Wann ist ein Medikament ein zulassungspflichtiges Arzneimittel

Wann ist ein Medikament ein zulassungspflichtiges im Sinne des § 21 Abs. 1 AMG? Das (6 U 101/16) konnte sich für diese, für Apotheken immer wieder spannenden Frage, geht umfassend äussern, wobei Apotheken gerne darauf abstellen, ob eine Medikament individuell gefertigt wird. Das aber ist es nicht alleine, wie das OLG klarstellt, denn alleine dass das Medikament durch die gefertigt wird hindert nicht, dass es als ein zulassungspflichtiges Arzneimittel einzustufen ist!

Wenn es nämlich nicht für den einzelnen Patienten nach ärztlicher Anordnung hergestellt wird, sondern für alle potentiellen Kunden beworben ist, die das Arzneimittel sodann bundesweit erwerben können und es auch in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Verpackung vertrieben wird, dann liegt ein zulassungspflichtiges Arzneimittel vor.

Aus der Entscheidung des Gerichts:

Die Annahme, dass es sich bei dem Spray um ein Fertigarzneimittel handelt, setzt voraus, dass die Herstellung „im Voraus“ erfolgt. Wann eine Herstellung im Voraus vorliegt, lässt sich der Norm nicht entnehmen. Dies spricht entsprechend dem Wortlaut der Norm dafür, dass eine Herstellung in einer Apotheke dann nicht unter die Norm fällt, wenn es – wie hier – erst hergestellt wird, nachdem die Bestellung erfolgt ist. Gegen dieses Verständnis des Begriffs „im Voraus“ spricht aber der Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn die Zulassungsvorschrift des § 21 AMG soll die Arzneimittelsicherheit durch eine materielle präventive Kontrolle des Arzneimittelverkehrs verbessern. Daher kommt es auf die Frage der Lagerhaltung nicht an. Vielmehr sollen im Einzelfall und auf besondere Bestellung hergestellte Arzneimittel aus der Definition des Fertigarzneimittels ausgeschlossen werden (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand Feb. 2016, § 4 AMG Rn. 3a).

Auch die Systematik des Gesetzes spricht für diese Auslegung. Denn ausdrücklich ausgenommen von der Zulassungspflicht werden gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG Defektur- und Rezepturarzneimittel. Einer solchen Ausnahme bedürfte es nicht, wenn allein das zeitlich nach einer Bestellung erfolgte Herstellen bereits dazu führte, dass ein Arzneimittel nicht als Fertigarzneimittel angesehen würde. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Bestimmung der Frage, ob ein Fertigarzneimittels vorliegt, in Abgrenzung zum Defektur- oder Rezepturarzneimittel (vgl. OLG Köln, Urteil vom 21.03.2003 – 6 U 160/02, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 25.07.2002 – 3 U 322/01, MD 2003, 205; Winnands in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, § 21 Rn. 17; Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 21 Rn. 1, 3 f.; wohl auch OLG München, Urteil vom 06.05.2010 – 29 U 4316/09, GRUR-RR 2011, 107; aA OLG Schleswig, Urteil vom 27.11.2001 – 6 U 57/01, OLGR 2002, 75). Diese sind wiederum von der Zulassungspflicht ausgenommen, weil sie – nach ärztlicher Anordnung – für einen einzelnen Patienten hergestellt werden.

Für diese Auslegung spricht auch, dass § 3a Satz 1 HWG die Umsetzung von Art. 87 der 2001/83/EG darstellt, nach der Mitgliedsstaaten Öffentlichkeitswerbung untersagen für Arzneimittel, für dessen Inverkehrbringen keine Genehmigung vorliegt. Das europäische Recht kennt die Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Fertigarzneimittel nicht. Insbesondere wird eine solche in der Richtlinie 2001/83/EG nicht vorgenommen. Dennoch wiederspricht die im AMG vorhandene Differenzierung nicht der Richtlinie 2001/83/EG. Denn in dieser wird in Art. 1 Nr. 2 der Arzneimittelbegriff und in Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 der Anwendungsbereich der Richtlinie geregelt, aus dem sich der Fertigarzneimittelbegriff des deutschen Rechts herleiten lässt (vgl. Winnands in /Müller/Hofmann aaO, § 21 Rn. 12; Kloesel/Cyran aaO, § 21 Rn. 3 f.).

In Art. 1 Nr. 1 RL 2001/83/EG ist geregelt, dass Arzneimittel alle Stoffe und Stoffzusammensetzungen sind, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet werden. Art. 2 der RL 2001/83/EG bestimmt, dass die Richtlinie für gewerblich zubereitete Humanarzneimittel, die in den Mitgliedsstatten in Verkehr gebracht werden sollen, anzuwenden ist. Sodann werden durch Art. 3 Nr. 1 und 2 RL 2001/83/EG bestimmte Zubereitungsformen in der Apotheke von der Anwendung der Richtlinie ausgenommen. Eine rein auf den Zeitpunkt der Herstellung abstellende Auslegung des Begriffs „im Voraus hergestellt“, würde der Richtlinie daher widersprechen.

Soweit aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Alt. 2 AMG zum Ausdruck kommen könnte, dass auch von der ersten Alternative nur solche Arzneimittel erfasst sein sollen, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. § 4 Abs. 1 formuliert, dass Fertigarzneimittel ein Arzneimittel ist, dass im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in Verkehr gebracht wird oder andere zur Abgabe an den Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt. Dabei bezieht sich die Begrifflichkeit „in sonstiger Weise“ in der Formulierung nicht auf die erste Alternative, die ein Fertigarzneimittels definiert. Vielmehr ist lediglich im Rahmen der zweiten Alternative zu prüfen, ob bei der Zubereitung oder in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt (vgl. Kloesel/Cyran aaO, § 4 AMG Rn. 7).

Dies ergibt sich bereits aus der amtlichen Begründung des Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes entsprechend dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 19.04.2005 (BT-Drucks. 15/5316). Denn der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der weiteren Alternativen den Begriff des Fertigarzneimittels in Anpassung an die geänderten Richtlinien erweitern, soweit eine industrielle Herstellung erfolgt (vgl. Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetztes, BT-Drucks. 15/5316, S. 33).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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