Haftung von Fulfillment-Unternehmen für Urheberrechtsverletzung

Durchaus spannend ist, was das , 6 U 212/19, zur Haftung des Fulfillment-Unternehmens für Urheberrechtsverletzungen zu sagen hat – die steht nämlich keineswegs reflexartig im Raum:

Der Beklagte wickelt als Fulfillment-Unternehmen Bestellungen und Retouren ab. Er hat in der Berufungsinstanz vorgetragen, dass mit den Fulfillment-Kunden vereinbart sei, dass sein Name und seine Anschrift als Versand- und Retourenadresse nach dem Namen des Kunden aufgeführt werden darf. Damit hat er gebilligt, dass sein Name und seine Anschrift auf dem Angebot Dritter verwendet werden. Er war aber – so behauptet er – nicht damit einverstanden unter „rechtliche Informationen“ als Anbieter angegeben zu werden.

Legt man den Vortrag des Beklagten zugrunde, dass der Beklagte nur das Fulfillment übernommen hat, macht ein Dritter durch eigene willentliche Handlung die Bilder des Klägers öffentlich zugänglich. Dass der Beklagte dann daneben Täter oder Mittäter ist, weil er billigt, dass sein Name und seine Anschrift als Versandadresse genannt werden, er aber dann ohne sein Zutun als Anbieter angegeben wird, kann nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Täterschaft nicht angenommen werden, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte von der Nutzung der Lichtbilder vor diesem Rechtsstreit überhaupt Kenntnis hatte. Deshalb kommt lediglich eine Haftung als Störer in Betracht.

Oberlandesgericht Köln, 6 U 212/19

Wieder einmal fasst dabei das OLG dann die Grundsätze der Haftung als Täter & Teilnehmer oder Störer zusammen:

Täter oder Teilnehmer

Für die Haftung als Täter oder Teilnehmer einer deliktischen Handlung wie einer Urheberrechtsverletzung gelten die strafrechtlichen Grundsätze zur Täterschaft und Teilnahme (st. Rspr.; vgl. nur BGH, EuGH-Vorlage v. 20.9.2018 – I ZR 53/17 -, juris Rn. 50 mwN – uploaded). Täter ist danach, wer die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken (BGH aaO-uploaded, mwN). Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist die Tatherrschaft (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.2015 – I ZR 88/13 -, juris Rn. 20 mwN – Al Di Meola). Danach ist Täter, wer den zum Erfolg führenden Kausalverlauf beherrscht, während als Teilnehmer verantwortlich ist, wer einem mit Tatherrschaft handelnden Dritten Hilfe leistet oder dessen Tatentschluss hervorruft. Fehlen die objektiven oder subjektiven Voraussetzungen einer Haftung als Täter oder Teilnehmer, kommt lediglich eine allein zur Unterlassung und Beseitigung verpflichtende Verantwortlichkeit als Störer in Betracht (BGH, Urt. v. 30.7.2015 – I ZR 104/14 -, juris Rn. 43 mwN – Posterlounge). Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Prüfung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen liegt. Auch dann kommt bei einer durch mehrere Personen verursachten Rechtsverletzung sowohl eine Täter- oder Teilnehmerhaftung als auch eine in Betracht (BGH, aaO, – Posterlounge, mwN). In einem solchen Fall schließt die Tatherrschaft des unmittelbar Handelnden die Annahme aus, er werde als Tatmittler von einem bloß mittelbar oder tatferner Handelnden beherrscht. In Betracht kommt in einem solchen Fall allenfalls Mittäterschaft, die eine gemeinschaftliche Tatbegehung und damit ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken voraussetzt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 10.1.2019 – I ZR 267/15 –, juris Rn. 107 mwN – Cordoba II).

Haftung als Störer

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus. Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (st. Rspr.; vgl. BGH, aaO, Rn. 82 mwN – Corodba II).

Letztlich verblieb es bei einer Störerhaftung, weil das Gericht dem Unternehmen ein „Augenverschliessen“ hinsichtlich der Rechtsbrüche attestierte:

Der Beitrag des Beklagten zum öffentlichen Zugänglichmachen beschränkt sich darauf, dass sein Name und seine Adresse als Anbieterinformationen benutzt wurden. Ohne die Angabe von Kontaktdaten wäre eine Eröffnung des Kontos nicht möglich gewesen. Zwar wäre sie unter einem anderen Namen möglich gewesen, aber darauf kommt es nicht an. Konkret betrachtet stellt nämlich, jedenfalls die Zuverfügungstellung seiner Kontaktdaten an einen möglichen Dritten einen adäquat kausalen Beitrag dar. Auch bei einem Access Provider ist dessen Leistung bei Rechtsverletzungen auf Internetseiten Dritter objektiv nicht zwingend, weil es nicht nur einen Access Provider gibt und damit auch ein anderer Provider den Zugang vermitteln könnte. Dennoch geht der BGH davon aus, dass der Access Provider an jeder Übertragung (seiner Vertragspartner) zwingend beteiligt ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14 -, juris Rn. 25 – Störerhaftung des Access-Providers).

Da der Beklagte aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung die Zustimmung gegeben hat, dass ein Dritter seine Daten auf dem -Angebot verwendet, stellt sich die Frage, ob ihn – ohne konkreten Anlass – deshalb auch eine Pflicht trifft, zu überprüfen, dass sein Vertragspartner sich im Rahmen der Vereinbarung an die Vorgaben hält. Der Fulfillment-Vertrag enthält keine Vorgaben, wie und an welcher Stelle die Daten des Beklagten zu verwenden sind. Damit wusste der Beklagte nicht, wie der Auftritt des Kunden Handelsunternehmung T. aussehen würde. Er hat sich angeblich mit seinen Kunden darauf geeinigt, dass unter „Handelsunternehmung T.“ sein Name und seine Anschrift ohne ausdrücklichen Hinweis darauf, dass er nur Postannahmestelle oder Fulfiller ist, verwendet werden dürfen. Wenn sich der Beklagte aber die Angaben auf der Seite nicht zurechnen lassen und dafür keine Verantwortung übernehmen wollte, hätte er entweder ausdrückliche Vorgaben machen müssen oder kontrollieren, dass für den Verkehr deutlich wird, dass er nicht Shopbetreiber, sondern nur Fulfillment-Unternehmer ist. Wer seine Daten freigibt und damit die Gefahr eröffnet, dass ein Dritter unter diesen Daten geschäftlich tätig wird, ohne Verbrauchern seine eigenen Kontaktdaten angeben zu müssen, muss entweder vertraglich Vorkehrungen treffen, indem er konkrete Vorgaben macht und diese ggfls. vertraglich absichert, oder er muss die Nutzung seiner Daten und damit den Auftritt des Dritten, dem er die Nutzung seiner Daten gestattet hat, kontrollieren.

Selbst wenn man eine Prüfpflicht bzw. Verkehrspflichtverletzung aus Ingerenz verneinen würde, würde eine solche Prüfpflicht jedenfalls nach Kenntniserlangung oder grob fahrlässiger Unkenntnis eingreifen, wenn man sich also der Kenntnis bewusst oder grob fahrlässig verschließt. Nach seinem Vortrag hat der Beklagte zwar vorgerichtlich keine Kenntnis vom konkreten Verstoß erlangt. Die und sonstige vorgerichtliche Korrespondenz will er ungelesen weitergeleitet haben. Da er nach seinen Angaben aber nur für Versand und Retouren zuständig sein sollte, hätte es ihm auffallen müssen, wenn ein Anwaltsschreiben per Einwurf/Einschreiben (…) zu ihm gelangt.

Jedenfalls kann der Beklagte sich nicht darauf berufen, den Anwaltsbrief nur weitergeleitet zu haben, da dieser an ihn adressiert war, obwohl der Beklagte nach seinem eigenen Verständnis nur für Retouren und den Versand von Waren zuständig war. Selbst wenn er den Brief nur weitergeleitet hätte, hätte es der üblichen Sorgfalt im geschäftlichen Verkehr entsprochen, dass er sich nach Weiterleitung des – wie beschrieben – an ihn adressierten Briefs jedenfalls umgehend bei seinem Vertragspartner über Inhalt und Anlass des Briefes und über den Grund seiner Beteiligung informiert.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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