Beim Amtsgericht München ging es um eine Bewertung, die ein Arzt im Internet auf einem Patientenportal erhalten hatte. Dabei musste das Gericht sich mit der Frage auseinandersetzen, ob in der Erklärung man sei aus der Praxis „hinausgerannt“ eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung liegt.
Hinweis: Wir vertreten seit Jahren Ärzte und Zahnärzte im Kampf gegen unfaire Bewertungen.
Aus der Pressemitteilung des Gerichts
Der Kläger ist niedergelassener Arzt in Bonn. Ende November 2014 entdeckte er im Internet auf einem Bewertungsportal eine Patientenbewertung, die auf der Homepage des beklagten Bewertungsportals ersichtlich war und dort am 2.10.2014 eingestellt worden war. Die Bewertung lautete inhaltlich wie folgt: Der eigentlich freundliche Arzt hat mir nur leider mehrere Gründe gegeben, nach der Behandlung ohne einen neuen Termin herauszurennen. Im Anschluss wurden fünf Gründe aufgeführt. Der betroffene Arzt wies gegenüber dem Bewertungsportal die Vorwürfe mit ausführlicher Begründung zurück. Daraufhin wurde die Bewertung abgeändert, indem die ursprünglich aufgeführten fünf Gründe entfernt wurden, dafür jedoch angefügt wurde: alles in allem der absolut falsche Arzt schade. Der Arzt erhob nun Klage vor dem Amtsgericht München auf Abänderung des Eintrags dahin, dass nicht weiter behauptet wird, es sei ein Herausrennen aus der Praxis erfolgt. Er ist der Meinung, dass es sich um eine unzutreffende Tatsachenbehauptung handelt, da die Patientin die Praxis ganz normal verlassen habe und nicht herausgerannt sei. Die Bewertung sei unsachlich und komme einer Schmähkritik gleich.
Kurz nach Klageerhebung wurde der Eintrag durch das Bewertungsportal wie vom Arzt gefordert gelöscht. Das beklagte Bewertungsportal hat ihm die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413 Euro erstattet. Jetzt streiten die Parteien nur noch darüber, wer die Kosten des Zivilverfahrens zu tragen hat.
Die zuständige Richterin am Amtsgericht München hat entschieden, dass der klagende Arzt die Kosten in Höhe von 1130 Euro tragen muss, da er den Prozess verloren hätte. Er hatte keinen Anspruch darauf, dass die Veröffentlichung gelöscht wird.
Die Formulierung Herausrennen aus der Praxis stelle keine bloße Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäußerung dar, da die Patientin hierbei ihre Unzufriedenheit bezüglich der durchgeführten Arztbehandlung durch den Kläger zum Ausdruck bringt., so das Gericht. Das Recht der Portalbetreiberin gemäß Art 5 Abs. I Grundgesetz, Recht auf Kommunikationsfreiheit, überwiege das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung, das heißt sein Recht, selbst zu bestimmen, was über ihn verbreitet wird. Ein Bewertungsportalbetreiber sei in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit im Sinne von Art 5 Grundgesetz einbezogen und die Pflicht zur Löschung von Einträgen würde seine Tätigkeit in nicht unerheblicher Weise einschränken. Der klagende Arzt würde durch die Eintragung nur in seiner beruflichen Sozialsphäre berührt. In diesem Bereich muss sich jeder einzelne wegen der Auswirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch die breite Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen. Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre können nach der Rechtsprechung nur im Falle von schwerwiegenden Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden. Dies ist etwa der Fall bei Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung oder wenn jemand dadurch an den Pranger gestellt wird.
Das Gericht: Die
Äußerung auf der Internetseite
hat keine schwerwiegende Auswirkung auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers, so dass insoweit bei Durchführung einer entsprechenden Abwägung das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit überwiegt. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Löschung der
Bewertung.
Beschluss des Amtsgerichts München vom 11.8.2015, Aktenzeichen 161 C 7001/15
Zur Bewertung als Meinungsäußerung
Bei den Bewertungen handelt es sich zwar um Meinungsäußerungen. Die Äußerungen enthalten jedoch zugleich Tatsachenelemente, indem sie tatsächliche Umstände benennen, auf denen die Bewertungen beruhen. Zudem enthalten die Bewertungen die (konkludente) Behauptung eines tatsächlich stattgefundenen Geschäftskontaktes.
Geht man davon aus, dass die Äußerung trotz der Vermischung von wertenden und tatsächlichen Elementen insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen der fehlende Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Elemente ins Gewicht. Ist der Tatsachenkern der Äußerung, auf dem das Werturteil beruht, unwahr, fehlt es an einem Interesse an der Verbreitung des Werturteils. Die Äußerungen sind dann nicht mehr durch die Meinungsfreiheit geschützt, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass neben den Grundrechten der Bewerteten grundsätzlich auch die Grundrechte des Accountinhabers und der anderen Nutzer in eine Abwägung einzustellen sind.
Weitere Artikel zur Unternehmenskritik
- Grundsätzliches zum Umgang mit negativen Bewertungen und Unternehmenskritik
- Unwahre Testurteile – Wie wehrt man sich?
- Unwahre Vermutungen müssen nicht hingenommen werden
- Wir helfen bei unfairen Bewertungen
- FBI legt Kryptobetrüger mit gefälschtem Token herein: „Operation Token Mirrors“ - 15. Oktober 2024
- Agent Provocateur - 15. Oktober 2024
- Kündigungsbutton: Anforderungen an die Gestaltung des Kündigungsprozesses bei online abgeschlossenen Verträgen - 13. Oktober 2024