Wettbewerbsrecht: Irreführende Formulare die über Branchenbucheintrag täuschen sind zu unterlassen

Bereits im Jahr 2014 hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf (I-15 U 43/14) entschieden, das zwar ein bei systematisch täuschenden Schreiben besteht, die den Eindruck offizieller Anschreiben erwecken. Allerdings muss sauber geprüft werden, ob der auch aufrecht erhalten wird:

Versendet ein Gewerbetreibender planmäßig und systematisch Formulare an Gewerbetreibende, die den irreführenden Eindruck erwecken, von einer amtlichen Stelle zu stammen, welche Daten von Gewerbetreibenden erfasst, so ist die Versendung von Nachfolgeschreiben, mit denen Forderungen aus den durch die Unterzeichnung der Formulare nach Ansicht des Versenders zu Stande gekommenen Verträgen geltend gemacht werden, dann nicht unlauter, wenn durch sie der ursprüngliche Eindruck, es handele sich um das Schreiben einer Behörde oder einer im Auftrag der Behörde handelnden Stelle, beim Empfänger nicht mehr aufrecht erhalten wird, wenn der Empfänger bei Erhalt des Nachfolgeschreibens also bemerkt, dass seine Unterschrift auf dem Formular als die Annahme einer privatwirtschaftlichen Vertrages gewertet wurde. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn die Vertragsabwicklung nicht als Teilnahme an einem in der Versendung des Ausgangsformulars liegenden zu werten ist.

Hinweis: Die Entscheidung ist angeblich weiterhin nicht rechtskräftig, das Thema also weiterhin aktiv. Grundsätzlich kann man hieraus allerdings einiges an Verteidigungspotential für den Fall der Täuschung durch Branchenbuchabzocke ziehen.

Aus der Entscheidung:

So handelt ein Gewerbetreibender auch bei der Durchsetzung von Verträgen wettbewerbswidrig, wenn er durch täuschende Gestaltungen von Bestellformularen systematisch und fortlaufend das Zustandekommen von Verträgen auch und gerade als Folge der Irreführung anstrebt, wenn die Durchsetzung nicht auf Einzelfälle beschränkt, sondern gleichfalls fortlaufend betrieben wird und wenn er dabei nicht in geeigneter Weise über die Art des Zustandekommens und über die dabei begründete Irrtumsmöglichkeit aufklärt (BGH, GRUR 1994, 126 – Folgeverträge I; BGH, GRUR 1995, 358, 360 – Folgeverträge II). Denn die Schutzfunktion des Wettbewerbsrechts würde vernachlässigt, wenn ein Wettbewerbsteilnehmer systematisch die Früchte auch aus einer Vielzahl von solchen Verträgen ziehen könnte, deren Zustandekommen er durch – ebenfalls ganz systematische und zielgerichtete – Täuschungshandlungen bewirkt hat und deren Fortbestand auch allein darauf zurückzuführen ist, dass er die verursachte Täuschung auch bei der Durchführung des Vertrags durch konkludentes Verhalten aufrechterhält. Wenn ein solches Vorgehen nicht vereinzelt, sondern systematisch und im Rahmen bzw. als Teil eines von vornherein auf Täuschung der angesprochenen Kreise angelegten Geschäftskonzepts erfolgt, verstößt es gegen den Verhaltenskodex eines den Anforderungen des Leistungswettbewerbs gerecht werdenden Kaufmanns; es verdient die Missbilligung sowohl verständiger Verkehrskreise als auch der Allgemeinheit und unterfällt daher dem Verbot des § 3 Abs. 1 UWG (BGH, GRUR 1994, 126, 127 – Folgeverträge I; BGH, GRUR 2001, 1178, 1180 – Gewinn-Zertifikat; BGH, GRUR 1998, 415, 417 – Wirtschaftsregister; OLG Frankfurt, GRUR 1978, 720 – Folgeverträge; OLG Hamm, NJW-RR 1993, 871; OLG München, Urteil vom 16.05.2013, Az. 6 U 3854/12, S. 8 f., (Anlage K 20); LG München, Urteil vom 23.05.2013, Az. 17 HK O 1479/12, S. 10 (Anlage K 20); LG Freiburg, Urteil vom 18.07.2008, Az. 12 O 25/08, S. 7 f. (Anlage K 16); Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 2 Rn. 73).

Erforderlich ist demnach, dass das Zustandekommen von Verträgen fortlaufend, systematisch und zielgerichtet gerade als Folge einer Irreführung angestrebt wird (1), dass die Durchsetzung der Verträge gleichfalls fortlaufend betrieben wird (2) und dass bei der Durchsetzung nicht in geeigneter Weise über die Art des Zustandekommens und über die dabei begründete Irrtumsmöglichkeit aufgeklärt wird, so dass der Fortbestand der Verträge darauf zurückzuführen ist, dass die verursachte Täuschung auch bei der Durchführung des Vertrags durch konkludentes Verhalten aufrechterhalten wird (3). Schließlich muss das Vorgehen im Rahmen eines von vornherein auf Täuschung der angesprochenen Kreise angelegten Geschäftskonzepts erfolgen. (…)

Allerdings erhält die Beklagte zu 1) nicht die durch das Ausgangsformular verursachte Täuschung auch bei der Durchführung des Vertrages durch konkludentes Verhalten aufrecht. Wie der BGH ausdrücklich betont, kommt es für den Unwertcharakter der Vertragsdurchsetzungshandlung aber ganz entscheidend darauf an, ob der Fortbestand der Verträge allein darauf zurückzuführen ist, dass der Gewerbetreibende die verursachte Täuschung auch bei der Durchführung des Vertrages durch konkludentes Verhalten aufrecht erhält (BGH, GRUR 1994, 126, 127 – Folgeverträge; BGH, GRUR 1995, 358, 360 – Folgeverträge II („Irreführung wirkt fort“)). Die Geltendmachung von Forderungen sei zu unterlassen – so der BGH – wenn nicht sichergestellt werden kann, dass die Forderungen nicht unter dem fortwirkenden Eindruck der Irreführung erfüllt werden (BGH, GRUR 1998, 415, 417 – Wirtschaftsregister). Der Irrtum, dem der Empfänger bei Vertragsschluss erlegen ist, „schlägt“ also dann auf die Vertragsdurchsetzung „durch“ und macht diese dadurch selbst unlauter, wenn die Vertragsdurchsetzungshandlung ihren Beitrag dazu leistet, dass der Sachverhalt, der zum Vertragsschluss geführt hat, dem Empfänger gegenüber nicht aufgedeckt wird. In dem vom BGH zu entscheidenden Fällen lag die Irreführung bei Vertragsschluss jeweils darin, dass der Empfänger ein rechnungsähnlich aufgemachtes Schreiben erhielt, das ihn zu der falschen Annahme führen sollte, er haben einen Vertrag mit dem Absender bereits zuvor geschlossen. Wenn mit den Folgeschreiben, die Gegenstand der BGH-Entscheidungen waren, dann Beträge für Folgezeiträume geltend gemacht wurden, dann wurde auch hier nicht darüber aufgeklärt, dass der Vertrag in Wahrheit erst durch die Bezahlung der ersten Rechnung – ob wirksam oder nicht – Stande gekommen war. Der Empfänger wurde demnach auch bei Erhalt des Folgeschreibens in dem Glauben gelassen, es handele sich um eine Zahlung, die aufgrund eines in der Vergangenheit, also noch vor Erhalt der ersten Rechnung, geschlossenen Vertrages fällig wird. Da den Empfängern der Sachverhalt, der die vermeintliche Zahlungsverpflichtung begründet hatte, demnach bis zum Schluss nicht deutlich wurde, trug auch die Vertragsdurchsetzungshandlung dazu bei, dass der Vertrag von den Empfängern nicht beendet wurde, weil diese die Geltung eines „Ursprungsvertrages“ unterstellten, diesen aber nicht in ihren Unterlagen finden konnten. Aus demselben Grund wurde auch verhindert, dass einzelne Empfänger den Weg einer Anfechtung ihrer Willenserklärung gemäß §§ 119 ff BGB wählten (vgl. BGH, GRUR 1994, 126, 127 – Folgeverträge). (…)

Vorliegend wirkt der durch das Ausgangsformular verursachte Irrtum aber bei Vertragsdurchführung nicht mehr fort, und er wird durch die Vertragsdurchführung auch nicht konkludent aufrecht erhalten. Wie unter I. 1. b) ausgeführt, liegt die durch das Ausgangsformular verursachte Irreführung darin, dass dem Adressaten suggeriert wird, er habe ein amtliches oder quasi-amtliches Formular vor sich, auf dem er seine Daten für ein öffentliches Register zu bestätigen habe, ohne dass dadurch eine kostenauslösende Vertragsbindung zu einem Privatunternehmen entstehen würde. Dieser Irrtum wird durch die Versendung der Nachfolgeschreiben im Namen der Beklagten zu 1) weder ausdrücklich noch konkludent aufrecht erhalten. In dem Moment, in dem der Adressat eine Rechnung bzw. Mahnungen von demjenigen Absender erhält, bei dem er zuvor seine Daten bestätigt hat, wird vielmehr deutlich, dass seine Unterschrift als die Annahme eines privatrechtlichen Vertrages gewertet wurde. Der Irrtum, er habe Kontakt zu einer Behörde oder mit einer für das Gewerberegister handelnden Stelle gehabt, kann zu diesem Zeitpunkt nicht mehr fortbestehen. Denn dass es sich um Rechnungen bzw. Mahnschreiben eines Unternehmens handelt und nicht um einen Gebührenbescheid, ist für Gewerbetreibende als die hier maßgeblichen Verkehrskreise, denen aus ihrer geschäftlichen Tätigkeit sowohl Bescheide als auch private Rechnungen geläufig sind, unübersehbar. Vorliegend liegt der Fall also nicht so, dass der Empfänger bei Unterzeichnung des Ausgangsformulars von einem vorbestehenden Vertrag ausgeht, über deren Nichtbestehen er dann durch die Nachfolgeschreiben erneut nicht aufgeklärt würde, wie es bei einem rechnungsähnlichen oder korrekturabzugsähnlichen Ausgangsschreiben der Fall wäre.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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