Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 17.06.2024 (12 Qs 19/24) wichtige Grundsätze zur Einordnung von Tätigkeiten externer IT-Forensiker als Sachverständigentätigkeit festgelegt. Die Entscheidung beleuchtet die Abgrenzung zwischen bloßen Hilfstätigkeiten und der eigentlichen Sachverständigentätigkeit nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), wobei diese Differenzierung erhebliche Auswirkungen auf die Verfahrenskosten hat.
Sachverhalt
Ein externer IT-Forensiker wurde von den Ermittlungsbehörden beauftragt, sichergestellte Datenträger im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften zu sichten. Die Vergütung seiner Tätigkeiten wurde in Höhe von rund 18.000 Euro in Rechnung gestellt. Der Verurteilte, dem diese Kosten auferlegt wurden, legte Beschwerde ein, da er die Tätigkeiten des IT-Forensikers nicht als abrechenbare Sachverständigenleistungen ansah .
Rechtliche Analyse
Definition der Sachverständigentätigkeit: Das Gericht betonte, dass ein Sachverständiger durch die Anwendung besonderer Fachkenntnisse oder Erfahrungssätze dem Gericht ermittlungsrelevante Tatsachen darlegt. Dazu gehört insbesondere:
- Zugang zu verschlüsselten oder sonst nicht zugänglichen Daten.
- Aufbereitung und strukturierte Darstellung von ermittlungsrelevanten Informationen.
- Verknüpfung technischer Analysen mit fachlich fundierten Schlussfolgerungen oder Erläuterungen .
Abgrenzung zu Hilfstätigkeiten: Keine Sachverständigentätigkeit liegt vor, wenn der IT-Forensiker lediglich:
- Eine Grobsichtung von Daten nach bestimmten Kriterien durchführt.
- Allgemein zugängliche Software zur Datenstrukturierung oder -prüfung verwendet.
- Ergebnisse ohne fachliche Bewertung oder Erläuterung übergibt
Anwendung auf den Fall: Der Forensiker hatte sich darauf beschränkt, Datenträger mit allgemein verfügbarer Software zu sichten und die gefundenen Inhalte ohne weitere Analyse zu protokollieren. Diese Tätigkeit wertete das Gericht nicht als Sachverständigenleistung, da sie keine spezifischen Fachkenntnisse erforderte. Dementsprechend kürzte es die vom Verurteilten zu tragenden Kosten um den entsprechenden Betrag.
Die Entscheidung ist korrekt, die entsprechenden Grundsätze kann man in meinem Aufsatz „IT-Sachverständige im Strafverfahren“ (Aufsatz in AnwZert ITR 16/2023 Anm. 2) nachlesen; ebenso in meiner Kommentierung unter BeckOK StPO/Ferner TKG § 174 Rn. 61.1ff.
Die hier aufgeworfene Frage sollte auch nicht unterschätzt werden: Im Fall einer Verurteilung können gerade in IT-Strafverfahren Unsummen im Raum stehen, die in sich zusammenbrechen und den Mandanten dann nicht belasten!
Ergebnis
Das Gericht hob die ursprüngliche Kostenentscheidung des Amtsgerichts auf und reduzierte die anzurechnenden Auslagen erheblich. Es stellte klar, dass einfache Sichtungsarbeiten keine Sachverständigentätigkeiten darstellen und daher nicht nach dem JVEG vergütet werden können.
Die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth unterstreicht die Bedeutung einer klaren Abgrenzung zwischen Hilfstätigkeiten und Sachverständigentätigkeiten. Sie schützt Beschuldigte vor unnötiger Kostenbelastung und definiert präzise, welche Leistungen von IT-Forensikern als abrechnungsfähig gelten. Es gilt: Nur weil jemand mit Fachkenntnis agiert wird er nicht wie ein Sachverständiger bezahlt – die Tätigkeit macht es.
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