Spitzenstellungsbehauptung im Werberecht: Zur Werbung mit einer Alleinstellungsbehauptung

Beim OLG Frankfurt (6 U 64/13) ging es um die Werbeaussage „Deutschlands Nummer 1 für Werbeartikel“. Solche Aussagen werden gerne genutzt, etwa wenn man die „Nr.1 im Bereich X“ ist oder sich zum „Marktführer“ erklärt. Konkurrenten sehen das naturgemäß eher ungerne und bestreiten auch häufig eine solche Vormachtstellung – vor Gericht wird dann darum gestritten, ob eine solche Erklärung zu unterlassen ist.

Das OLG hat im vorliegenden Fall nun festgestellt, dass in der betreffenden Äußerung eine irreführende Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung liegt, wenn der Werbende nicht der Anbieter mit den größten Umsätzen in diesem Bereich ist.

Zur Werbung mit einer Spitzenstellungsbehauptung

Zu einer solchen Werbung gibt es eine Mehrzahl einschlägiger und den Weg weisender BGH-Entscheidungen. Das OLG fasst diese sehr treffend zusammen mit folgendem Absatz:

Mit einer Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung darf nur geworben werden, wenn sie wahr ist. Darüber hinaus muss der Werbende im Regelfall einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern vorzuweisen haben und der Vorsprung die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bieten (vgl. zu einem Ausnahmefall: Senat, Urt. v. 16.01.2014 – 6 U 212/13, Rn. 6).

Beweislast bei Spitzenstellungswerbung

Die Beweislast bei Spitzenstellungswerbung liegt bei Unterlassungsklagen normalerweise beim Kläger – hier stellt es sich allerdings schwierig dar, weil regelmäßig die Umstände für die Bewertung einer Alleinstellung im Bereich des Beklagten liegen. Diesen trifft daher eine sekundäre Darlegungslast:

Grundsätzlich muss die Klägerin darlegen und beweisen, dass die angegriffene Aussage irreführend ist. Im Falle einer Alleinstellungswerbung trifft jedoch den Werbenden in der Regel eine prozessuale Aufklärungspflicht (BGH GRUR 2010, 352, Rn. 22 – Hier spiegelt sich Erfahrung). Er übernimmt die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Werbebehauptung und muss daher die dafür sprechenden Umstände offenlegen.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kläger auf die Beweiserleichterung nicht angewiesen ist, weil er selbst die Richtigkeit der beanstandeten Behauptung beurteilen kann (BGH, Beschl. v. 19.4.2012 – I ZR 173/11, Rn. 9 – Bester Preis der Stadt, juris). Im Streitfall kann die Klägerin die maßgeblichen Kennzahlen der Beklagten, die für oder gegen ihre Marktführerschaft sprechen, nicht selbst in Erfahrung bringen. Es handelt sich um Unternehmensinterna. Sie kann nur ihre eigenen Zahlen und die aus allgemein zugänglichen Quellen verfügbaren Daten von Wettbewerbern vortragen.

Worauf ist die Marktführerschaft bezogen?

Ein „Trick“ bei der Alleinstellungswerbung ist die richtige Analyse, worauf sich die Behauptung einer Spitzenstellung überhaupt bezieht – so gibt es insbesondere qualitative und quantitative Perspektiven. Hierbei ist mit dem BGH auch zwingend zu unterscheiden, worauf sich die Aussage nun bezieht. Das OLG führt hierzu richtiger Weise aus:

Im Fall eines Handelsunternehmens bezieht der Verkehr die Marktführerschaft – anders als bei Produktionsunternehmen – weniger auf qualitative Kriterien, sondern in erster Linie auf den Marktanteil, der sich vorrangig anhand des Umsatzes ermitteln lässt (BGH GRUR 2012, 1053, Rn. 23 – Marktführer Sport). Die weiteren von den Parteien diskutierten Wirtschaftsfaktoren wie Mitarbeiterzahl, Größe des angebotenen Artikelsortiments und Kundenstamm können allenfalls zusätzlich von indizieller Bedeutung sein.

Eine alternative wären qualitative Argumente, wie etwa ein besonders hervorgehobenes Warensortiment. Dies ist wird bei reinen Handelsunternehmen aber eher nicht anzunehmen sein.

Werbung mit der Größe des Unternehmens

Für die Größe eines Unternehmens werden häufig mehrere Faktoren als bestimmend angesehen. In einem solchen Fall ist die Größenbehauptung schon unzulässig, wenn einer dieser Faktoren, den der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher aufgrund der Werbeaussage als gegeben erachtet, mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht:

Wird ein Unternehmen als das „größte“ bezeichnet, so stellt sich das Publikum vor, daß es seine Mitbewerber im Umsatz und im Warenangebot (merklich) überragt (BGH, GRUR 1991, 850 (851); BGH, GRUR 1996, 910 (911) – Der meistverkaufte Europas; BGH, GRUR 1998, 951 – Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung; BGH, GRUR 2012, 1053, Rn. 17 – Marktführer Sport). Je nach Branche können aber auch andere Gesichtspunkte von Bedeutung sein, z.B. die räumliche Ausdehnung des Geschäfts, die Betriebsgebäude, die betriebliche Organisation, die Zahl der Beschäftigten, die Verkehrslage und der Lagerbestand. Dagegen pflegt man die „Größe“ eines Unternehmens nicht danach zu messen, ob es auch qualitativ bessere Leistungen und besondere Preisvorteile bietet. Hierauf wird jedoch vielfach auf Grund der Größe des Unternehmens geschlossen (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2002, 73 zur Angabe „Europas größter Onlinedienst“, vgl. dazu auch (BGH, GRUR 2004, 786 (788) – Größter Online-Dienst).

Landgericht Köln, 31 O 178/17

Bundesgerichtshof zur Spitzenstellungswerbung

Mit dem (I ZR 160/16) gilt, dass der Verkehr bei der Werbung mit der Behauptung einer Spitzenstellung regelmäßig die Erwartung verbindet, dass der Anbieter in der Lage ist, nach den maßgeblichen Kriterien von Qualität, Service und Preis für den Käufer besonders attraktive Produkte anzubieten. Dass das Unternehmen eine in der Werbung herausgestellte Spitzenstellung nicht (allein) durch eigene Leistung bei der Entwicklung oder dem Vertrieb eines besonders wettbewerbsfähigen Produkts, sondern unter Verletzung von Betriebsgeheimnissen eines Wettbewerbers erreicht hat, stellt der Verkehr erfahrungsgemäß nicht in Rechnung:

Die Zulässigkeit einer Spitzen- oder setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wegen der anderenfalls bestehenden Gefahr einer Irreführung des Publikums voraus, dass die Werbebehauptung wahr ist, der Werbende einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern vorzuweisen hat und der Vorsprung die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet. Dagegen unterfallen nicht dem Irreführungsverbot reklamehafte Übertreibungen und reine Werturteile. Erforderlich sind vielmehr inhaltlich nachprüfbare Aussagen über geschäftliche Verhältnisse (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 – I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 183 = WRP 2002, 74 – Das Beste jeden Morgen, mwN).

Werbung mit Alleinstellungsbehauptung

Fazit: Seien Sie immer Vorsichtig, wenn Sie selber mit Alleinstellungsmerkmalen werben – diese müssen stimmen. Gerade bei der „nr.1“ werden gerne einmal subjektive Wertungen und objektive Fakten verwechselt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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