Kommentar: Nur Bewährung für schwere Betrugstaten?

Einige persönliche Worte zu einem Artikel der Aachener Zeitung, in dem ich ebenso unpassende wie an Ahnungslosigkeit grenzende Ausführungen lese, die aus Sicht eines engagierten Verteidigers an Hetze grenzen – nicht zuletzt, da interessierte Laien hier nach meiner Lesart einen vollkommen falschen Eindruck erhalten.

So liest man in dem Artikel „Online mit Atemschutzmasken in Alsdorf“ (hier hinter der Paywall zu finden) u.a. diese Zeilen:

Das Aachener Amtsgericht hat (…) Haftbefehle für zwei (…) Männer ausgestellt, die mindestens fünf Menschen um tausende Euro betrogen haben sollen (…) So ärgerlich solche Betrugsfälle für jeden einzelnen Kunden sind, wirklich hart bestraft werden sie in der Regel nicht.

Quelle: AZ, Artikel vom 08.04.2020, 10:46 Uhr

Eine solche Behauptung zur prognostisch zu erwartenden Strafe ist aus meiner Sicht schlichtweg falsch: Dies schon, weil hier etwas als Regelfall behauptet wird, ohne dass man dazu eine brauchbare Statistik darstellt – vielmehr wird mal einfach etwas behauptet, was die eifrigen Leser dann so hinnehmen und sich aufregen sollen. Übrigens nicht das erste Mal, dass aus dieser Ecke der Eindruck erzeugt wird, in der (Aachener) Justiz ginge es zu gemächlich zu. Es reicht damit, vor allem wenn es derart nachweislich an der Sache vorbei geht.


Inhaltsleeres WischiWaschi

Das fängt schon mit dem Strafmaß an, denn in dem Zeitungsartikel wird „verschwiegen“, dass es verschiedene Stufen des Betruges gibt – ein einfacher Betrug ist sicherlich nichts, was man allzu hoch hängt. Das auch vollkommen zu Recht, denn ein Strafrecht muss auch untere Straftaten kennen, wie etwa einen einfachen Betrug, einen kleinen Ladendiebstahl oder das Erschleichen von Leistungen („“).

Doch es ist ein Unterschied, ob ich bei ein Mal ein Spiel für 20 Euro verkaufe und nicht liefere, ob ich das gleiche hunderte Male mache (ggfs. um ein Einkommen zu erzielen) oder ob ich einen Leasingbetrug mit 6-7stelligen Schäden erreiche. Und mit Verlaub, ich war und bin in all diesen Fällen regelmässig tätig, erst kürzlich habe ich ein Verfahren beim beendet in dem es um fast 7stellige Schadenssummern aus Leasingbetrügereien ging und weder dort noch in den mir bekannten umfangreichen eBay-Betrügereien gab es Bewährungsstrafen. Wenn ich dann in dem Presseartikel lesen muss

Auch für Betrug in wesentlich größerem Stil mit Schadenssummen im sechsstelligen Bereich werden mitunter nur Bewährungsstrafen verhängt.

Quelle: AZ, Artikel vom 08.04.2020, 10:46 Uhr

Da frage ich mich: In welchen Fällen? Waren das Einzelfallentscheidungen, wo die Schadenssumme in den Hintergrund trat? Waren es keine Täter sondern nur Gehilfen (ein Umstand, der bei Laien und auch der Presse gerne mal untergeht) – am Ende bleibt auch hier wieder nur eine unsubstantiierte Behauptung, die den Leser sich aufregen lässt, aber jedenfalls mit meiner Wirklichkeit rein gar nichts zu tun hat.

Und darum, mit Verlaub, grenzt es für mich an Hetze, an das fälschliche Erzeugen eines Bildes einer „Kuscheljustiz“, die wir in diesem Land – entgegen ständiger Behauptungen in den Medien – ausdrücklich nicht haben. Was anderes ist, dass man am Stammtisch gerne am Liebsten immer noch höhere Strafen haben möchte, was davon zu halten ist habe ich hier mal etwas Intelligenter formuliert.


Freiheitsstrafen sind bei umfangreichen Betrugstaten zwingend

Um es hier nun mal etwas kürzer zu machen: Es gibt den Betrug in einem schweren Fall (§263 Abs.2 StGB), was bei dem von der AZ aufgegriffenen Fall mit den dort geschilderten Umständen wenigstens theoretisch im Raum stehen dürfte. Dafür gibt es dann aber auch 6 Monate mindestens – pro Tat! Dem Artikel ist zu entnehmen, dass wohl 5 Taten im Raum stehen sollen, das macht bei üblicher Berechnung, ausgehend von nur 6 Monaten mindestens als das, was das Gesetz nun einmal als klare Untergrenze vorgibt, eine Straferwartung von prognostisch 18 Monaten. Nochmal: Mindestens, in diesem theoretischen Denkbeispiel!

Auf Grund der von der Presse erwähnten angeblichen einschlägigen Vorstrafen wäre eine Erhöhung des Strafrahmens realistisch, wobei 8-10 Monate (nochmal: pro Tat!) im Hinblick auf meine Erfahrung mit Betrugstaten bei Vorstrafen prognostisch diskutabel erscheinen – wohl gemerkt ohne Berücksichtigung des Bezuges zu den hier angeblich betroffenen Corona-Bedarfsgütern, was das Strafmaß nochmals erhöhen könnte. Wie man unter diesen Umständen, im Rahmen der zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin unangebrachten Bewertung in einem zeitlich sehr früh gelagerten Zeitungsartikel, auf maximal 2 Jahre kommen will – die das Maximum für eine zur sind – ist mir absolut schleierhaft. Schon an der Stelle sind die Ausführungen in dem Artikel fachlich für mich gar nicht mehr nachvollziehbar.

Bewährung gibt es nicht geschenkt

Und noch einmal, man muss es ja immer wieder betonen, weil auch hier die Medien gerne ein falsches Bild zeichnen: Eine Bewährung gibt es nicht geschenkt! Wenn eine von mehr als einem Jahr im Raum steht braucht es besonderer Umstände, damit überhaupt noch zur Bewährung ausgesetzt wird (siehe §56 Abs.2 StGB, auch hier hilft mal wieder der Blick ins Gesetz). Eine Rolle spielt dann hier insbesondere, ob gefestigte Lebensumstände vorliegen und wie die Erwartung ist, dass keine weiteren Straftaten begangen werden. Anzustellen sind die so genannte „Sozialprognose“ und „Legalprognose“. Das ist dann doch ein bisschen mehr als die schlichte Behauptung, es werden „mitunter nur Bewährungsstrafen verhängt“. Man muss eben fragen, worum es im konkreten Fall ging und welche Voraussetzungen vorhanden waren.


Warum so eine Hetze?

Ich ärgere mich schon länger über die mitunter aus meiner fachlichen Sicht auch einfach schlechte Berichterstattung von Medien über die Justiz – nicht nur, aber eben auch durch die lokale Presse. Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, man versucht mit einer gewissen Form der Hetze – von mir aus auch einfach des „Rumätzens“ – das Bedürfnis nach reisserischer Berichterstattung zu bedienen und letztlich Leser zu gewinnen.

Doch genau da wird es eben dann doch hetzerisch: In diesen Zeiten brauchen die Menschen die Gewissheit, dass die Justiz funktioniert. Und das tut sie: Da sind angebliche Betrüger im Internet unterwegs und verkaufen ein akut benötigtes Gut, was – so viel kann man Rückschliessen wegen des Corona-Bezugs! – offenkundig in den letzten Wochen angeboten worden sein muss. Dann kommt die Justiz in kürzester Zeit mit einem , es wird ein erheblicher Teil des Geldes sichergestellt und die Öffentlichkeit geschützt. Doch anstelle dies hervor zu heben, auch mal zu betonen wie schnell und schlagkräftig durch die Justiz vorgegangen wurde, betont man vielmehr, wie gering ja die scheinbar jetzt schon festzustehende Strafe ausfallen wird. Die Aachener Zeitung mag sich fragen lassen, warum Menschen hier so verunsichert werden und Lesern hier so zwischen den Zeilen ein vollkommen unangebrachter Eindruck suggeriert wird.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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