Irreführung im Wettbewerb, oder: Wie viele Kondome nutzt man(n)?

Das OLG Hamm (4 U 141/09) beschäftigte sich im Januar 2010 mit der Frage, ob eine Internet-Werbung für Kondome gegen das Wettbewerbsrecht verstossen hat, weil sie vielleicht irreführend war. Stein des Anstosses war, dass die Anzeige

zwar die wesentlichen Informationen geboten hat, aber erst bei Aufruf der Webseite dem (potentiellen) Käufer klar wurde, dass das Sonderangebot auf ein Paket pro Bestellung limitiert war. Nun streiten Kläger und Beklagte – beide übrigens Betreiber von Internet-Erotik-Shops – darüber, ob diese Anzeige nun irreführend war. Das ebenso schlichte wie überzeugende Argument des Klägers liegt erst einmal auf der Hand: Der Verbraucher, der hier klickt, rechnet damit so viel bestellen zu können wie er denn möchte.

Nun mag man annehmen, dass der Verbraucher mit einer Beschränkung der Bestellmenge nicht rechnet. Darauf basierend mag man auch annehmen, dass eine irreführung vorliegen könnte. Das OLG hat die Frage aber gar nicht entschieden, sondern offen gelassen. Das OLG stellt nämlich fest, dass eine „relevante Täuschungsquote“ vorliegen muss. Insofern hat es auf die Zielgruppe selbst geblickt:

Die Verbraucher, die ohnehin nur eine Packung kaufen wollen, berührt die Abgabebeschränkung von vornherein nicht. Für ihre Kaufentscheidung ist der fehlende Hinweis auf die Abgabebeschränkung irrelevant. Es kommen damit für eine Irreführung von vornherein nur die Verbraucher in Betracht, die mehrere Packungen erwerben wollen.

Hier kommt das OLG sodann zum Ergebnis, dass dieser Verbraucherkreis eher gering ist, letztlich keine Relevante Täuschung in Betracht kommt. Interessant ist der Verweis darauf, dass es ca. 400.000 Prostituierte geben soll und dies sich letztlich auf die Einschäztung nicht auswirkt, da damit noch lange nicht gesagt ist, wie diese ihren Bedarf decken – so wird ausdrücklich festgestellt, dass nicht erwiesen ist, dass diese regelmäßig über Online-Shops einkaufen, was die Quote der Getäuschten im Ergebnis nicht erhöhen soll.

Neben den eher skurril anmutenden Erwägungen des OLG Hamm findet sich noch ein anderer Hinweis, der aufhorchen lässt: Das OLG verneint bei der Anzeige zudem eine wesentliche Benachteiligung. Denn der Verbraucher wird spätestens nach dem Klick auf die Anzeige auf der Webseite über die Limitierung belehrt und könne problemlos weitersuchen. Das OLG dazu:

Ein wesentlicher Nachteil liegt darin nicht. Der Internetnutzer muss sich lediglich anderen Anbietern zuwenden, ohne dass die zunächst erfolgte Zuwendung zu dem Angebot der Beklagten für ihn irgendwelche Nachteile oder Beschwernisse mit sich bringt, wie es etwa der Fall ist, wenn der Verbraucher aufgrund einer irreführenden Werbung zunächst einmal in das Ladenlokal des Werbenden gelockt worden ist.

Es bleibt abzuwarten, ob diese angesprochene Schwelle für Internet-Werbung weitere Freunde in der Rechtsprechung findet.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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