Wettbewerbsrecht: Zur UWG Reform 2015

Bereits am 01.04.2015 hatte die Bundesregierung einen „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ vorgelegt. Hier findet sich in der Einleitung u.a. dies zu den Änderungen:

Obgleich die Rechtsanwendung im Bereich des Lauterkeitsrechts in Deutschland den Vorgaben der 2005/29/EG entspricht, besteht bei einzelnen Punk- ten noch Klarstellungsbedarf (…) Mit dem Gesetzentwurf sollen die entsprechenden klarstellenden Anpassungen im UWG vorgenommen werden. Dadurch werden die in der Richtlinie 2005/29/EG enthaltenen Regelungen für den Anwender bereits aus dem Wortlaut des UWG ersichtlich.

Es klingt also nach nur oberflächlichen, lediglich „klarstellenden“ Änderungen, die hier vorgenommen werden sollen. Tatsächlich aber handelt es sich um eine beachtliche Reform des Wettbewerbsrechts mit gleich mehreren spürbaren Auswirkungen.

Inzwischen wurde – im November 2015 – durch den Bundestag die Gesetzesänderung des UWG beschlossen. Allerdings wurden ganz erhebliche Änderungen durch die Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vorgenommen. Es steht aus meiner Sicht eine umso mehr erhebliche Veränderung des Wettbewerbsrechts im Raum. Dabei ist aus meiner Sicht zu sehen, dass die Bagatellgrenze bzw. der Anwendungsbereich von Unterlassungsansprüchen eher angehoben als gesenkt wurde. Die Entwicklung sollte insbesondere in derzeit laufenden Gerichtsverfahren beachtet werden.

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich alleine auf den ursprünglichen Entwurf. Nachdem ich die verkündete Fassung aufgearbeitet habe erfolgt ein gesonderter Bericht.

Update: Am 9.12.2015 wurde die UWG-Reform 2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt somit am 10.12.2015 in Kraft!

Zentraler Begriff der fachlichen Sorgfalt

Es beginnt bereits damit, dass der bisherige §3 UWG vollständig neu gefasst wird. Die bisherige Klausel im Absatz 1

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.

hat ihre Zeit hinter sich. Nunmehr soll dort stehen

Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

Es folgt sodann eine Definition der Unlauterkeit einmal hinsichtlich Verbraucher (Absatz 2) und hinsichtlich Unternehmer (Absatz 3), es wird also nunmehr endlich scharf und klar zwischen Handlungen gegenüber Verbrauchern und Unternehmern unterschieden. Dabei wird jeweils zentral an den Begriff der „fachlichen Sorgfalt“ angeknüpft, gegen den verstossen werden muss; dies in Kombination mit jeweils weiteren Kriterien. Ebenfalls im §4 UWG soll die „fachliche Sorgfalt“ als Anknüpfungskriterium genutzt werden.

Stärkere Korrektur bei Wettbewerbsverstößen?

Tatsächlich findet sich ein erneuter Anlauf, um die Möglichkeit eines Korrektivs bei Bagatellverstößen zu schaffen. Bisher findet sich in §3 Abs.1 UWG die zentrale Feststellung, dass Interessen „spürbar“ beeinträchtigt sein müssen. Hier hätte die Rechtsprechung die Möglichkeit gehabt, ein Korrektiv zu entwickeln, um nicht jeden kleinen UWG-Verstoss zu harten Sanktionen zu führen. Tatsächlich aber zeigt sich, dass wir uns hin zu einem formalisierten UWG-Recht entwickelt haben, das mit der Lebenswirklichkeit nichts zu tun hat.

Der nun vorliegende Entwurf ändert das in meinen Augen: Das Spürbarkeitskriterium verbleibt zwar bei Verstößen gegenüber Unternehmen. Bei Verbrauchern aber spielen nicht mehr „Interessen“ eine Rolle, die „spürbar“ betroffen sein müssen, sondern nun müssen UWG-Verstöße „geeignet sein, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen“. Das ist eine sehr viel höhere Schwelle als bisher und bietet die Möglichkeit, unwesentliche UWG-Verstöße auszuklammern, die sich bei Verbrauchern faktisch nicht auswirken.

„Neu“: Aggressive Geschäftspraktiken

Entsprechend dem EU-Recht wird ein neuer §4a UWG eingefügt, der aggressive GEschäftspraktiken sanktioniert, die inhaltlich dem bisherigen §4 Nr.1,2 UWG entsprechen, aber nun nochmals detaillierter daher kommen. Interessant ist dabei insbesondere, dass das Ausnutzen von Marktmacht eine aggressive Geschäftspraktik sein soll (§4a Abs.1 Nr.3 UWG-E), was sicherlich ganze Aufsätze zur Abgrenzung zum Kartellrecht schaffen wird. Insgesamt tue ich mich derzeit an einigen Stellen schwer mit der Differenzierung zwischen einzelnen tatbeständen des §4 UWG und des neuen §4a UWG-E.

Klarer formuliert: Informationspflichten

§5a UWG soll klarer formuliert und besser strukturiert werden. Für das ergeben sich hier weiterhin Vorgaben, die man im Blick haben sollte:

„(2) Unlauter im Sinne des § 3 Absatz 1 handelt, wer dem Verbraucher eine Information vorenthält,
1. die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände wesentlich ist,
2. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und
3. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veran- lassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als Vorenthalten gilt auch
1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen,
2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise,
3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen oder
4. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in einer Weise, die den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt.“

Fazit

Dies ist nur ein erster kurzer Ausblick, zumal noch in den Sternen steht, was mit diesem Entwurf geschehen wird. Der Entwurf hat dabei schon herbe Kritik einstecken müssen (dazu etwa Köhler in WRP 3/2015, S.275) und das auch nicht zu Unrecht. Dogmatisch ergeben sich vielzählige Fragen, auch wenn man durchaus der Meinung sein kann, dass das neue Gefüge der §§3, 4 UWG durchaus nun stimmiger werden würde. Wünschenswert wäre es gewesen, deutlicher zu machen, dass nicht jeder noch so kleine (theoretische) UWG-Verstoss gleich von Mitbewerbern zur genutzt werden kann, es bleibt abzuwarten, was sich hier in der Rechtsprechung tut – oder nicht tut. In jedem Fall spannend dürfte es werden, wie das Kriterium der „fachlichen Sorgfalt“ sich auswirkt, da neben den Beispielen des dann umformulierten §4 UWG weiter zu fragen wäre, welche Sorgfaltsanforderungen (aus welchen Quellen) im jeweiligen Unternehmensbereich relevant sind.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
Letzte Artikel von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht) (Alle anzeigen)
Benutzerbild von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht. Beachten Sie unsere Tätigkeit im Steuerstrafrecht, digitaler gewerblicher Rechtsschutz, IT-Sicherheitsrecht sowie Softwarerecht.