Das Landgericht Lübeck hat sich mit der Haftung für einen Brand durch unbeaufsichtigtes Laden einer E-Bike-Batterie beschäftigt: Dieses Urteil hat erhebliche Implikationen für die Risikobewertung im Bereich der E-Mobilität und für mietrechtliche sowie deliktsrechtliche Haftungskonstellationen.
Das LG Lübeck (5 O 26/23) entschied in dem Fall, bei dem der Brand einer Halle auf das unbeaufsichtigte Laden einer E-Bike-Batterie zurückzuführen war, zu Gunsten der Eigentümer des Gebäudes: Die Klage zielte auf Schadensersatz gegen den Mieter der Halle ab, der die Batterie des E-Bikes geladen hatte. Kernfragen betrafen die Sorgfaltspflichten beim Betrieb von Elektrogeräten, insbesondere im gewerblichen Umfeld, und die Zurechnung solcher Gefahren. Hierbei wurde – unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – festgestellt, dass der Ladevorgang von Akkumulatoren bei Fahrzeugen zum Betrieb gehört, was eine weite Haftung eröffnet; wobei das LG sich auch postieren konnte, wann ein e-Bike als Fahrzeug im Sinne des StVG einzustufen ist.
Sachverhalt
Der Beklagte hatte eine Halle angemietet, um dort E-Bikes und andere elektrische Fahrzeuge zu lagern und zu verkaufen. Am Abend des 29. November 2019 ließ er ein E-Bike unbeaufsichtigt geladen zurück. In der Nacht kam es zu einem Brand, der erheblichen Schaden an der Halle sowie an weiteren Fahrzeugen verursachte.
Strittig war insbesondere:
- Ob das Ladegerät noch mit der Batterie verbunden war.
- Ob die Batterie ordnungsgemäß installiert und geprüft war.
- Inwiefern eine unzureichende Überwachung des Ladevorgangs als fahrlässig zu werten ist.
Die Kläger, die Eigentümer der Halle, verlangten Schadensersatz in Höhe von 214.793,88 € und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden. Das LG Lübeck gab den Klägern letztlich auch in wesentlichen Punkten Recht: Es verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz und stellte seine Ersatzpflicht für zukünftige Schäden fest. Das Gericht betonte die Pflicht zur Überwachung elektrischer Geräte, insbesondere solcher, die für ihre Brandgefahr bekannt sind – und erläuterte, dass jedenfalls in diesem Fall das e-Bike als Fahrzeug im Sinne des StVG einzustufen ist und der Ladevorgang zum Fahrzeugbetrieb gehört – womit die BGH-Rechtsprechung zu KfZ bei eBikes anzuwenden ist.
Rechtliche Würdigung
Haftung aus Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB)
Die Kläger stützten ihren Anspruch primär auf § 823 Abs. 1 BGB (unerlaubte Handlung). Das Gericht prüfte, ob der Beklagte die Verkehrssicherungspflichten verletzt hatte. Insbesondere wurde untersucht, ob die Nutzung der Batterie und des Ladegeräts den anerkannten Regeln der Technik entsprach. Die Batterie war ein bekanntes Sicherheitsrisiko, und der Beklagte hätte durch geeignete Maßnahmen (z. B. Überwachung während des Ladevorgangs) das Risiko eines Brandes mindern können:
Zwar kann eine Pflicht, jeden Ladevorgang eines Akkus zu überwachen, nicht angenommen werden. Bei der Vielzahl an technischen Geräte mit einem Akku, die sich in jedem Haushalt, jedem Betrieb und jeder öffentlichen Einrichtung befinden, wäre eine solche Überwachung rein praktisch nicht zu leisten und kann daher auch nicht gefordert werden. Im vorliegenden Fall bestand jedoch die Besonderheit, dass es sich bei der Aufladung, in deren Rahmen es zu einer Entzündung des Akkus kam, um die erste Aufladung des Akkus durch den Beklagten handelte, es sich nicht um Neuware handelte und der Beklagte zu den Bedingungen, unter denen der Akku zuvor benutzt, aufgeladen und gelagert worden war, keine Erkenntnisse hatte.
Der Beklagte hatte das Denzel-Bike nicht als Neuware bezogen, sondern es handelte sich um ein bereits bei der i-e-e in Betrieb genommenes Fahrzeug, dass, so der Beklagte bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren (Bl. 19 d.A.) „da schon sehr lange“ gestanden hatte. Auch war ihm weder bekannt, ob es bei der bisherigen Verwendung durch die i-e-e – etwa bei Probefahrten – zu Stürzen gekommen war, durch die eine mechanische Beschädigung der Akku-Hülle oder der in ihr enthaltenen Akku-Zellen hätte erfolgen können, oder ob der Akku vor seiner Aufladung durch den Beklagten tiefenentladen worden war. Unter diesen besonderen Umständen hätte ein besonnener und gewissenhafter E-Bike Händler (auf dessen Umsicht und Sorgfalt im Rahmen objektiv-abstrakter Bewertung abzustellen ist) den Ladevorgang bis zu seinem Ende überwacht und nach Beendigung des Ladevorgangs das E-Bike „vom Netz genommen“, das heißt, es vom Ladegerät getrennt und auch das Ladegerät vom Stromnetz getrennt.
Das Gericht stellte fest, dass die Unterlassung dieser Überwachung eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellte. Diese Pflicht umfasst die Verantwortung, Gefahrenquellen zu kontrollieren, die durch den Betrieb eines E-Bikes entstehen können.
Mietrechtliche Aspekte (§§ 535 ff. BGB)
Da der Schaden in einer gemieteten Halle auftrat, prüfte das Gericht auch, ob der Beklagte gegen seine mietvertraglichen Pflichten verstoßen hatte. Gemäß § 546 BGB ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache sorgsam zu behandeln. Die Nutzung unsicherer Geräte oder ein sorgloses Verhalten kann hier zu einer Schadensersatzpflicht führen.
Beweislastverteilung
Der Beklagte argumentierte, dass der Brand auch durch externe Faktoren verursacht worden sein könnte. Das Gericht wies darauf hin, dass bei einer typischen Gefahrenquelle (wie einem Ladegerät) der Mieter darlegen muss, dass er die gebotene Sorgfalt angewandt hat:
§ 286 ZPO verlangt vom Gericht überdies weder, dass es mit unumstößlicher Gewissheit noch mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von der Richtigkeit einer tatsächlichen Behauptung überzeugt ist. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Dass hier folglich theoretisch auch eine Fremdeinwirkung im Bereich der Batterien geeignet gewesen wäre, einen Brand zu verursachen, hindert die Überzeugung des Gerichts nicht, da es für eine solche Fremdeinwirkung keinerlei Anhaltspunkte gibt.
Der Fahrzeugbegriff nach dem StVG und seine Anwendung auf ein E-Bike
Das Gericht hat in seiner Entscheidung betont, dass den Klägern ein Schadensersatzanspruch nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) zusteht. Wesentlich für die Anwendung dieser Norm ist die Feststellung, dass das Denzel-Bike als Kraftfahrzeug im Sinne von § 1 StVG einzustufen ist. Hierbei hat das Gericht den Begriff des Kraftfahrzeugs und die damit verbundene Halterhaftung präzise ausgelegt.
Fahrzeugbegriff im StVG
Gemäß § 1 Abs. 2 StVG ist ein Kraftfahrzeug ein Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Schienen gebunden zu sein. Diese Definition umfasst:
- Fahrzeuge, die motorbetrieben sind,
- deren Fortbewegung unabhängig von Muskelkraft erfolgt.
Das Denzel-Bike erfüllt nach Ansicht des LG Lübeck diese Kriterien, da es über einen leistungsstarken Elektromotor verfügt, der eine rein maschinelle Fortbewegung ermöglicht. Es unterscheidet sich damit von herkömmlichen Fahrrädern, bei denen der Motor lediglich unterstützend zur Muskelkraft eingesetzt wird (Pedelec).
Abgrenzung zu anderen E-Bikes
Das Gericht stellt zutreffend klar, dass aber nicht gleich jedes E-Bike automatisch als Kraftfahrzeug im Sinne des StVG gilt. Entscheidend sind technische Merkmale, insbesondere:
- Die Motorleistung: Beim Denzel-Bike handelt es sich um ein Modell mit einer Leistung über der für Pedelecs zulässigen Grenze von 250 Watt.
- Die Bauweise: Das Denzel-Bike ist nicht auf eine Tretunterstützung begrenzt, sondern kann unabhängig von Muskelkraft betrieben werden.
Mit diesen Eigenschaften fällt das Denzel-Bike nicht mehr in die Kategorie „Fahrrad“ oder „Pedelec“, sondern wird nach der gesetzlichen Definition als Kraftfahrzeug eingeordnet.
Betriebsbegriff des § 7 StVG
Ein Schaden wird durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs verursacht, wenn er in einem nahen Zusammenhang mit dessen Zweckbestimmung steht. Der Begriff „Betrieb“ umfasst nicht nur das Fahren, sondern auch das Laden und Abstellen des Fahrzeugs, soweit hieraus typische Betriebsgefahren resultieren.
Das Gericht argumentiert, dass das Aufladen des Akkus eine typische Betriebshandlung darstellt, da es unmittelbar mit der Funktionsfähigkeit des Fahrzeugs verknüpft ist. Der Brand wurde somit durch eine Gefahr verursacht, die dem Betrieb des Denzel-Bikes innewohnt.
Kein Ausschluss der Haftung (§ 8 StVG)
Gemäß § 8 Nr. 1 StVG ist die Halterhaftung ausgeschlossen, wenn der Schaden auf höhere Gewalt zurückzuführen ist. Das Gericht stellt jedoch fest, dass ein technischer Defekt des Akkus oder menschliches Fehlverhalten (z. B. unsachgemäße Nutzung des Ladegeräts) keine höhere Gewalt darstellen. Diese Gefahren liegen im normalen Risikobereich des Fahrzeugbetriebs.
Ausblick
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung von Sorgfaltspflichten beim Betrieb von Elektrogeräten in gemieteten Räumen. Es unterstreicht auch die Risiken, die von Lithium-Ionen-Batterien ausgehen, und die Verantwortung der Nutzer, diese Risiken zu minimieren. In der Praxis sollten Vermieter klare Vorgaben für den Umgang mit elektrischen Geräten machen, während Mieter ihre Geräte sorgfältig prüfen und überwachen sollten.
Die Entscheidung setzt einen wichtigen Präzedenzfall im Spannungsfeld von Technologierisiken und mietrechtlicher Haftung und ist ein Weckruf für alle Beteiligten, Sicherheitsvorkehrungen im Umgang mit Batterien ernster zu nehmen.
Dass das Gericht das Denzel-Bike aufgrund seiner technischen Eigenschaften als Kraftfahrzeug im Sinne des StVG eingeordnet und dessen Betrieb als schadensursächlich angesehen hat dürfte keinen ernsthaften Bedenken begegnen! Dies zeigt, dass Halter von leistungsstarken E-Bikes ähnliche Pflichten und Haftungsrisiken tragen wie die von klassischen Kraftfahrzeugen. Die Einordnung hängt aber wesentlich von der technischen Ausstattung und der bestimmungsgemäßen Nutzung im Einzelfall ab – es gibt also viel Spielraum für Streit, wenn Schäden entstehen.
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