Wettbewerbsrecht: Wann sind Waren „neu“?

Beim (41 O 60/14) ging es um eine scheinbar einfache Frage: Wann sind Waren neu? Hintergrund waren hier Kugellager, die 20 Jahre alt waren, aus einer Lagerauflösung stammten und noch original verpackt bzw. ungebraucht waren. Aber eben 20 Jahre alt. Der Anbieter, der die Kugellager auf mit dem Zusatz „neu“ beworben hat wurde wegen irreführender Werbung in Anspruch genommen und das Landgericht Aachen musste sich nun fragen, ob dies „neue“ Kugellager waren oder nicht. Dies hat das Landgericht letztlich verneint, wobei das vorliegende Verfahren auch prozessual von Interesse ist.

Zur Begrifflichkeit „neu“

Die Entscheidung des Landgerichts ist verständlich und bedarf keiner Kommentierung (wer es kurz mag blickt ans Ende):

Die Artikelbeschreibungen mit „neu“ in Bezug auf die beiden zum Verkauf angebotenen Kugellager, welche tatsächlich vor mehr als 20 Jahren hergestellt und in der Folge unter unbekannten Bedingungen gelagert worden sind, stellen zur Täuschung geeignete Angaben im Sinne von § 5 I 2 Nr. 1 UWG dar.

Eine Angabe ist zur Täuschung geeignet, wenn die durch das Angebot angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der getätigten Aussage eine Fehlvorstellung entwickeln.

Wenn ein Artikel als „neu“ deklariert wird, ist aus Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Kunden davon auszugehen, dass der Artikel fabrikneu ist. Als fabrikneu kann eine Ware jedoch nur gelten, wenn sie noch nicht benutzt worden ist, durch Lagerung keinen Schaden erlitten hat und nach wie vor in der gleichen Ausführung hergestellt wird (OLG Saarbrücken, v. 2.04.2014 – 1 U 11/13; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, § 5 UWG, Rn. 4.61, 32. Aufl. 2014).

Die Beschreibung der streitgegenständlichen Kugellager als „neu“ ist geeignet, den Durchschnittskunden über den Zeitpunkt der Herstellung der Kugellager und damit über ein wesentliches Merkmal der Ware im Sinne von § 5 I 2 Nr. 1 UWG zu täuschen.

Die Bezeichnung „neu“ in Bezug auf die Kugellager ermöglicht, über die Funktionsfähigkeit bzw. über die Zwecktauglichkeit und Verwendungsmöglichkeit der beiden Kugellager als wesentliche Merkmale derer zu täuschen und eine diesbezügliche Fehlvorstellung beim Verbraucher hervorzurufen.

Die Neuheit ist bei angebotenen Waren oder Dienstleistungen ein beachtliches Werbeargument. Der Verkehr rechnet hier gegebenenfalls mit Qualitätsvorteilen und neigt dazu, das neue Produkt dem Alten vorzuziehen, vergleiche BGH GRUR 1968,433,437.

Ausdrücke, die auf die Neuheit der angebotenen Ware oder Leistung hindeuten, müssen wahr sein

Die Änderung, auf die sich eine solche Werbung bezieht, darf aber auch zeitlich nicht allzu lange zurückliegen, dass beim Publikum der irrige Eindruck entstehen kann, die Neuerungen sei gerade erst eingetreten (So: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Auflage, § 5 Rn. 4.58).

Im Fall ist es aber so, dass der Beklagte Kugellager angeboten hatte, die bereits Anfang der Achtzigerjahre hergestellt worden sind, jedenfalls ist der entsprechende Vortrag des Klägers nicht bestritten worden. Mit Hinweis darauf, dass die Lager neu seien, führte der Beklagte über diesen Umstand irre. Kein potentieller Käufer geht davon aus, dass, wenn wie in der Ankündigung des Beklagten der Artikelzustand mit neu, und benutzt und unbeschädigt beschrieben wird und dabei der Begriff neu dreimal in verschiedenen Anwendungen genutzt wird, es sich um Ware handelt, die vor mehr als 20 Jahren hergestellt werden.

Das ist im Ergebnis korrekt. Wer quasi ungebrauchte Ware die schlicht seit Jahrzehnten gelagert ist, anpreisen möchte, der muss halt klar machen, dass es sich hier um Lagerware handelt die ein gewisses Lageralter aufweist. Jedenfalls für sich ist die Begrifflichkeit „neu“ hier im Fehl am Platz. Wer dann etwas als „neu“ bewirbt, obwohl es schlicht „ungebraucht“ ist, der kann auch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Prozessuale Frage: Lagerschäden

Mir erschliesst sich inhaltlich nicht warum, aber das Landgericht setzt sich im weiteren sehr lange mit der Frage möglicher Lagerschäden auseinander. Zwingend notwendig ist das m.E. nicht, da bereits obige Argumentation in sich abgeschlossen ist: Wer ein „neues“ Produkt kauft, erwartet kein 20 Jahre altes Produkt, das zwar ungebraucht ist aber vielleicht gar nicht mehr in dieser konkreten Form hergestellt wird (insoweit sei an die rigide Rechtsprechung des BGH zur Bewerbung von Auslaufmodellen erinnert). Gleichwohl ist es am Rande nett, da sich hier nun eine prozessuale Frage stellt.

Es geht um Folgendes:

Jedenfalls geht er [der Kläger] angesichts der konkreten Ausgestaltung der Werbung davon aus, dass die Gefahr von Lagerschäden der Lager ausgeschlossen ist. Einen solchen Ausschluss gibt es jedoch hier nicht.

Die Idee war klar: Wenn die Kugellager einfach nur im Lager herumliegen, verändern sie sich nicht und bleiben damit „neu“. Das ändert nichts an obiger Argumentation bzw. berührt diese nicht einmal, insoweit war es ein Griff am Thema vorbei.

Dass das Gericht dann doch darauf eingeht ist nett, führt aber schnell ebenfalls an der Sache vorbei. So wird im Urteil ausgeführt:

Es ist allgemein bekannt und bedarf keines Sachverständigengutachtens, dass bei einer solch langen Lagerung bei fast jedem Produkt die Gefahr von Lagerschäden droht.

Diese Erklärung ist nutzlos, wenn wenn bei „fast jedem“ Produkt die Gefahr eines Lagerschadens droht, ist damit nicht gesagt, ob bei diesem konkreten Produkt nun auch zwingend (!) ein Lagerschaden zu erwarten ist und ob dies dann ein zwingender (!) Grund ist, damit die Neuwertigkeit in Frage zu stellen (das ist es eben nicht, da es sich mit obiger Argumentation ja bereits nicht um „neue“ Waren handelt). Letztlich ist die Ausführung hier bereits für mich Fehlgeleitet, da man nur umgekehrt argumentativ etwas gewinnen könnte, wenn man ein Sachverständigengutachten zu der Frage einholt dass alle denkbaren Produkte immer zwingend bei längerer Lagerung mit einem Lagerschaden einhergehen (ein solches Gutachten wäre bezogen auf die Beweisfrage zu unkonkret). Die richtige Frage ist: Ist bei einem Kugellager, das ordnungsgemäß verpackt und gelagert ist, zwingend von der Gefahr eines Lagerschadens auszugehen UND ist dies, im Vergleich zu der Wahrscheinlichkeit eines Schadens bei kürzerer Lagerung, signifikant? Denn alleine die Gefahr eines Lagerschadens, unabhängig vom Zeitablauf, kann kein Kriterium sein, da ansonsten jegliche gelagerte Ware automatisch nicht mehr „neu“ ist, wenn sie nicht quasi direkt aus der Fertigung heraus abgekauft wird. An dieser Stelle zeigt sich somit, dass die aufgeworfene Frage – ob nun von Kläger,Beklagtem oder Gericht aufgeworfen – letztlich vollkommen fehl geht.

Das Gericht geht dann aber weiter nach und kommt nun zur Frage der :

Im Fall kommt konkretisierend hinzu, dass der Kläger, der für das Vorliegen der Irreführung beweispflichtig ist, darlegt, dass im Laufe der Jahre die Lager verharzen und korridieren können mit der Folge, dass ihre Verwendung eingeschränkt ist.

Diesen Vortrag kann der Beklagte nicht pauschal mit Nichtwissen bestreiten. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, § 138 Abs. 4 ZPO.

Hier war es aber der Beklagte bzw. sein Rechtsvorgänger, sein Vater, der die Kugellager in Verwahrung hatte. Da es nahe liegt, dass bei einer langfristigen Lagerung Kugellager bzw. die in ihnen enthaltenden Eisenteile korridieren und die anhaftenden Öle bzw. Fette verharzen, trifft den Beklagten als Einlagerer eine sekundäre Darlegungspflicht, wieso die von der Klägerseite konkret vorgetragene Gefahr der Lagerschäden hier nicht eingetreten ist, z.B. weil besonderer Lagermethoden angewandt worden sind. Dies gilt umso mehr, als den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist, dass der ursprüngliche Einlagerer, sein Vater, verstorben ist, was die Gefahr, dass danach, weil das Gewerbe als Ganzes nicht vom Beklagten fortgeführt worden ist, hinsichtlich der Einlagerungsbedingungen die erforderliche Sorgfalt nicht eingehalten worden ist, erhöht. Auch fehlt jeglicher Vortrag dazu, ob der Beklagte über die gleiche Kompetenz zur Einlagerung in der Kugellager verfügte wie sein Rechtsvorgänger, der das Lager im Rahmen seines Geschäftsbetriebes führte und deshalb über die entsprechende Sachkunde verfügt haben mag.

Insoweit findet sich in dem Tatbestand des Gerichts zum Vortrag des Klägers:

Der Kläger behauptet, die sichere Verwendung der Kugellager sei nicht mehr gewährleistet, da Kugellager im Laufe der Jahre verharzten und korrodierten.

Die hier nun im Raum stehende Frage ist durchaus prozessual spannend. Vielleicht hat sie der Beklagte auch gesehen und ganz bewusst von einem Beweisangebot abgesehen, etwa weil er bei einem Sachverständigengutachten Angst vor den damit verbundenen Kosten hat – dies sei hier dahin gestellt. Es ist aber durchaus fragwürdig, wenn hier nun konkret die Beweislast trifft. Richtig ist, dass den Kläger die Beweislast dafür trifft – sofern man überhaupt den Punkt als notwendig ansieht – dass die Lager wie von ihm behauptet bei Lagerung korrodieren. An dieser Stelle beisst sich in der Argumentation dann die Katze in den eigenen Schwanz: Weil der Kläger dargelegt (nicht bewiesen!) hat, dass Lager korrodieren, soll der Beklagte darlegen, warum das bei ihm nicht der Fall ist. Und weil die Lager bei ihm in der Garage liegen, genügt hier auch kein einfaches Bestreiten. Das klingt zuerst passend, im Detail aber sehe ich es kritisch (wenn auch nicht abwegig).

Meines Erachtens wurden hier diverse Fragen durcheinander geworfen: So muss der Kläger überhaupt erst einmal entweder den Beweis antreten, dass Lager zwingend immer, unter allen Umständen korrodieren/verharzen; oder die Situationen unter Beweis stellen, unter denen solche Effekte eintreten (eine Verharzung setzt etwa grundsätzlich Luftkontakt voraus). Alleine der Vortrag, dass immer und unbedingt derartige Effekte bei einer Lagerung auftreten – und dann noch ohne zeitliche Kompenente – ist aber seinerseits zu unbestimmt. Wer dem dennoch folgt, wie das Landgericht, der erreicht dann nämlich, dass den Beklagten eben nicht die Darlegungslast der Lagerung trifft, sondern er muss nun seinerseits klären, wann überhaupt solche Effekte auftreten können und inwieweit seine Lagerung hiermit korrespondiert. Die vollständige Beweislast des Klägers wird hier am Ende auf den Beklagten abgewälzt mit der zusammengefassten Argumentation, dass ja „bei fast jedem Produkt Lagerschäden auftreten“ und er vorliegend darlegen muss wie er gelagert hat ohne dass auch nur einmal zu der Frage Beweis erhoben wurde, ob wirklich zwingend bei Kugellagern Korrosion/Verharzung zu erwarten sind wenn die Lagerung nur lang genug ist. Vermutungen und reine Behauptungen führen dann im Ergebnis dazu, dass der Beklagte die vollständige Beweislast trägt, wobei dann die „Kugellager korridieren/verharzen im Allgemeinen bei langer Lagerung“ vermischt wird damit, dass die Kugellager des Beklagten hier verharzt sind.

Letztlich war es (wenn es übersehen wurde) ein prozessualer Fehler, hier nicht wenigstens vorsichtshalber entsprechende Beweise anzubieten. Meines Erachtens traf die Beweislast am Ende weiterhin die Klägerin, die ihre (streitbare) Tatsachenbehauptung ohne Umwege durch schlichtes Vortragen in den Prozess einführte, doch man sieht am Ergebnis, dass gerade in Wettbewerbsprozessen jeder einzelne Tatsachenaspekt mit einem Beweisangebot einher gehen sollte.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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