IT-Vertragsrecht: Internetagenturvertrag ist ein Dienstvertrag und kein Werkvertrag

Dienstleistungen im Agentur-Bereich können auch mal gutes Geld kosten, wie das Landgericht Köln (12 O 186/13) gezeigt hat. Hier hatte jemand eine Internetagentur-Flatrate sowie eine Onlinemarketing-Flatrate gebucht, was insgesamt mit fast 7.500 Euro netto monatlich zu Buche schlug. Wie so oft war der Kunde hinterher „unglücklich“, sah sich übervorteilt, vor allem weil es ihm „zu teuer“ erschien. Dem aber erteilte das Landgericht Köln eine Absage. Die Frage war natürlich auch an erster Stelle, ob es sich um einen Dienstvertrag oder einen gehandelt hat, ein häufiger Streitpunkt in solchen Sachen.

Ein interessanter Nebenaspekt ist dabei die Klärung, dass Agenturen – soweit nicht ausdrücklich anderes vereinbart ist – auf Templates als Basis für ihre Arbeit zurückgreifen können, auch wenn eine eigene Leistungserbringung zugesagt ist.

Sachverhalt: Leistungsumfang der Pakete

Laut Urteil ging es um folgende gebuchten Leistungen: Der Leistungsumfang der Onlinemarketing-Flatrate wurde wie folgt beschrieben:

„Zum Leistungsumfang gehören folgende Eigenleistungen: Projektmanagement, Beratung, Konzeption / Strategie, Online-Werbemittel (z.B. Banner), Suchmaschinenoptimierung (SEO), Suchmaschinenwerbung (SEA, z.B. Google-Adwords / Facebook, jeweils exkl. Media-Budget / Schaltvolumen), Affiliate-Marketing, -Marketing, Gutschein-Portalbetreuung, Preissuchmaschinen, Webcontrolling (z.B. mit Google-Analytics), Social Media Beratung, ein monatliches Reporting der Onlinemarketing-Kennzahlen, Aktivitäten sowie auch ein kompakter Wettbewerbsvergleich von bis zu drei relevanten Wettbewerbern. Pro Jahr (je Zeitraum von 12 Monaten) stehen maximal 350 Stunden zur Verfügung).“

Der Leistungsumfang der Internetagentur-Flatrate wurde so beschrieben:

„Zum Leistungsumfang gehören alle Leistungen der o.g. Onlinemarketing-Flatrate sowie folgende Eigenleistungen im Bezug auf alle Internet-Aktivitäten: Projektmanagement, Beratung, Konzeption / Strategie, Kreation / Gestaltung / Layout / Reinzeichnung, Textarbeiten in Deutsch (exkl. Übersetzungen) sowie alle Internet-Programmierleistungen. Pro Jahr (je Zeitraum von 12 Monaten) stehen maximal 575 Stunden zur Verfügung.“

Agenturvertrag ist ein Dienstleistungsvertrag, kein Werkvertrag

Das Gericht fasst als erstes die Grundsätze zusammen, die bei der vertragstypologischen Einordnung immer als erstes anzuführen sind:

Die Zuordnung von Verträgen über Leistungen im Bereich elektronischer Datenverarbeitung zu den Vertragstypen des Bürgerlichen Gesetzbuches erfolgt grundsätzlich nach dem von den Parteien vereinbarten Vertragszweck in der Form, in der er in der vertraglichen Leistungsbeschreibung und dem hieran anknüpfenden Parteiwillen zum Ausdruck kommt (OLG Köln BeckRS 2014, 10196 m.V.a. BGH NJW 2010, 1449). Bei typengemischten Verträgen sind hierbei grundsätzlich für jede Leistung die Vorschriften des entsprechenden Vertragstyps heranzuziehen, sofern nicht die Eigenart des Vertrages eine solche Vorgehensweise dies verbietet. In diesem Falle sind die Vorschriften desjenigen Vertragstyps heranzuziehen, der den wirtschaftlichen und rechtlichen Schwerpunkt des Vertrages bildet (OLG Köln BeckRS 2014, 10196 m.w.N.). (…)

Bei dem Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff BGB handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag, in dem sich ein Vertragsteil zu der – nicht erfolgsbezogenen – Leistung versprochener Dienste gegen Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Im Gegensatz hierzu schuldet der Werkunternehmer die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges (MünchKomm-Busche, BGB, 6. Auflage 2012, § 631 Rn. 14).

Bei gemischten Verträgen, die Elemente aus beiden Vertragsarten aufweisen ist damit ein Schwerpunkt zu suchen, was auch immer eine Wertungsfrage ist, so dass hier in Streitigkeiten durchaus ein gewisses Risiko auf beiden Seiten zu erkennen ist. Die reine Bezeichnung als ein bestimmter Vertragstypus ist dabei nicht alleine ausreichend, wie das Landgericht treffend ausführt:

Die Einordnung beruht zunächst auf dem Wortlaut des Vertragstextes, es werde gerade kein Werkvertrag geschlossen, sondern ein pauschaler Dienstvertrag. Dabei wird nicht verkannt, dass eine solche Bezeichnung für die rechtliche Einordnung lediglich Indizwirkung haben kann und dass es im Einzelnen auf eine Ermittlung des tatsächlichen Vertragskerns ankommt. Auch die Vertragsstruktur im Übrigen allerdings begründet eine Einordnung als Dienstvertrag. Der Vertrag ist bezeichnet als „Rahmenvertrag“, gemäß welchem der Kunde aus einer Vielzahl werbebezogener Einzelleistungen ein jährliches Zeitkontingent für Leistungen abrufen kann, das die Klägerin bereithält. Ein wesentlicher Teil dieser Leistungen besteht aus Onlinemarketing-Leistungen, die dienstvertraglich zu qualifizieren sind, weil lediglich ein Tätigwerden – etwa allgemeines Projektmanagement, Beratung, Suchmaschinenoptimierung und -werbung etc. – geschuldet ist (vgl. OLG Köln BeckRS 2014, 10196; LG Düsseldorf BeckRS 2013, 18688; LG Düsseldorf BeckRS 2013, 18675). Inhaltlich stellt demgegenüber der Vertrag „Internetagentur-Flatrate“ über 575 Stunden lediglich eine Erweiterung – allerdings um erfolgsbezogene Leistungen – dar, ohne dass aus der jeweiligen Relation von monatlichem Pauschalhonorar und Stundenkontingent ein wesentlicher Schluss hinsichtlich des Schwerpunkts gezogen werden könnte.

Die Erstellung einer Webseite alleine ist dabei zwar durchaus als Werkvertrag einzustufen, doch wenn sich das Gesamtgefüge auf Grund von Pflegearbeiten im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses derart verschiebt, dass der werkvertragliche Schwerpunkt verlassen wird, kann dann eben auch ein Dienstvertrag am Ende stehen:

Die Verfügbarkeit auch werkvertraglich zu qualifizierender Leistungen begründet vorliegend hingegen in Bezug auf den Honoraranspruch der Klägerin nicht eine Einordnung als Werkvertrag insgesamt.

Die Leistungsbeschreibung enthält insoweit insbesondere den Entwurf, das Layout, die Reinzeichnung und Programmierleistungen in Bezug auf „alle Internet-Aktivitäten“, also auch die Erstellung des Onlineshops, ferner Textarbeiten in deutsch. Hierbei handelt es sich um Leistungen, die charakteristisch sind für einen „Webdesign-Vertrag“, der regelmäßig als Werkvertrag zu behandeln ist (BGH NJW 2010, 1449). In Bezug auf den Gesamtvertrag und den sich aus diesem ergebenden Honoraranspruch sind diese werkvertraglichen Elemente nicht als bestimmend anzusehen. Dies beruht zunächst auf der oben bereits dargelegten Preiskalkulation. Ferner war das Vertragsverhältnis einerseits als Dauerschuldverhältnis angelegt, andererseits als „Rahmenvertrag“. Vertraglich ist gerade nicht eine „Fertigstellung“ im werkvertraglichen Sinne vorgesehen, sondern eine fortlaufende Vertragsbeziehung unter Abruf unterschiedlicher (und unterschiedlich zu qualifizierender) Leistungen; demgemäß liegt auch kein auf eine Laufzeit geschlossener „Internet-System-Vertrag“ vor, der lediglich werkvertragliche Einzelleistungen zum Gegenstand hätte (vgl. zu diesem BGH NJW 2011, 915).

Insoweit zeigt sich, wie bereits dargelegt, auch kein Übergewicht werkvertraglich zu qualifizierender Einzelleistungen in Bezug auf den Gesamtvertrag, denn zwar wird die Erstellung der Webseite üblicherweise mit am Anfang stehen, doch begründet dies nicht eine werkvertragliche Qualifikation über den gesamten Vertragszeitraum, der auch vorliegend nicht unerheblich über die reine Erstellungszeit hinaus geht. Maßgeblich ist vielmehr, dass dem Kunden während der gesamten Vertragslaufzeit sämtliche angebotenen Leistungen zur Verfügung gestellt werden und hierfür das monatliche Pauschalhonorar geschuldet wird. Dieses soll sich dabei bereits aus dem „Rahmenvertrag“ als solchem ergeben.

Diese Auszüge aus der Entscheidung zeigen bereits, wie wichtig hier eine objektive Wertung ist, die auch eine gewisse Erfahrung im IT-Vertragsrecht voraussetzt: Alleine das Herauspicken einzelner Aspekte für sich ist nicht genügend, man muss eine Gesamtwertung vornehmen.

Anfechtung des Agenturvertrages wegen Täuschung

Der letzte grosse Streitpunkt ist die Frage, ob eine Täuschung vorliegt, etwa weil günstig Dinge wie Templates zugekauft wurden, die dann – nach Anpassung! – erheblich teurer weiterverkauft werden, ein durchaus typischer Streitpunkt.

Anfechtung wegen Täuschung: Beweislast

Die wichtige Aufgabe ist dann zu klären, ob man wirklich getäuscht wurde oder sich einfach nur getäuscht fühlt, was bei schlechten Geschäften zwar häufig der Fall ist, aber zivilrechtlich nicht zu Ansprüchen führt. Dabei sind die Ansprüche eben etwas höher:

Die Beklagte hat eine konkrete Täuschung nicht dargetan. Eine solche kann in der positiven Erregung eines Irrtms oder durch Unterlassen einer gebotenen Aufklärung liegen (MünchKomm-Armbrüster, BGB, 6. Auflage 2012, § 123 Rn. 27). Die Täuschung muss sich auf objektiv nachprüfbare Angaben über gegenwärtige oder künftige Tatsachen beziehen (MünchKomm-Armbrüster, BGB, 6. Auflage 2012, § 123 Rn. 28). Eine Täuschung in diesem Sinne bzw. ein entsprechender ist jedoch weder in Bezug auf die mehrsprachige Erstellung der Internetseite dargetan, noch in Bezug auf den Zukauf eines „Templates“ und des Warenwirtschaftssystems oder des „Wertes“ der Internetseite (…) Eine Täuschung bzw. ein entsprechender Irrtum ist auch in Bezug auf den Zukauf von Leistungen hinsichtlich des „Templates“ oder eines Warenwirtschaftssystems bzw. des „Wertes“ der erstellten Internetseite nicht dargetan. Soweit die Beklagte behauptet, der „Wert“ der Internetseite habe lediglich 2.500 Euro bis 3.000 Euro betragen, hat sie auch auf entsprechendes Bestreiten der Klägerin nicht konkret dargetan, woraus sich diese Wertberechnung ergeben soll (…)

Das zeigt bereits, dass hier derjenige, der Anfechten möchte, klar darlegen und im Falle des Bestreitens auch beweisen können muss, dass die Voraussetzungen einer Täuschung bestanden haben.

Verwendung von Templates kein Anfechtungsgrund bei selbst zu erbringender Leistung

Auch wenn eine eigene Leistungserbringung zugesagt ist, heisst das noch lange nicht, dass der Rückgriff auf fertige Templates als Basis unzulässig ist. Es steht den Parteien frei, dies ausdrücklich auszuschliessen – wenn aber nichts ausdrücklich vereinbart ist, dann ist der Rückgriff auf Templates grundsätzlich zulässig:

Soweit die Klägerin aufgrund des Vertrages auf entsprechenden Abruf auch die Programmierungsleistungen als Eigenleistungen schuldete, ist eine Täuschung im Hinblick auf den Rückgriff auf ein „Template“ nicht zu erkennen. Bei einem solchen „Template“ handelt es sich vielmehr lediglich um eine Grundstruktur, auf deren Basis die konkrete Webseite erstellt wird, ohne dass es einer technischen Programmierung jedes möglichen Einzelbefehls von Grund auf „zu Fuß“ bedarf. Der Rückgriff auf eine solche Programmiergrundlage ist bei der Erstellung von Webseiten gerichtsbekannt nicht unüblich und wirkt sich letztlich durch die Zeitersparnis vorliegend zugunsten der Beklagten aus (…) Insoweit ist auch eine konkrete Täuschung nicht zu erkennen, denn in dem Angebot der Gestaltungs- und Programmierleistungen als Eigenleistungen ist nicht die konkludente Erklärung zu erkennen, Arbeitsmittel wie etwa vorgenannte Templates, nicht hinzuzuziehen. Soweit dem Verpflichteten für die Leistungserbringung der Rückgriff auf solche Arbeitsmittel von dritter Seite möglich ist, handelt er vielmehr pflichtgemäß, wenn er den Vertragspartner auf eine solche Verfügbarkeit hinweist und nicht erhebliche Zeit auf die Herstellung in Eigenarbeit verwendet; die Beklagte hat einem solchen Vorgehen hier durch Ankauf des Templates auch konkludent zugestimmt, anstelle auf einer technisch individuellen Einzelprogrammierung zu bestehen.

Fazit

Die Entscheidung bietet nicht wirklich neues und auch viele Auslegungsfragen, die am Einzelfall hängen. In erster Linie ist sie lehrreich als Exempel – und natürlich hinsichtlich der Frage, ob und unter welchen Umständen Agenturen auf Templates bei der Programmierung von Lösungen zurückgreifen können.

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Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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