Grenzen der Nachahmung und die wettbewerbliche Eigenart von Produktdesigns

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Juli 2024 (6 U 131/23) behandelt die Grenzen der Nachahmung und die wettbewerbliche Eigenart von Produktdesigns. Im Mittelpunkt steht der Streit zwischen einem Fruchtsafthersteller und einer Supermarktkette, die unter einer Eigenmarke Säfte in ähnlicher Aufmachung anbot. Die Klägerin beanstandete eine Nachahmung ihrer ikonischen Saftflasche und machte lauterkeits- sowie markenrechtliche Ansprüche geltend.

Sachverhalt

Die Klägerin vertreibt seit Jahrzehnten Fruchtsäfte in einer Flasche, deren an die Form einer Ananas erinnert, inklusive markanter „Grübchen“ und einer besonderen Proportion von Flaschenhals und -bauch. Die Beklagte, eine Einzelhandelskette, führte nach der Beendigung der Geschäftsbeziehungen zur Klägerin eigene Fruchtsäfte in einer neuen Flaschengestaltung ein, die laut Klägerin wesentliche Merkmale ihrer Flasche übernahm.

Die Klägerin erhob wegen unlauterer Nachahmung (§ 4 Nr. 3 UWG), Rufausnutzung (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) und Herkunftstäuschung (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Das Landgericht wies die Klage ab, da es keine ausreichende Ähnlichkeit zwischen den Flaschen sah. Die Berufung der Klägerin blieb ebenfalls erfolglos.

Schutzrechte im Überblick

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Urheberrecht

Durch das UrhG werden eigene Schöpfungen geschützt (keine Ideen)

  • Schutz von Werken
  • persönliche geistige Schöpfung
  • Schutz von konkreter Ausdrucksform, aber kein Schutz gegen parallele Schöpfungen

Markenrecht

Schutz von Kennzeichen zur Abgrenzung von Waren oder Leistungen

  • Schutz der Unterscheidungsfunktion von Kennzeichen
  • Unterscheidungskraft ist nötig
  • Schutz gegen unbefugte Nutzung der Marke

Design

Schutz äußerlicher Erscheinung, primär nach Designrecht, aber auch nach Wettbewerbsrecht

  • Es wird die 2D/3D Form eines Objekts oder eines Teils davon bzw. seiner Dekoration geschützt
  • Eigenart und Neuheit des Designs sind nötig
  • Schutz des ausschließlichen Rechts der Benutzung inkl. Herstellen und Inverkehrbringen
  • Im UWG nach §4 Nr.3 UWG

Geheimnisschutz

Schutz wertvoller Informationen eines Betriebes

  • Schutz von Information mit Wert, die nicht allgemein bekannt ist
  • Nötig sind wirtschaftlicher Wert, Schutzmaßnahmen und berechtigtes Interesse
  • Schutz gegen unbefugte Verbreitung oder Erlangung der Information

Patent

Schutz technischer Innovation

  • Schutz einer Erfindung
  • Es muss sowohl eine „Erfindung“ im juristischen Sinne aber auch als Neuheit vorliegen
  • Umfassender Schutz gegen jegliche Nutzung

Rechtliche Würdigung

1. Wettbewerbliche Eigenart

Das OLG bestätigte, dass die Flasche der Klägerin eine durch langjährige Nutzung und hohe Umsätze gesteigerte wettbewerbliche Eigenart besitzt. Diese basiert auf:

  • der Kombination aus rundem Flaschenbauch und schlankem Hals,
  • den reliefartigen „Grübchen“, die an eine Ananas erinnern,
  • und der gedrungenen Gesamtform.

2. Nachahmung gemäß § 4 Nr. 3 UWG

Eine Nachahmung setzt voraus, dass wesentliche Gestaltungselemente eines Produkts erkennbar übernommen werden. Dabei differenziert man zwischen identischer, nahezu identischer und nachschaffender Nachahmung. Das OLG stellte fest:

  • Die Flasche der Beklagten unterscheidet sich deutlich in Form und Proportionen.
  • Das florale und die Beschriftung („100 % PET“, „E.“) prägen die Beklagtenflasche und erzeugen keinen ananasartigen Eindruck.
  • Eine nachschaffende Nachahmung lag daher nicht vor.

3. Herkunftstäuschung und Rufausnutzung (§ 14 MarkenG)

Das Gericht verneinte auch eine Herkunftstäuschung:

  • Die Flaschen unterscheiden sich im Gesamteindruck deutlich, insbesondere durch die hervorgehobene Herstellerkennzeichnung an mehreren Stellen.
  • Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass Verbraucher aufgrund der Flaschengestaltung eine Verbindung zwischen den Unternehmen vermuteten.

Hinsichtlich der Rufausnutzung wies das Gericht darauf hin, dass keine besondere Wertschätzung der der Klägerin auf die Beklagtenprodukte übertragen wurde.

4. Nachahmungsfreiheit und besondere Umstände

Das Gericht hob hervor, dass die Nachahmung nicht sonderrechtlich geschützter Produkte grundsätzlich zulässig ist, sofern keine besonderen Umstände wie eine gezielte Schädigungsabsicht oder eine systematische Nachahmung vorliegen. Diese waren im vorliegenden Fall nicht gegeben.


Schlussfolgerung

Die Entscheidung zeigt, dass Nachahmungen im Wettbewerb sorgfältig geprüft werden müssen. Für Unternehmen bedeutet dies:

  • Eine klare Abgrenzung in Design und Markenkennzeichnung ist entscheidend, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.
  • Der Schutz vor Nachahmung ist auf die wettbewerbliche Eigenart beschränkt, was keine absolute Exklusivität garantiert.

Das Resultat dieser Entscheidung verdeutlicht, dass die Nachahmungsfreiheit eine wichtige Grenze im Lauterkeitsrecht darstellt. Für das Management ergibt sich daraus die Notwendigkeit, sowohl eigene Designs rechtlich abzusichern als auch Wettbewerbsprodukte sorgfältig zu analysieren, um potenzielle Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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