen“, wenn man (bei Kleinigkeiten) nicht durch ein konsequentes Ignorieren leichter das Wasser abgräbt.

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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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