Nahrungsergänzungsmittel: Werbung mit allgemeinen nichtspezifischen Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels nach HCVO

Das OLG Düsseldorf (15 U 8/15) konnte sich zur Werbung mit allgemeinen nichtspezifischen Vorteilen des Nährstoffs oder Lebensmittels nach befassen und hierbei sehr umfangreich zur Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen Angaben referieren.

Im Kern findet sich hier die Meinung der Literatur bestätigt, derzufolge Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit dann vorliegen, wenn die Wirkung für die Gesundheit nicht durch Benennung der jeweiligen konkreten Körperfunktion angegeben wird.

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Aus der Entscheidung:

Die Angabe „B-Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“ ist nichtspezifisch.

Verweise auf allgemeine nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO sind zwar ebenfalls gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Auch mit ihnen wird durch Bezugnahme auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO genannten Funktionen erklärt, suggeriert oder zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Solche Angaben können jedoch anders als spezielle gesundheitsbezogene Angaben gemäß Art. 10 Abs. 1 HCVO aufgrund ihrer allgemeinen nichtspezifischen Formulierung nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein; stattdessen können sie nach Art. 10 Abs. 3 HCVO unter den dort geregelten Voraussetzungen zusammen mit einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe nach Art. 13 oder 14 HCVO verwendet werden (…)

Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen Angaben ist grundsätzlich maßgebend, ob die Aussage auf bestimmte, die Gesundheit oder das gesundheitliche Wohlbefinden unterstützende oder steigernde Funktionen des Körpers Bezug nimmt (BGH, WRP 2013, 1179 – Vitalpilze; BGH, WRP 2016, 471 – Lernstark). Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile für die Gesundheit liegen demnach vor, wenn die Wirkung für die Gesundheit nicht durch Benennung der jeweiligen konkreten Körperfunktion angegeben wird (Rathke/Hahn in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, C 111, 160. EL. März 2015, Art. 10 HCVO Rn. 34). Spezielle gesundheitsbezogene Angaben setzen aber zudem voraus, dass im Hinblick auf die konkrete Wirkung für eine bestimmte Körperfunktion ein bestimmter Nährstoff, eine bestimmte andere Substanz, bei der es sich auch um eine Stoffkombination handeln kann, oder das Lebensmittel als Ganzes bezeichnet wird (vgl. BGH, WRP 2016, 471 – Lernstark, Rn 29 und 32). Maßstab ist insoweit ebenfalls, ob die Aussage im Hinblick auf die Bezeichnung des Nährstoffs, der anderen Substanz oder des Lebensmittels hinreichend konkret ist, um Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein zu können. Ist dies nicht der Fall, liegt somit ebenfalls ein Verweis auf nichtspezifische Vorteile gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO vor. Der Wortlaut dieser Bestimmung („Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels …“) könnte zwar dafür sprechen, dass diese Regelung nicht eingreift, wenn spezielle Vorteile genannt, diese aber nicht einem bestimmten Nährstoff oder Lebensmittel zugewiesen werden. Nach ihrem Sinn und Zweck ist sie jedoch gleichermaßen anwendbar, wenn eine gesundheitsbezogene Angabe wegen mangelnder Spezifizierung der Wirksubstanz einem Zulassungsverfahren nicht zugänglich ist. Die Ausnahmeregelung des Art. 10 Abs. 3 HCVO beruht darauf, dass eine allgemeine, nichtspezifische Angabe für den aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher wegen ihrer Unbestimmtheit erkennbar keine vollständige Information darstellt, sondern ergänzungsbedürftig ist und deshalb eine Irreführung ausscheidet, wenn sie mit einer zugelassenen speziellen Angabe verbunden wird. Es besteht indes auch unter Berücksichtigung des Ziels der Verordnung, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten (Art. 1 Abs. 1 HCVO), sachlich kein Unterschied, ob sich diese erkennbare Unvollständigkeit der Angabe daraus ergibt, dass nur ein nichtspezifischer Vorteil für die Gesundheit genannt wird oder dass im Hinblick auf eine Wirkung für eine bestimmte Körperfunktion weder eine spezifische Substanz genannt wird noch sich diese auf das Lebensmittel insgesamt bezieht. In beiden Fällen sieht der Verbraucher Anlass dazu, den Blick auf weitere, die Angabe vervollständigende Informationen zu richten, die ihm durch eine nach Art. 10 Abs. 3 HCVO beigefügte Angabe geliefert werden. Zudem können nichtspezifische Nährstoffangaben ebenfalls nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein, weil eine gesundheitliche Wirkung nur für bestimmte Nährstoffe oder andere Substanzen – einzeln oder in Kombination – überprüft und festgestellt werden kann. Tatsächlich sind daher ausgelobte Wirkungen ebenfalls nur allgemein und nichtspezifisch im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO, wenn sie sich nicht einer bestimmten Substanz oder dem Lebensmittel als Ganzes zuordnen lassen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen bereits ergibt, steht dieser Bewertung nicht entgegen, dass spezielle gesundheitsbezogene Angaben auch für ein Lebensmittel ausgelobt werden können. Sie sind gerade einem Zulassungsverfahren zugänglich, weil Gegenstand das Lebensmittel in seiner konkreten Zusammensetzung, mithin einer bestimmten Kombination mehrerer Stoffe ist. Daran fehlt es hingegen, wenn im Lebensmittel enthaltene Nährstoffe nur allgemein oder unbestimmt bezeichnet werden, weil die Angabe erkennbar unvollständig und auf ihrer Grundlage eine Überprüfung – und Zulassung – der behaupteten Wirkung nicht möglich ist.

Dies zugrunde gelegt ist die Angabe „B-Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“ nichtspezifisch. Sie nimmt zwar auf bestimmte, die Gesundheit unterstützende Körperfunktionen Bezug, indem sie positive gesundheitsbezogene Wirkungen auf die konkreten Funktionen Hirnleistung, Nerven, Konzentration und Gedächtnis benennt. Sie weist diese Wirkungen jedoch nicht bestimmten Nährstoffen oder sonstigen Bestandteilen des Nahrungsergänzungsmittels oder diesem als Ganzes zu, sondern in unbestimmter Weise „B-Vitaminen und Zink“. Bei „B-Vitaminen“ handelt es sich nicht um einen konkreten Nährstoff, sondern unter der Bezeichnung werden insgesamt acht verschiedene Nährstoffe mit unterschiedlichen Wirkungen zusammengefasst. Aus der zitierten Angabe wird nicht deutlich, welche davon in dem Produkt der Beklagten tatsächlich enthalten sind, so dass sie einem Zulassungsverfahrens nicht zugänglich ist. Der Durchschnittsverbraucher geht auch nicht davon aus, dass in dem Produkt sämtliche B-Vitamine enthalten sind und die ausgelobten Wirkungen besitzen. Vielmehr ist die Angabe für ihn erkennbar unvollständig, so dass es einer ergänzenden Information zu den im Produkt vorhandenen B-Vitaminen und ihren jeweiligen Wirkungen bedarf. Des Weiteren liegt bezogen auf Zink aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs ebenfalls eine nichtspezifische Angabe vor. Es handelt sich dabei zwar um einen bestimmten Nährstoff, so dass grundsätzlich in Betracht kommen könnte, ihm sämtliche aufgezählte Wirkungen zuzuweisen und insoweit eine spezifische Angabe nach Art. 10 Abs. 1 HCVO zu bejahen. Der Durchschnittsverbraucher versteht die Angabe indes nicht so. Er entnimmt ihr nicht, dass sämtliche enthaltene B-Vitamine und Zink jeweils alle ausgelobten Effekte aufweisen, sondern er geht vielmehr davon aus, dass diese Stoffe nur insgesamt die beworbenen positiven Wirkungen auf die Gesundheit haben. Es handelt sich aus seiner Sicht um eine Zusammenfassung von einigen Bestandteilen des Lebensmittels und ihren Wirkungen, die nicht erkennen lässt, welcher konkrete Nährstoff jeweils welchen Vorteil für die Gesundheit besitzt. Deswegen weist er auch dem Bestandteil „Zink“ nicht sämtliche ausgelobte Effekte zu, so dass sich die Unbestimmtheit auch auf ihn erstreckt und es sich insoweit auch – und damit insgesamt – um eine nichtspezifische Angabe handelt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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