Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken: Was ändert sich nun wirklich?

Der Bundesrat hat das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ durchgewunken (zu finden hier). Nachdem nunmehr die endgültige Fassung feststeht kann sich der Frage gewidmet werden, was dieser Gesetzentwurf für die Zukunft der Abmahnungen bedeuten kann. Von besonderer Relevanz ist dabei immer die Frage der Prozesskosten im Falle eines Rechtsstreits.

Zur Verdeutlichung: Wenn Abmahnungen eindeutig berechtigt sind, wird man regelmäßig die Angelegenheit sauber abschliessen. Wenn dagegen eine eindeutig unberechtigt bzw. rechtswidrig ist, wird man sie zurückweisen. Das Problem ist, dass man nicht selten gerade keinen eindeutigen Fall hat – da ist dann in der Sache die Abmahnung vielleicht berechtigt, es steht aber der Verdacht des Rechtsmissbrauchs im Raum. Oder es steht zwar kein Rechtsmissbrauch im Raum, dafür ist in der Sache sehr schwierig, ob wirklich ein abzumahnender Rechtsverstoss im Raum steht.

Die Prozesskosten im Falle eines Rechtsstreits geben dann nicht selten Anreiz, sich zähneknirschend auf einen Vergleich einzulassen, den man eigentlich nicht will. Kostenbeispiele:

  • In urheberrechtlichen Sachen ist man relativ problemlos bei einem Streitwert von 10.000 Euro – das entspricht in 1. Instanz einem Prozesskostenrisiko von ca. 1.600 Euro. Ein Vergleich von 300 Euro erscheint da schnell in anderem Licht, wenn man sich ohne brauchbare Prognose streitet.
  • In wettbewerbsrechtlichen Sachen ist man dagegen relativ schnell bei ca. 20.000 Euro (aufwärts), was einem Prozesskostenrisiko von ca. 2.200 Euro entspricht. Vergleiche um die 500 Euro lassen sich meistens problemlos erzielen.

Durch das nun kommende „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ soll sich das ändern.

Im Vergleich zeigt sich, dass die Ansätze im Urheberrecht und Wettbewerbsrecht äusserst unterschiedlich sind – und sehr interessante Ergebnisse erzeugen.

Urheberrecht
Im Urheberrecht ist die Abmahnung der vorrangige Ansatzpunkt im neu gestalteten §97a UrhG. So findet sich eine Begrenzung des Gegenstandswerts auf 1000 Euro im §97a III UrhG – aber nur für die Abmahnung. Da zudem im §97a III UrhG vorgesehen ist dass bei „besonderen Umständen“ ein anderer Gegenstandswert anzusetzen ist und des Weiteren bei der Berechnung des Gegenstandswerts der Schadensersatzanspruch aussen vor bleibt, ist schon jetzt absehbar, dass abmahnende Anwälte andere Summen ansetzen können; und Betroffene sich dann wieder über das Prozesskostenrisiko Gedanken machen müssen. Allerdings kann die Erstattung von Kosten zur Abwehr unberechtigter urheberrechtlicher Abmahnungen vom Gegner verlangt werden – ein Anreiz, von fragwürdigen Abmahnungen abzusehen.

Hinsichtlich des Prozesses ist mit dem neuen §104a UrhG nun das Gericht am Wohnsitz des betroffenen Verbrauchers zuständig. Gleichwohl muss §105 UrhG beachtet werden. In NRW bedeutet dies, dass die „Verordnung über die Zusammenfassung
von Geschmacksmusterstreitsachen, Kennzeichenstreitsachen und Urheberrechtsstreitsachen“ zur Anwendung gelangt, die etwa in der Region Aachen die Zuständigkeit des LG Köln begründet. Der fliegende Gerichtsstand ist erledigt, das macht Betroffenen die Gegenwehr etwas leichter – aber für erfahrene abmahnende Kanzleien nicht zwingend die unattraktiver.

Und der Streitwert? Hier gibt es tatsächlich keine Regelung! Zwar wird ein neuer §51 im Gerichtskostengesetz geschaffen, der gilt aber in der nun vorliegenden Fassung nicht für Streitigkeiten aus dem Urheberrechtsgesetz. Ursprünglich war ein §49 GKG für Urheberrechtsstreitigkeiten vorgesehen – der ist aber nun nicht mehr vorhanden. Erfasst werden damit nur Streitigkeiten nach dem „gewerblichen Rechtsschutz“, der in §1 Satz 1 Nr.14 GKG definiert ist. Oder Streitigkeiten des Wettbewerbsrechts nach §51 II GKG. Das Urheberrecht findet man hier nicht.

Nun mag man darüber nachdenken, ob das Gericht im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung die Regelungen des §97a III UrhG berücksichtigt und den Streitwert daher auf 1.000 Euro festlegt. Zwingend ist das aber nicht – es verbleibt damit im Klagefall weiterhin erhebliche Unsicherheit für Betroffene. Klagen für Rechteinhaber werden, jedenfalls in Massenverfahren wie beim Filesharing, durchaus unattraktiver. Im Ergebnis verbessert sich die Position für Verbraucher aber eher marginal, für Unternehmer wohl gar nicht.

Wettbewerbsrecht
Im Wettbewerbsrecht geht man dagegen ganz andere Wege: Bewusst wurde der fliegende Gerichtsstand nicht abgeschafft, sondern aufrecht erhalten. Eine Klage ist damit weiterhin in der Theorie bundesweit möglich bei Abmahnung durch einen Konkurrenten. Auch findet sich interessanter Weise keine Regelung zum Gegenstandswert im Fall eine Abmahnung. Dafür gibt es aber auch die explizite Klarstellung, dass im Fall einer unberechtigten Abmahnung die Kosten der Abwehr vom Gegner zu erstatten sind. Damit erhöht sich das Kostenrisiko für den „Abmahner“ im Fall unberechtigter Abmahnungen beträchtlich und macht es attraktiv, sorgfältiger zu arbeiten und von Abmahnungen ins Blaue abzusehen.

Im Gegenzug wird aber der Streitwert im Fall einer Klage geregelt – der soll bei wirtschaftlicher Überforderung auf Antrag gesenkt werden können und ist im Gerichtskostengesetz für den Standardfall bei Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren auf 1.000 Euro festgesetzt.

Fazit
In beiden Rechtsgebieten zeigen sich sehr unterschiedliche Regelungen. Einheitlich ist, dass im Fall einer unberechtigten Abmahnung nun ein ausdrücklicher Erstattungsanspruch im Gesetz steht. Diese Regelung ist fernab von Filesharing-Abmahnungen in Ihrer Wirkung sicherlich nicht zu unterschätzen. Darüber hinaus wurde ein zweigleisiger Weg gegangen:

  • Im Urheberrecht wurde vor allem an der Abmahnung selbst „geschraubt“. Wie sich der Streitwert dann im gerichtlichen Verfahren entwickelt, wird sich noch zeigen müssen, die hier bestehende Unsicherheit hat der Gesetzgeber in seiner unendlichen Weisheit gerade nicht beseitigt.
  • Im Wettbewerbsrecht geht der Fokus aber gerade dahin, den Streitwert im Fall des Gerichtsstreits zu begrenzen, was Abmahnungen und Streitigkeiten hier durchaus erschweren wird.

In der Gesamtschau sehe ich derzeit, dass vor allem Unternehmer bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen profitieren, während sich bei urheberrechtlichen Streitigkeiten recht schnell Ernüchterung verbreiten wird. „modifizierte und Aussitzen“ wird am Ende wahrscheinlich bei urheberrechtlichen Abmahnungen von Verbrauchern weiterhin das Motto der nächsten Jahre sein. Und urheberrechtliche Abmahnungen von Online-Shops verlieren nicht nur keine Attraktivität, sondern gewinnen im Vergleich zum Wettbewerbsrecht sogar noch an Attraktivität.

Dazu vorher von mir:

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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