Neue Widerrufsbelehrung 2011: Kein Muster und neue Probleme

Wie berichtet, gilt inzwischen das neue Widerrufsrecht samt Wertersatzrecht sowie ein neues amtliches für die .

Bei uns: Kein Muster!
Wegen der Nachfragen kurz der Hinweis, dass es bei uns bewusst keine „Musterbelehrungen“ zur Übernehme durch Online-Shops gibt. Ich sehe in solchen Mustern Probleme, da zu gerne und zu schnell der Einzelfall zu schematisch betrachtet wird. Wenn dann „kleine Details“ übersehen werden, und der Ärger hinterher gross ist, würde das auf uns zurückfallen. Daher bieten wir hier wenn, dann eine Beratung an – aber keine frei verfügbaren Muster zur direkten Übernahme. Stattdessen wird hier auf zwei andere Muster verwiesen:

  • Zum einen findet man das aktuelle amtliche Muster im Bundesgesetzblatt (dazu hier klicken). Dort „Bundesgesetzblatt Teil I“, das Jahr 2011, Ausgabe 41 aufrufen. Dort ab Seite 1600 findet man das aktuelle amtliche Muster, das man sehr akribisch durchgehen muss. Bei richtiger Verwendung des Musters genügt man – dank §360 III BGB – seinen Belehrungspflichten hinsichtlich des Widerrufsrechts. Allerdings merkt man bei der Anpassung schnell, warum die korrekte Auswahl der Textbausteine für sich schon Aufgabe für einen Juristen ist.
  • Des Weiteren findet man im Shopbetreiber-Blog ein „Whitepaper“ zur neuen Widerrufsbelehrung (hier zu finden).

So gut die Muster auch sind (speziell das im Shopbetreiber-Blog), so sind es am Ende doch nur Muster: Wer sich alleine am Gesetzestext orientiert, wird z.B. auf die vielfältigen Probleme gar nicht hingewiesen. Im „Whitepaper“ dagegen erfolgen entsprechende Hinweise, doch kann ein Laie beispielsweise im Regelfall nicht alleine eine tragfähige AGB-Regelung zu den Rücksendekosten formulieren (dazu nur hier). Sofern man als Laie das Whitepaper überhaupt aufmerksam genug liest und nicht einfach über die entsprechenden Hinweise hinwegliest, weil das Problembewusstsein fehlt.

Weiterhin problematisch:

Eigentlich ist es doch ganz einfach, §355 II BGB stellt es immerhin (scheinbar) verständlich klar:

Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, wenn dem Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss eine […] Widerrufsbelehrung in Textform mitgeteilt wird. Bei Fernabsatzverträgen steht eine unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung einer solchen bei Vertragsschluss gleich […]

Damit sollte es doch eigentlich möglich sein, einheitliche Widerrufsbelehrungen sowohl bei eBay als auch im sonstigen Online-Shop zu führen. Sollte. In der Praxis hat bereits das Landgericht Dortmund in einem Beschluss gezeigt (hier besprochen), dass man damit rechnen muss, mitunter dennoch bei eBay mit einer Widerrufsfrist von 1 Monat konfrontiert zu werden – wenn nämlich der Vertragsschluss bei jedem einzelnen „Gebot“ angenommen wird. Ich habe dargestellt, warum das abwegig ist – es ändert aber nichts am Risiko, dennoch (abwegigen) Abmahnungen zu begegnen.

Die aktuellen Änderungen lösen dieses Problem nicht, vielmehr wird es eher noch schlimmer: Nunmehr muss nämlich, je nachdem ob bei bzw. unverzüglich nach Vertragsschluss oder eben „nur“ nach Vertragsschluss in Textform belehrt wird, eine umfassend andere Widerrufsbelehrung erstellt werden. Noch in der alten Widerrufsbelehrung ging es nur um einen Satz (Hinweis-Nummer 8 im alten Text) der eine besondere Relevanz hatte:

Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten.

Das ändert sich nun bei der Lieferung von Waren, da auch die Nutzungen aufgenommen werden mussten. In der nunmehr dazu zu lesenden Hinweis-Nummer 9 im neuen Formular findet man dazu dann die entsprechenden Hinweise. Auch wenn es inhaltlich kein großer Aufwand ist: Je nachdem, wie man den Vertragsschluss bei eBay jetzt bewertet, muss dieser Textabschnitt vollkommen umformuliert werden. Ich empfehle insofern, im alten Muster die Nummer 8, sowie im neuen Muster die Nummern 8 und 9 vollständig und ganz genau zu lesen – und sich notfalls doch beraten zu lassen, was die Formulierungen und genauen Risiken angeht.

Hinweis: Selbst wenn man eine einheitliche Widerrufsbelehrung sieht, ändert das nichts daran, dass man verschiedene AGB braucht – dies schon, weil der Vertragsschluss zu regeln ist und auf eBay die eBay-AGB gelten. Wer da (auch nur versehentlich) abweichende Regelungen in seinen AGB vorhält, kann abgemahnt werden.

Streitpunkt: Prüfmöglichkeiten „wie im Laden“

Ein kleines „Ei“ hat der Gesetzgeber m.E. mit dieser Formulierung in der neuen Widerrufsbelehrung gelegt:

„Wertersatz für gezogene Nutzungen müssen Sie nur leisten, soweit Sie die Ware in einer Art und Weise genutzt haben, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Unter „Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise“ versteht man das Testen und Ausprobieren der jeweiligen Ware, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist.“

Der letzte Teil, die Einschränkung auf Prüfmöglichkeiten „wie etwa im Ladengeschäft“ bietet mehr Probleme, als man auf den ersten Blick glaubt. Jedenfalls wenn Laien anfangen, das auszulegen, sehe ich Streitigkeiten vorprogrammiert. Der Blick in die umfangreiche Gesetzesbegründung macht es dabei nicht gerade besser:

Bei der Beurteilung, was im Einzelfall vom Tatbestandsmerkmal der Prüfung der Funktionsweise und der Eigenschaften der Ware umfasst ist, wird man sich in der Praxis daran orientieren können, was ein Verbraucher beim Testen und Ausprobieren der gleichen Ware in einem Ladengeschäft typischerweise hätte tun können. Dem Verbraucher muss dabei die Möglichkeit eingeräumt werden, die Ware eingehend auf ihre Eigenschaften und ihre Funktionsweise zu untersuchen.

Je nach Art der Ware kann hierfür eine Ingebrauchnahme erforderlich sein. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass der Verbraucher für eine Prüfung durch Ingebrauchnahme auch dann keinen Wertersatz leisten muss, wenn die Ware einen nahezu vollständigen Wertverlust erfahren hat – z. B. durch das Befüllen und Probeliegen eines Wasserbetts (vgl. auch , Urteil vom 3. November 2010, Az. VIII ZR 337/09).

Dem Verbraucher muss es zumindest gestattet sein, dieselben Ergebnisse wie bei einer Prüfung im Ladengeschäft zu erzielen. Der Umstand, dass bei einer Prüfung der Ware zu Hause die im stationären Handel vielfach üblichen Beratungs-, Vergleichs- und Vorführmöglichkeiten fehlen, ist durch angemessene Prüfungsmöglichkeiten zu Hause auszugleichen. Der Verbraucher darf also mit der Ware grundsätzlich so umgehen und sie so ausprobieren, wie er das in einem Geschäft hätte tun dürfen.

Nicht umfasst ist jedoch die intensive, nicht zur Prüfung notwendige Nutzung. So darf etwa eine Fotokamera nicht in den Urlaub mitgenommen werden. Ein Kleidungsstück sollte der Verbraucher nur anprobieren, jedoch nicht über eine längere Zeit tragen dürfen. Regelmäßig zulässig dürfte es jedoch sein, wenn der Verbraucher das Kleidungsstück innerhalb der Widerrufsfrist zu Hause mehrfach anprobiert. Gegenstände, bei denen eine Prüfung durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme oder ein Öffnen der Verpackung nach der Verkehrssitte nicht üblich ist (z. B. Hygieneartikel, verschweißte Medikamente), sollen weder im Ladengeschäft noch zu Hause auf diese Art und Weise geprüft werden dürfen. Der reine Besitz der Ware kann keine Pflicht zum Wertersatz begründen, da er notwendige Bedingung für die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware ist.

Man beachte die innere Widersprüchlichkeit beim oberflächlichen Lesen: Zum einen soll man sich daran orientieren, was im Laden üblich ist, was eine Grenze darstellen würde. Danach aber soll gelten, dass „zumindest“ das möglich sein muss, was auch im Laden möglich ist. Und während die Einschränkungen augenscheinlich nur geschaffen wurden für spezielle Artikel (insbesondere Kosmetik- und Hygieneartikel), kann sich auch bei PCs ein erheblicher Streitpunkt aufdrängen.

Wenn ein Verbraucher etwa einen neuen PC erhält, so bietet ein installiertes kommerzielles Betriebssystem im Regelfall bei der ersten Inbetriebnahme eine „Einrichtungsroutine“ an. Sowohl bei Windows als auch bei Mac OS werden in diesem Zusammenhang ein Benutzer eingerichtet und das „System registriert“, womit meistens mindestens Support-Fristen in Gang gesetzt werden. Wenn der Verbraucher diesen PC nun zurückschickt, hat der Händler einiges an Arbeit: Das System muss neu aufgesetzt werden und es stellt sich die Frage, wie evtl. „aktivierte“ Komponenten wieder „deaktiviert“ werden, um eine erneute Registrierung des Systems ohne Frist-Verluste zu gewährleisten. Diese Probleme sind so weit nichts Neues.

Professionelles IT-Vertragsrecht

Unser Fachanwalt für IT-Recht berät und vertritt Unternehmen in IT-Vertragsangelegenheiten, insbesondere in Bezug auf Künstliche Intelligenz und Cloud-Dienste, um rechtliche Risiken zu minimieren und die Einhaltung relevanter Vorschriften zu gewährleisten.

Neu ist aber nun, dass mit Blick auf oben benannte „Prüfmöglichkeiten wie im Geschäft“ festgestellt werden muss, dass eben diese Möglichkeiten dort nicht bestehen: Weder kann der Verbraucher dort einen eigenen Benutzer anlegen, noch das System registrieren oder gar Fristen in Gang setzen. Es liegt vollkommen nahe, dass Händler mit Blick auf die obigen Texte (und dem Wunsch, diese Texte möglichst günstig zu verstehen) erweiterte Erstattungspflichten etwa wegen gezogener Nutzungen sehen. So könnte man dem Verbraucher entgegenhalten, er hätte das System nicht sofort „registrieren“ müssen, nur um es zu testen. Ich finde diese Gedanken durchaus nachvollziehbar, aber falsch – der Gesetzgeber macht das in seiner Begründung deutlich, indem er feststellt:

Der Umstand, dass bei einer Prüfung der Ware zu Hause die im stationären Handel vielfach üblichen Beratungs-, Vergleichs- und Vorführmöglichkeiten fehlen, ist durch angemessene Prüfungsmöglichkeiten zu Hause auszugleichen.

Sprich: Zu Hause geht eben doch das „mehr“, weil dort die Umstände des Ladens (insbesondere Vorführmöglichkeiten) ja fehlen. Im Übrigen wäre es eher die Aufgabe der Hersteller, ihre System-Builder-Versionen so zu gestalten, dass ein Verbraucher bei der ersten Installation die Option geboten bekommt, das System in einer Art „Testmodus“ zu fahren, ohne Änderungen vornehmen zu müssen. Immerhin bei Windows-Systemen gibt es das im Ansatz, da hier die Aktivierung erst nach einer gewissen Zeit möglich ist. Es bleibt abzuwarten, ob es in Zukunft wegen des missverständlich positive Text der Muster-Widerrufsbelehrung Streit mit Händlern geben wird.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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