Fahrschulwerbung mit Gutschein für Fahrzeugkauf bei bestimmtem Autohaus

Fahrschulwerbung mit Gutschein für Fahrzeugkauf bei einem bestimmten Autohaus kann zulässig sein

BGH, Urteil vom 9.6.2004, I ZR 187/02

1. Die angegriffene Werbung des Beklagten verstößt nicht gegen § 1 UWG.

a) Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Wettbewerbs. Weder der Einsatz von Elementen der Wertreklame im Rahmen einer Werbeanzeige noch der hiervon möglicherweise ausgehende sogenannte aleatorische Reiz reichen für sich allein aus, um eine Werbemaßnahme als unlauter i.S. von § 1 UWG erscheinen zu lassen. Es müssen vielmehr zusätzliche, besondere Umstände vorliegen, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit i.S. von § 1 UWG rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2000 – I ZR 239/97, GRUR 2000, 820, 821 = WRP 2000, 724 – Space Fidelity Peep-Show; Urt. v. 13.3.2003 – I ZR 212/00, GRUR 2003, 626, 627 = WRP 2003, 742 – Umgekehrte Versteigerung II; Urt. v. 13.11.2003 – I ZR 40/01, GRUR 2004, 249, 250 = WRP 2004, 345 – Umgekehrte Versteigerung im Internet). Wettbewerbswidrig ist die Werbung erst dann, wenn der Einsatz des Werbemittels dazu führt, die freie Entschließung der angesprochenen Verkehrskreise so nachhaltig zu beeinflussen, daß ein Vertragsschluß nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten Vergünstigung bestimmt wird mit der Folge, daß die Rationalität der Nachfrageentscheidung auch bei einem verständigen Verbraucher vollständig in den Hintergrund tritt (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 – I ZR 151/95, GRUR 1998, 735, 736 = WRP 1998, 724 – Rubbelaktion; Urt. v. 11.12.2003 – I ZR 83/01, GRUR 2004, 343 f. = WRP 2004, 483 – Playstation; BGH GRUR 2000, 820, 821 – Space Fidelity Peep-Show; GRUR 2003, 626, 627 – Umgekehrte Versteigerung II; GRUR 2004, 249, 250 – Umgekehrte Versteigerung im Internet). Letzteres kann im Streitfall nicht angenommen werden.

b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß von einer zusätzlich zur entgeltlichen Hauptleistung versprochenen unentgeltlichen Vergünstigung mit – wie hier – erheblichem Wert regelmäßig ein hoher Anreiz zum Vertragsabschluß ausgeht, weil damit in besonderer Weise der Eindruck eines außergewöhnlich vorteilhaften Angebots erweckt wird. Es hat weiterhin mit Recht angenommen, daß die Anlockwirkung des Gutscheinangebots des Beklagten bei dem vorrangig angesprochenen Verkehrskreis – jüngere Menschen im Alter zwischen etwa 17 und 20 Jahren – überdurchschnittlich hoch sein dürfte, da diese Personengruppe im allgemeinen nur über geringe Einkünfte verfügt.

c) Das reicht entgegen der Ansicht der Revision jedoch nicht aus für die Annahme, von dem Angebot des Beklagten gehe eine derart starke Anziehungskraft aus, daß die beteiligten Verkehrskreise von einem sachgerechten Preis- und Leistungsvergleich der auf dem Markt befindlichen Fahrschulen abgelenkt würden. Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, daß die Zielgruppe des Beklagten nicht der „Jugendliche“ im allgemeinen ist, sondern Fahrschulinteressenten im Alter zwischen etwa 17 und 20 Jahren. Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß auch bei einem Fahrschulinteressenten dieser Altersgruppe nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß er die für die Auswahl einer Fahrschule maßgeblichen Kriterien – Höhe der Grundgebühr, Preis einer einzelnen Fahrstunde, Dauer und Effektivität der Ausbildung – im Hinblick auf den in Aussicht gestellten Gutschein vollständig in den Hintergrund treten läßt. Er ist vielmehr im Grundsatz darüber informiert, daß für den erfolgreichen Abschluß einer Fahrprüfung Kosten aufzuwenden sind, die sich zwischen 1.000 € und 2.000 € bewegen. Schon in Anbetracht dieses finanziellen Aufwands liegt es erfahrungsgemäß eher fern, daß der von der Werbung angesprochene Jugendliche seine Entscheidung vorrangig von dem Wert des versprochenen Gutscheins beeinflussen läßt. Zudem mindert der versprochene Gutschein nicht den finanziellen Aufwand für den Fahrunterricht selbst, sondern läßt lediglich den eine eigene Kaufentscheidung voraussetzenden Erwerb eines Wagens bei einem bestimmten Autohändler als „vergünstigt“ erscheinen

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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