BGH zu eBay: Wann kommt der Vertrag auf eBay zustande?

Das LG Dortmund (20 O 19/11) hat angeblich in einem mir nicht vorliegenden Beschluss festgestellt, dass der Vertragsschluss auf bereits in dem Zeitpunkt eintritt, in dem das letztlich höchste „Gebot“ abgegeben wird. Sprich: Wenn eine Auktion am 13.10. endet, aber schon am 10.10. das am Ende höchste Gebot abgegeben wurde, so soll der Vertragsschluss schon am 10.10. stattgefunden haben.

Vertragsschluss auf eBay

Begründet soll dies mit dem BGH (VIII ZR 375/03) werden, der zum Vertragsschluss auf eBay damals u.a. feststellte:

Dies war der Beklagte, der das Angebot des Klägers mit seinem Gebot annahm.

Dabei hatte der BGH auch schon 2001 (VIII ZR 13/01) festgestellt, dass jemand der eine

Angebotsseite für die Versteigerung seines Pkw mit der (ausdrücklichen) Erklärung freischaltete

damit erklärt

er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste, wirksam abgegebene Kaufangebot an

Das liest sich in der Tat so, als könnte das LG Bochum recht haben. Juristisch spricht man hier von einer „vorweggenommenen (antizipierten) Annahmeerklärung“, was bedeutet, dass man schon jetzt erklärt, ein späteres Angebot unter bestimmten Umständen anzunehmen. Wenn man dann nochmal in die zuerst zitierte Entscheidung blickt, findet man dann weiter

Mit der Festlegung der Laufzeit der Internet-Auktion bestimmte der Kläger gemäß § 148 BGB eine Frist für die Annahme seines Angebots durch den Meistbietenden.

Was den Eindruck verdichtet, man würde bereits mit Abgabe des „Gebotes“ das spätere, jetzt noch unbekannte, Angebot unbedingt, lediglich befristet, annehmen. Aber: Das dürfte nicht korrekt sein. Nur einen Satz später stellt der BGH zunächst selber klar:

Die vertragliche Bindung der Parteien beruht nicht auf dem Ablauf dieser Frist, sondern auf ihren innerhalb der Laufzeit der Auktion wirksam abgegebenen Willenserklärungen.

Später sprach der BGH auch einmal davon, dass hierbei ein ein verbindliches Verkaufsangebot im Sinne von § 145 BGB abgegeben wird, welches an denjenigen gerichtet ist, der zum Ablauf der Auktionslaufzeit als der nach § 148 BGB bestimmten Annahmefrist das Höchstgebot abgegeben haben würde (BGH, VIII ZR 100/15).

Es gilt somit zum Zustande kommen des Vertrages bei eBay: Ausschlaggebend sind am Ende die Willenserklärungen. Und hierbei ist (auslegend) nach meiner Einschätzung festzustellen, dass es sich mindestens bei demjenigen, der die „Auktion“ einstellt, um keine vorbehaltlose vorweggenommene Annahme eines später abgegebenen Angebots handelt (So wohl auch Wiebe/Neubauer in Hoeren, Handbuch Multimediarecht, Rn.21, die davon sprechen, das mit Bietende das „Angebot wirksam wird“). Vielmehr wird dieser, im Einklang mit den eBay-AGB, seine vorweggenommene Annahmeerklärung unter zwei Bedinungen stellen:

  1. Die „Auktion“ läuft nach den Vorstellungen des Anbieters zu Ende (wird jedenfalls nicht von eBay vorher ohne Einfluss des Anbieters gestoppt – oder vom Anbieter sofern dieser einen berechtigten Grund hierzu hat (VIII ZR 63/13, dazu im Detail hier). Ich bewerte das als auflösende Bedingung nach §158 II BGB.
  2. Derjenige, der zeitweilig das höchste „Gebot“ abgibt, stellt auch im Moment des „Auktionsendes“ das höchste Gebot. Hierbei handelt es sich um eine aufschiebende Bedingung nach §158 I BGB. (so auch das AG Menden, 4 C 183/03)

Oder kurz: Wer bei eBay etwas einstellt, tut das unter Erklärung einer vorweggenommenen Annahmeerklärung des höchsten Gebotes zum Zeitpunkt des Auktionsendes (Bedingung 1) wobei unvorhergesehene Auktionsverläufe ausgeschlossen sein sollen (Bedingung 2).

Hintergründe der Rechtsprechung zum Vertragsschluss auf eBay

Die Hintergründe dieser Auslegung sind schnell geklärt: Zu (1) ist festzustellen, dass bei einer von eBay vorzeitig gestoppten Auktion der Anbieter gerade nicht bereits an einen Vertrag gebunden sein möchte, der zu verzerrten Bedingungen , wie etwa der geringeren Laufzeit des Angebots, zu Stande kam. Hierfür sprechen auch die AGB von eBay, die bei einer vorzeitigen Beendigung der Auktion durch eBay gerade keinen Vertragsschluss annehmen. Zwar wirken mit dem BGH die eBay-AGB nicht zwischen Anbieter und Bieter, sondern nur zwischen eBay und dem jeweiligen Nutzer, doch müssen die AGB zwingend bei der Auslegung der Willenserklärung (in Form des Angebot) berücksichtigt werden.

Und hinsichtlich (2) ist es offensichtlich, dass ein Anbieter, der einen einzelnen individuellen Artikel anbietet, nicht am laufenden Band sich (zwar gegenseitig ablösende) Vertragsschlüsse mit entsprechenden Sorgfaltspflichten schliessen wollen wird.

Insofern sehe ich an dieser Stelle keinen Zwang, bereits im Zeitpunkt der Abgabe eines Gebots einen Vertragsschluss zu sehen (dessen Wirksamkeit „in der Schwebe“ steht und davon abhängt, ob weitere Gebote folgen). Bestätigt sehe ich mich hier inzwischen auch vom BGH (VIII ZR 305/10), der ausdrücklich die Rücknahme des Angebots auch noch nach Abgabe von Geboten zulässt – das wäre terminologisch schon falsch, wenn bei Abgabe eines jeden Gebotes ein Vertrag zustande kommen würde.

Die Sachlage ist lebensnäher und einfacher in den Griff zu bekommen, wenn man mit obiger Ansicht eine zweifach bedingte vorweggenommene Annahme sieht. Gestützt wird dies dadurch, dass man eben mit den eBay-AGB eine Auslegung der Willenserklärungen der Parteien, speziell bei der Auslegung der Erklärung durch den Anbieter, vornehmen muss (so auch das KG Berlin in NJW 2002, 1583).

Hinweise: Selbstverständlich kann auch argumentiert werden, dass alternativ oder gleichsam der Bieter sein Angebot unter die aufschiebende Bedingung setzt, dass sein Angebot nur gelten soll, wenn er auch im Moment des Fristablaufs noch immer Höchstbietender ist (so Härting, Internetrecht, Rn.325). Da ich bereits auf Anbieterseite argumentiere, bleibt das bei mir erst einmal aussen vor, zumal man in der Auslegung durchaus argumentieren kann, dass der Bieter ein Interesse hat, sofort mit Abgabe des Gebots einen Vertrag einzugehen.

Automatische Bieterhöhung

Spannend ist am Rande auch die Frage, wie man mit dem Algorithmus umgeht, der automatisch bei eBay mitbietet und das eigene Angebot bis zu einer maximalen Grenze schrittweise erhöht. Der BGH (VIII ZR 100/15) sieht hier in dem jeweils automatisch eingegebenen Gebot eine eigene Willenserklärung die bedingt durch die automatische Erhöhung zu Stande kommt:

Nach § 10 Abs. 2 eBay-AGB veranlasst ein Bieter durch die Eingabe eines den anderen Bietern und dem Anbieter (zunächst) verborgenen Maximalgebotes, dass sein aktuelles Gebot automatisch schrittweise erhöht wird, wodurch der Bieter solange Höchstbietender bleibt, bis sein Maximalgebot von einem anderen Bieter übertroffen wird. Mit dieser Art der Gebotsabgabe wird den Bietern die Möglichkeit eröffnet, bei den nicht auf eine ständige Präsenz der Beteiligten angelegten Auktionen nach vorgegebenen Regeln Maximalgebote abzugeben, um ihnen die Teilnahme im Rahmen des häufig über viele Ta- ge laufenden Bietverfahrens zu erleichtern. Denn anders kann einem in der Praxis dieser zeitlich gestreckten Bietverfahren bestehenden Bedürfnis, den sich entwickelnden Auktionsverlauf aktiv zu begleiten, um auf Gebotserhöhun- gen von Bietkonkurrenten reagieren zu können, nur schwer Rechnung getragen werden.

Vor diesem Hintergrund ergibt die Auslegung der Maximalgebote und -erhöhungen aber, dass der Kläger hierdurch noch keine unbedingten, be- tragsmäßig bezifferten Annahmeerklärungen abgegeben hat. Er hat vielmehr zunächst nur erklärt, das im Vergleich zum Mindestbetrag oder bereits beste- henden Geboten jeweils nächsthöhere Gebot abzugeben, um dadurch den Mindestbetrag zu erreichen oder bereits bestehende Gebote von Mitbietern um den von eBay jeweils vorgegebenen Bietschritt zu übertreffen und auf diese Weise bis zum Erreichen des von ihm vorgegebenen Maximalbetrages Höchstbietender zu werden oder zu bleiben.

Auswirkungen des Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf eBay

Die Frage des Verragsschlusses ist auch keinesfalls rein akademischer Natur: Bei dem hier angesprochenen Beschluss des Landgerichts ging es um die Frage, ob unverzüglich nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht belehrt wurde. Wer es bejaht, kommt zu einer 14tägigen Widerrufsfrist, sonst zur Frist von einem Monat. An der Frage hängt also letztlich die Bewertung, ob eine , die im Rahmen des Angebotstextes geboten wird, in der Fristangabe korrekt ist. Und natürlich hat es Auswirkungen bei dem Abbruch von eBay-Angeboten – wenn es hier einen berechtigten Grund gab, wird man mit dem BGH nicht unverzüglich die Anfechtung erklären müssen, sondern es ist bereits kein Vertrag zu Stande gekommen!

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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