Spürbarkeit von Wettbewerbsverstoss bei Vorenthalten wesentlicher Information

Spürbarkeit im Wettbewerbsrecht bei Vorenthalten wesentlicher Information: Besteht im Wettbewerbsrecht ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung darin, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird, ist dieser mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur dann spürbar im Sinne des § 3a UWG, wenn der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer andernfalls nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen.

Bis zur UWG-Reform 2016 war es noch so, dass der BGH in ständiger Rechtsprechung angenommen hatte, dass das Erfordernis der Spürbarkeit (§ 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG aF) ohne weiteres dann erfüllt ist, wenn dem Verbraucher Informationen vorenthalten werden, die das Unionsrecht als wesentlich eingestuft hat. Hiervon rückte der nach der UWG-Reform ab. Wenn ein Unternehmer geltend macht, dass der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten der Information ihn nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft diesen insoweit eine sekundäre Darlegungslast.

Spürbarkeit ist trotz notwendiger Geeignetheit von Relevanz

Der Bundesgerichtshof (I ZR 110/15) konnte dabei schnell klarstellen, dass die Neuformulierung des §5 UWG und der Verweis auf die „Geeignetheit“ keine Änderungen in der Rechtslage herbeiführen, es insgesamt bei der Prüfung der Spürbarkeit verbleibt:

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist am Ende des § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG mit Bezug auf die irreführende geschäftliche Handlung der Relativsatz angefügt worden „die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“. Diese Änderung trägt dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 der 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken Rechnung und beinhaltet gegenüber der bisherigen Rechtslage im Hinblick darauf, dass schon bisher im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG aF die Spürbarkeit der Interessenbeeinträchtigung zu prüfen war, keine inhaltliche Änderung (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 18/4535, S. 15).

Geeignetheit ist zu prüfen aber grundsätzlich gegeben

Im März 2017 konnte der Bundesgerichtshof (I ZR 41/16) nun zusätzlich klarstellen, dass nicht mehr mit früherer Rechtsprechung automatisch auf Grund fehlender Informationen die das Unionsrecht vorgab von einer Geeignetheit in diesem Sinne auszugehen ist:

Der Senat hat allerdings unter der Geltung des § 5a Abs. 2 UWG aF in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG aF ohne weiteres erfüllt ist, wenn dem Verbraucher Informationen vorenthalten werden, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft (…) Daran kann jedenfalls unter der Geltung des mit Wirkung vom 20. Dezember 2015 geänderten § 5a Abs. 2 UWG nicht festgehalten werden (…) Die Voraussetzungen des in § 5a Abs. 2 UWG geregelten Unlauterkeitsbestands, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene wesentliche Information „je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen“ und „deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“, stellen nach § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UWG zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die deshalb selbständig zu prüfen sind (…)

Da dieses Tatbestandsmerkmal sowohl im §5a Abs.2 UWG als auch im §5 Abs.1 UWG Verwendung findet dürften diese Erwägungen an beiden Stellen zur Anwendung kommen. Der frühere und gern herangezogene Automatismus könnte damit beendet sein – ist er aber rein faktisch nicht. Denn der BGH führt aus, dass weiterhin erst einmal von einer Geeignetheit bei dem Vorenthalten von durch Unionsrehct vorgegebenen Informationen auszugehen sein wird, denn es

wird, sofern im konkreten Fall keine besonderen Umstände vorliegen, grundsätzlich davon auszugehen sein, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information, die der Verbraucher nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der geboten gewesenen Information nicht getroffen hätte (…) – so auch nochmals BGH, I ZR 117/15

Das bedeutet: Auch wenn ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung darin besteht, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird, ist dieser Verstoß nicht ohne weiteres, sondern nur dann spürbar im Sinne von § 3a UWG, wenn er die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (BGH, I ZR 85/18). Dies stellt zumindest eine Verbesserung im Vergleich zum vorherigen Zustand dar, denn es ist nunmehr die Möglichkeit für betroffene Unternehmen geboten, die grundsätzliche Vermutung zu widerlegen. Das bedeutet aber, der Unternehmer muss nun darlegen, warum entgegen der grundsätzlichen Annahme doch keine Geeignetheit vorlag und Verbraucher keine andere geschäftliche Entscheidung treffen würden, gelöst wird dies dann über eine sekundäre Darlegungslast:

Jedoch trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass – abweichend vom Regelfall – der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, insoweit eine sekundäre Darlegungslast (…)

Der Verbraucher wird eine wesentliche Information schon im Allgemeinen und insbesondere in Fällen, in denen sie wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG betrifft, für eine infor- mierte Kaufentscheidung benötigen (…). Das gilt in besonderem Maße für Typenbezeichnungen von Haushaltsgeräten, weil die durch sie bewirkte Individualisierung es dem Verbraucher ermöglicht, die Geräte genau zu identifizieren und – darauf aufbauend – deren Eigenschaften und Preis mit den Eigenschaften und dem Preis konkurrierender Produkte und Angebote zu vergleichen (…)

Feststellung der Spürbarkeit von Wettbewerbsverstoss

Im Ergebnis besteht damit zumindest die Aussicht, dass im Wettbewerbsrecht stärker auf lebensnahe Überlegungen abgestellt wird. Wenn der Unternehmer aber anführen möchte, dass der Verbraucher – abweichend vom Regelfall – eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast. Denn der BGH sieht die Bedeutung der Information:

Der Verbraucher wird eine wesentliche Information im Allgemeinen für eine informierte Kaufentscheidung benötigen. Ebenso wird, sofern im konkreten Fall keine besonderen Umstände vorliegen, grundsätzlich davon auszugehen sein, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information, die der Verbraucher nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der geboten gewesenen Information nicht getroffen hätte (…)

BGH, I ZR 73/17
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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