Filesharing-Abmahnung: Gesetzesentwurf zur Begrenzung der Abmahnkosten

Mit der Drucksache 17/6483 (hier als PDF) liegt ein Gesetzentwurf zur Begrenzung von Abmahnkosten im Rahmen von Filesharing im Bundestag vor. Auch wenn die Intention des Entwurfs sicherlich auf Anhieb eine breite Masse begeisterter Fans finden wird, möchte ich doch einige Bedenken anmelden.

Zuerst einmal muss ich mit einiger Verwunderung zur Kenntnis nehmen, dass man allen Ernstes in diesem Gesetzentwurf die Auffassung vertreten möchte, weder noch „Gewinnhaftung“ sollen einen Schadensersatz darstellen. Dass man dann als Beleg in den Erläuterungen auf Seite 11 auf einzelne Aufsätze der Jahre 1978 oder 1985 zurückgreifen muss, sollte zu denken geben.

Der Ansatz, nun gesetzlich festzustellen, dass Schadensersatz nicht mehr im Wege der Lizenzanalogie zu berechnen ist (neuer §97 II UrhG) dürfte für erhebliche Probleme sorgen: Wurde dieser Ansatz doch gerade gewählt, weil er der einzig wirklich Transparente bei Verletzungshandlungen ist (sehr eingängig dazu Schlüter im Anwaltshandbuch Medien-/Urheberrecht, §34, Rn.97ff.). Scheinbar soll nun in Zukunft der Verletzte, bei Verletzungshandlungen durch einen Verbraucher, nur noch den konkret entstandenen Schaden geltend machen können. Die Frage wird sein: Wie soll der bitte berechnet werden? Und ist das Ergebnis dieser Rechnung wirklich ein Gewinn gegenüber der zumindest nachvollziehbaren Lizenzanalogie? Schon an dem Punkt erscheint mit der Entwurf etwas undurchdacht.

Die Glanzleistung schlechthin ist m.E. die Streichung der Kostendeckelung im Rahmen des §97a II UrhG. Auch wenn diese bei Filesharing- keine Anwendung findet, so findet sie ja durchaus Beachtung, etwa wenn Verbraucher im Einzelfall ein Bild unerlaubt verwendet haben. Der rechtspolitisch fokussierte Blick machte die Entwurfs-Verfasser hier offensichtlich Blind für die Realität des Alltags: Filesharing ist nicht der einzige Grund für Abmahnungen.

Sicherlich für viel Zustimmung wird der vorgeschlagene neue §104a UrhG sein, der eine Streitwertminderung vorsieht, wenn (a) die Sache einfach gelagert ist oder (b) die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Betroffenen das nahe legen. Punkt (a) ist nur leider genau der Grund, warum die bisherige Kostendeckelung des §97a II UrhG keine Anwendung findet und würde hier genauso nutzlos sein: Gerichte gehen bei Filsharing-Abmahnungen nicht von „einfach gelagerten Sachverhalten“ aus. Im Ergebnis würde bei den sonstigen einfach gelagerten Fällen die zur Zeit existierende 100Euro-Deckelung dann auch noch zu Gunsten eines angeblich geminderten Streitwerts aufgegeben. Klug erscheint mir das für Verbraucher nicht.

Punkt (b), eine Art „Sozialklausel“ klingt natürlich gut. Aber es bleibt schon die Frage, was Gerichte daraus machen würden, die Floskel muss nicht unbedingt zur (spürbaren) Kostensenkung führen. Daneben bin ich ein grosser Anhänger der Gleichberechtigung in unserem Rechtsystem und stelle mir die Frage, warum im Rahmen einer Rechtsdurchssetzung, bei gleichem Verletzungsvorwurf, der in seinen Rechten Verletzte bei der Geltendmachung der bei ihm entstehenden Kosten eingeschränkt sein soll? Die offensichtlich aus wahltaktischen Gründen zielgruppenorientierte Formulierung mag zwar nett klingen, ist aber für mich weder überzeugend, noch gerecht.
Vielmehr sollte man sich als Bundestagsmitglied wenn, dann Gedanken machen, inwiefern unser System der Beratungs- und Prozesskostenhilfe noch gerecht ist und ggfs. hier Reformen anstreben, damit jemand der weniger Geld zur Verfügung stehen hat, deswegen nicht daran gehindert wird, gerichtlichen Schutz zu suchen. Das aber auf Kosten des nun einmal Verletzten zu tun, sowie auf Kosten derjenigen die ein wenig mehr Geld verdienen, erscheint mir unangebracht und wenig Überzeugend.

Hinzu kommt, dass ausser Frage stehen muss, dass es sich hier um einen Rechtsbruch handelt, mit dem fremde (wirtschaftliche) Rechte verletzt werden. Wer das ändern möchte, darf nicht gegen das Abmahnwesen schimpfen, sondern wird sich um ein neues Modell des Urheberrechts bemühen müssen (Stichwort u.a.: „Kulturflatrate“). Im Rahmen des nun einmal bestehenden Urheberrechts ist die Diskussion um die Verhältnismäßigkeit der Abmahnungen und die Tatsache, dass 14jährige Kinder ihre Familie ruinieren können, die m.E. einzig angebrachte. Dabei darf es nicht das Ziel eines Gesetzes sein, Rechtsbrüche dann zu erleichtern, wenn jemand wenig Geld zur Verfügung stehen hat. Genau das tut aber dieser Entwurf m.E. und ist insofern sehr kritisch zu sehen, insbesondere wegen der konkludent darin enthaltenen rechtspolitischen Wertung.

Immerhin die Änderung des Gerichtskostengesetzes ist ein Ansatz, der durchaus denkwürdig erscheint, wobei auch hier die Frage bleibt, warum man sich in seltsamen Floskeln verliert und nicht kurzerhand normiert, dass „im Regelfall der Streitwert bei Urheberrechtlichen Ansprüchen gegen Verbraucher auf die Summe X festzusetzen ist, wenn nicht ein gewerbliches Ausmaß der Handlung oder ähnlich erschwerdende Umstände hinzutreten“. Eine solche Formulierung dürfte der gesamten Gesetzesintention am ehesten entgegen kommen, ohne gleich unter Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot wesentliche Elemente des Schadensersatzrechtes über Bord zu werfen.

Im Ergebnis begrüsse ich, dass man sich im Bundestag des Themas überhaupt annimmt. Den konkreten Entwurf betrachte ich aber als wenig überzeugende Wahlkampf-Aktion, die am Ende in der Gerichtspraxis an den unbestimmten Formulierungen scheitern würde. Indes habe ich keinen Zweifel, dass dieser Entwurf niemals Realität werden wird. Zu guter Letzt bleibt anzuwarten, wann sich der Bundestag des Themas ernsthaft annimmt, Vorschläge zur Verbesserung der Situation gibt es ja inzwischen mehrere (u.a. auch einen von mir, hier nachzulesen).

Hinweis: Natürlich werden viele die Idee hinter dem Entwurf lesen und begeistert sein. Und natürlich wird meine harsche Kritik dann negativ aufgenommen werden. Insofern bitte ich schon jetzt präventiv darum, meine Kritik richtig einzuordnen: Gerade als jemand der in unserer Kanzlei täglich solche Abmahnungen sieht, möchte ich nicht die mitunter unverhältnismässigen Kosten rechtfertigen. Aber deswegen muss ich auch nicht jeden Gesetzesentwurf gutheissen, der mir nicht passend erscheint.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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