Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (9 S 2423/12) hat sich mit der Norm (§ 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB) auseinandergesetzt, die Rechtsgrundlage für die behördliche Veröffentlichung von Hygienemängeln im Internet ist und hier erhebliche rechtliche Bedenken hinsichtlich dieser Norm geäußert:
- Der VGH sieht europarechtliche Probleme bei der Frage, ob die Norm mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vereinbar ist, da diese eventuell eine abschliessende Regelung vorsehen könnte. Der VGH möchte insofern den Ausgang des Verfahrens C-636/11 beim EUGH abwarten.
- Weiterhin hat der VGH Zweifel, ob die Norm hinreichend bestimmt und inhaltlich klar ist.
- Zu guter letzt werden durchgreifende Zweifel aufgeworfen, ob die Norm in ihrer jetzigen Fassung überhaupt verhältnismäßig ist, wenn es um die vorgesehenen Sanktionen geht.
Weiterhin sei am Rande erwähnt, dass der VGH die grundsätzliche Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes bei derartigen Veröffentlichungen sieht. Hintergrund: Die Prangerwirkung gefährdet den Betrieb in seinem Bestand bereits faktisch, noch bevor Rechtsschutz erreicht werden kann. Insofern ist einstweiliger Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten zu gewähren, denn
mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) führt der Umstand, dass die zwischenzeitliche Veröffentlichung einschließlich der dadurch ausgelösten Presseberichterstattung offenbar bereits nachteilige Folgen für die Reputation seines Gaststättenbetriebs gezeitigt hat, nicht automatisch dazu, dass der Antragsteller nunmehr auch in der Zukunft die weitere Veröffentlichung und alle damit verbundenen Folgewirkungen hinzunehmen hat. Denn mit einer Fortsetzung der Veröffentlichung wird die von ihr ausgehende Prangerwirkung perpetuiert und – auch mit Blick auf den mittlerweile gewachsenen Bekanntheitsgrad des erst seit dem 01.09.2012 geltenden § 40 Abs. 1a LFGB und der entsprechenden Internetseiten – ausgeweitet und vertieft. Dabei ist nicht auszuschließen, dass gerade die Fortdauer der Beeinträchtigung dazu führt, dass diese in eine Gefährdung der Existenz des Betriebs des Antragstellers umschlägt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht den Gerichten aufgegeben hat, wegen der Besonderheiten der Verbreitung von Informationen über das Internet – insbesondere die schnelle und praktisch permanente Verfügbarkeit der Information für jeden, der an ihr interessiert ist, einschließlich der – über Suchdienste erleichterten – Kombinierbarkeit mit anderen relevanten Informationen – den mit einer Anprangerung in diesem Medium verbundenen nachteiligen Wirkungen für grundrechtlich geschützte Belange ein gesteigertes Augenmerk zu widmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 09.10.2001 – 1 BvR 622/01 -, BVerfGE 104, 65, 72 f. – Schuldnerspiegel im Internet).
Fazit: Gegenwehr ist weiterhin gut möglich, wenn Betriebe sich mit einer behördlichen Internetveröffentlichung zu Hygienemängeln konfrontiert sehen!
- Schätzung hinterzogener Steuern bei Steuerhinterziehung - 23. September 2023
- Subventionsbetrug: Wann liegt Gestaltungsmissbrauch vor? - 23. September 2023
- Konkurrenzen bei Aufzucht von Marihuanapflanzen zum Zwecke des späteren gewinnbringenden Absatzes der geernteten Pflanzen - 23. September 2023