Anmerkung: Die Diskussion zu Google Streetview (Update)

Die Diskussion zu Google Streetview verlässt inzwischen jeglichen seriösen Boden – nicht nur im Heise Forum, wo man ohnehin nicht mit eine Lebenserfahrung jenseits des Schulalltags rechnen darf. Was mich besonders stört ist der Spruch, „die Deutschen“ wären „wieder einmal“ übertrieben kritisch oder gar „Ober-Bedenkenträger“.

Das liest man so quer durch Foren, Twitter und Facebook – ist aber in zweierlei Hinsicht falsch:

  1. Das würde zum ersten Voraussetzen, dass wir in Deutschland überhaupt besonders kritisch wären bei diesem Thema oder Kameraüberwachung im Allgemeinen. Eine besondere Kritik stelle ich aber in erster Linie nur seitens der Datenschutzbeauftragten u.ä. fest, die zugegeben ein ganz gutes Echo in der Presse haben. Ob aber Google Streetview oder gar Kameraüberwachung insgesamt als großer Kritikpunkt in der breiten Masse „aller Deutschen“ gesehen wird, wage ich schlicht zu bezweifeln.
  2. Zum zweiten würde es Voraussetzen, dass die Kritik in Deutschland besonders auffällig wäre im internationalen Vergleich. Das stelle ich aber auch nicht fest, außer ich ziehe alleine die USA bzw. England als Vergleich heran. Sehe ich aber nach Italien, finde ich eine Situation analog zu Deutschland (Kritik der DSB, seitdem keine Aufnahmen durch Google) und von der Schweiz möchte ich gar nicht erst anfangen: Hier gibt es nämlich nicht nur echte Kritik, sondern nach meinem Empfinden ist hier in der Tat der Großteil der Bevölkerung gegen das Projekt. In der Schweiz ist es sogar so, dass die Route vorher bekannt gegeben werden muss laut Google.

Also: Hat Deutschland eine Sonderrolle? Für mich nicht, Diskussionen gibt es auch in anderen Ländern (ich habe davon gelesen bzgl. Australien, Frankreich, Niederlande, Belgien) teils mit medialem Echo. Untersuchungen wegen der WLAN-Geschichte gab/gibt es inzwischen in sehr vielen Ländern weltweit, die Datenschutzbehörden haben ebenfalls in vielen Ländern zumindest ein Auge auf Google. Ich sehe in diesem „Spruch“ („Die deutschen mal wieder“) den typischen Versuch, mangels sachlicher Argumente durch einen breiten Rundumschlag abzulenken. Das ist nicht nur kindisch, es ist überflüssig, denn es gibt durchaus handfeste Argumente, mit denen man für die Arbeit von Google sein kann.

Allerdings – und das übersehen die „Kritiker der Kritiker“  – geht es Kritikern wie mir nicht um ein Verbot. Es geht darum, dass ich mein Recht gewahrt sehen möchte, erst gefragt zu werden, ob und was von mir im Internet zur Verfügung gestellt wird. Ich will dass das, was im Netz steht, auf Grund meiner Entscheidung dort steht. Und nur weil ich mir ein Haus kaufe, habe ich damit noch nicht entschieden, dass ich damit auch im Netz einsehbar sein möchte (Wobei die juristische Diskussion, ob letztlich die Ansicht eines Hauses einer Privatperson überhaupt geschützt ist, natürlich durchaus zu führen ist!) . Ich erwarte nicht, dass das jeder versteht, denn: Das muss auch nicht jeder verstehen. Das ist der Sinn von zugeschriebenen Rechten, dass man sie gebrauchen kann, ohne sich dafür zur rechtfertigen.

Und deswegen sind auch all die anderen Argumente nonsens: Ob ich bei Facebook publiziere hat mit dieser Frage nichts zu tun. Auch wenn ich selber Fotos online stelle, ja gar via Google Picasa, hat damit auch nichts zu tun. Und auch mein Blog und Twitter-Account haben damit nichts zu tun. Denn: Was dort steht, steht dort auf Grund meiner freien Entscheidung und meiner gewillkürten persönlichen Auswahl.

Aber: Nur weil ich auf mein Recht poche, mich in dieser Entscheidungsfreiheit nicht entmündigen zu lassen, heißt das noch lange nicht, dass ich – oder irgendein anderer der das tut – Google gleich verbieten möchte. Natürlich darf sich jeder nach seinem Gusto auf der Autobahn im Auto fotografieren lassen und seinen Vorgarten erfassen lassen. Und das ohne sich rechtfertigen zu müssen.

Update: Ein Paradebeispiel zu meinen obigen Zeilen habe ich nun auf Spiegel gefunden – das zugleich zeigt, wie wichtig die Diskussion um Google Streetview dennoch ist. Es sind nur noch einzelne Punkte, die ich einzeln aufgreifen möchte. Da wäre zum einen das hier:

Darf ich dann das tolle neue Auto meines Nachbarn auch nicht mehr fotografieren, auch nicht von der Seite – oder von oben? Was ist mit seinem Hund? Den Goldfischen in seinem Gartenteich? Und darf ich denn das schöne Haus nebenan wenigstens mit Worten beschreiben? Und was ist, wenn ich eine Beschreibung meiner Straße im Internet veröffentliche?

Hier nur die kurze Antwort an den Autor dieser Zeilen: Sie sind nicht Google. Und, wenn Sie sich die Arbeit machen und den §1 BDSG kurz lesen: Sie sind vom nicht einmal erfasst. Schon deswegen sind Sie nicht Google und der Vergleich hinkt, von der Tatsache der monopolartigen Stellung des Weltkonzerns mit dem Sie sich vergleichen mal abgesehen. Vielleicht sollten Sie sich die Arbeit machen und etwas weiter zu den rechtlichen Fragen recherchieren, dann bleiben auch Fragen wie diese nicht ungeklärt:

Zwar ist es ein Eingriff ins , wenn individuell erkennbare Personen-Bilder veröffentlicht werden. Doch Google hat versichert, dass kein Mensch auf seinen Bildern identifizierbar sein werde. Dies vorausgesetzt, ist nicht erkennbar, wieso der Fall Street View in die Kompetenz der Datenschützer fällt.

Warum der Fall Google in die Kompetenz der Datenschützer fällt? Weil eine beachtliche juristische Meinung der Auffassung ist, dass Häuseransichten in der Form, wie sie bei Google aufbereitet werden, ein personenbezogenes Datum sind. Nachlesen können Sie das in dem Gutachten von Ernst/Moritz (dazu nur hier). Übrigens finden Sie das auch beim Landgericht Köln:

Die Abbildung eines Wohnhauses in Verbindung mit der vollständigen Adresse stellt ein personenbezogenes Datum im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG dar.

Ich möchte hier nicht verhehlen, dass dies bei weitem nicht die einzige Meinung ist, aber sie ist eben nicht so unbedeutend, dass man sie ignorieren darf – was Sie aber tun, wenn Sie darauf nicht eingehen.

Und zu guter letzt kommt das eigentliche Probleme, nämlich Sätze wie dieser, die hoch brisant sind und nicht unterschätzt werden dürfen:

Mein Haus, mein Auto, mein Gärtchen: Wenn dies künftig als verfassungsrechtlich geschützter Ausdruck des Menschenwürde gelten soll, tun wir uns keinen Gefallen. Das macht nicht nur den lächerlich, den wir so dringend brauchen […] Das ungute Gefühl, das manche Bürger haben […] muss man wohl respektieren. Aber sollte es zum Maßstab des deutschen Grundrechtsschutzes werden?

Eben das ist, was ich so oft moniere, wovor ich seit Jahren warne und dagegen arbeite: Es steht anderen nicht zu, zu entscheiden, ob ein zugeschriebenes Recht (!) wichtig ist oder nicht. Wenn ein Dritter entscheidet, ob ich von einem mir zustehenden Recht Gebrauch machen darf oder nicht, betreten wir wieder die Ebene der Willkür. Der Sinn von Rechten ist es, dass man sie nutzen kann – ohne sich erklären zu müssen. Ihnen mag es lächerlich erscheinen, dass ich nicht mit meinem Grundstück zu sehen sein möchte, aber es ist mein Recht dem zu widersprechen. Und es war leider ein langer Weg, bis eben dieses Recht auch gegenüber Google erkämpft wurde, ein Aspekt den Sie in Ihrem Beitrag auch nicht mehr erwähnen.

Stattdessen wird verharmlost, diejenigen, die ihr Recht wahrnehmen wollen, werden ins Lächerliche gestellt. Als ob sich jemand in der Weltstadt New-York für unser Reihenhäuschen interessieren würde. Wer über so etwas nachdenkt, ist dann gleich wieder der „Provinzielle“, der „Bedenkenträger“. Wo ist das Problem, einfach zu tolerieren, dass es einige Menschen gibt, die das nicht wollen und schlicht von Ihrem Recht des Widerspruchs Gebrauch machen? Und warum kann man nicht mit brauchbaren Argumenten, ohne zu diffamieren, z.B. danach Fragen, ob Hausfassaden (in Kombination mit Anschriftendaten) wirklich sind? Und warum müssen diese Menschen ins Lächerliche gezogen werden, wenn man vielleicht mit einer gewissen Berechtigung fragt, warum ausgerechnet jetzt der große Aufstand geprobt wird, nachdem man endlich widersprechen kann?

Und das ist dann auch der Grund, warum ich die Diskussion weiter im Auge habe, auch wenn man zu Recht darauf verweisen kann, dass es brennendere Themen gibt im Datenschutz. Wobei dies ein -Argument ist, denn es gibt immer irgendwo irgendetwas Wichtigeres, was ja nur eine Frage der persönlichen Wertung ist. Dieses Thema zeigt zur Zeit wie kein anderes, wie schnell viele Mitmenschen dabei sind, für andere zu entscheiden, dass diese „sich nicht so anstellen“ sollen und notfalls auf ihre Rechte auch einmal verzichten sollen. Da man sich ansonsten ja nur lächerlich macht.

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Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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