Erneute Abmahnung bei Verstoss gegen Unterlassungserklärung möglich?

Die erhebliche Anzahl von Abmahnungen der letzten Jahre zeigt bei mir bereits seit einiger Zeit Wirkung: Zunehmend habe ich nicht nur Abmahnungen zu bearbeiten, sondern vor allem auch Anfragen weil plötzlich Vertragsstrafen eingefordert werden. Immer häufiger gehen Kollegen dabei dazu über, nicht nur die zu fordern, sondern gleich noch eine auszusprechen.

Die Frage ist dann, nicht zuletzt mit Blick auf die geforderten zusätzlichen Kosten: Ist das überhaupt möglich? Und falls ja, wie ist die zu formulieren? Dazu auch bei uns: Was muss Inhalt einer Unterlassungserklärung sein?

Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr bei Verstoss gegen Unterlassungserklärung

Tatsächlich ist es so, dass eine erneute Abmahnung durchaus möglich sein kann, wenn nämlich die Wiederholungsgefahr durch den Verstoss erneut auflebte. Das Landgericht Köln (14 O 61/13) drückt das so aus:

Der Gläubiger kann auf Grund des neuen Verstoßes auf doppelte Weise vorgehen: Er kann die auf seinen vertraglichen stützen und daneben – wenn es sich um eine schuldhafte Zuwiderhandlung geht – die versprochene Vertragsstrafe fordern. Zum anderen kann die Klage auf den neuen (gesetzlichen) Unterlassungsanspruch gestützt werden. In diesem Fall kann er nicht mit der Begründung, es fehle das allgemeine Rechtsschutzinteresse, auf die Rechte aus dem Unterwerfungsvertrag verwiesen werden (BGH, GRUR 1980, 241, 242 – Rechtsschutzbedürfnis; OLG Stuttgart, WRP 1982, 547; OLG Stuttgart, WRP 1983, 580).

Dennoch zeigt sich bereits auf den ersten Blick, dass dies nicht vorschnell angenommen werden darf, immerhin existiert ja bereits eine angenommene Unterlassungserklärung, also ein . Nun einen weiteren, zusätzlich Unterlassungsvertrag zu schliessen erscheint mit Blick auf die Vertragsstrafe recht riskant. Die Rechtsprechung hat sich mit dem Thema auch bereits auseinander gesetzt, eine einheitliche Linie gibt es bisher aber nicht. Und das übliche Vorgehen, vorsichtshalber eine Unterlassungserklärung ohne abzugeben, kann hier zum Bumerang werden – durch die Abgabe der Unterlassungserklärung könnte nämlich ein Indiz vorliegen, dass die Abmahnung im Interesse des Abgemahnten war und dieser die Kosten tatsächlich zu tragen hat. Dies brachte auch das OLG Köln (6 U 161/16) nochmals auf den Punkt:

Begeht der Schuldner nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, mit der die Wiederholungsgefahr beseitigt wurde, einen identischen Wettbewerbsverstoß, entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch. Die nach Abgabe einer Unterlassungserklärung durch einen erneuten Wettbewerbsverstoß begründete Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich allenfalls durch eine weitere Unterlassungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden. Bei einem Vertragsstrafeversprechen, das – wie hier – nach „neuem Hamburger Brauch“ abgegeben wurde, kann die erforderliche Verschärfung durch Versprechen einer Vertragsstrafe „nicht unter … “ nach Lage des Falles genügen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 05.12.2014 – 6 U 57/14, WRP 2015, 387 – Parfümfotos bei , mwN).

Abwägung im Einzelfall

Mangels einheitlicher Rechtsprechung wird man im Einzelfall abwägen müssen. Ich sehe dabei einige Kernargumente, die man teilweise auch in der Rechtsprechung findet:

  1. Hat man konkret gegen das Verbot verstossen, wie es in der Unterlassungserklärung formuliert ist – oder handelt es sich nur um einen kerngleichen Verstoß? Bei letzterem könnte man über die Abgabe einer weiteren Unterlassungserklärung und Abmahnung nachdenken.
  2. Hat der sich nach der Abgabe der Unterlassungserklärung auswirkende Verstoß bereits vor Abgabe der Unterlassungserklärung begonnen? Dann wohl eher keine Wiederholungsgefahr.
  3. Wurde eine fest bezifferte Vertragsstrafe in den Unterlassungsvertrag aufgenommen, oder eine die nach billigem Ermessen des Gläubigers festzusetzen ist? In letzterem Fall könnte man argumentieren, dass die Wiederholungsgefahr nicht entfallen ist, da der Gläubiger die Vertragsstrafe beim nächsten Mal höher ansetzen kann und somit einen Anreiz schafft, sich in Zukunft doch an den Unterlassungsvertrag zu halten.

Man merkt, dass sich einige Argumente anbieten – die auch schon bei der Abgabe der Unterlassungserklärung zu bedenken sind. Jedenfalls ist im Einzelfall eine erneute Abmahnung nach Abgabe einer Unterlassungserklärung durchaus möglich – auch wenn die ein oder andere mir vorliegende Abmahnung etwas vorschnell ausgesprochen wurde.

Gestaltung der erneuten Unterlassungserklärung

Wie die erneut abzugebende Unterlassungserklärung aussehen soll hat das LG Köln ebenfalls dargestellt:

Die nach Abgabe einer Unterlassungserklärung durch einen erneuten – auch unverschuldeten – Urheberrechtsverstoß begründete Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich allenfalls durch eine weitere Unterlassungserklärung mit einer gegenüber der Ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden (BGH, GRUR 1990, 534 – Abruf-Coupon). […] Die Wiederholungsgefahr kann nicht durch eine zweite, gleichlautende Unterlassungserklärung beseitigt werden, da sie dem Verfügungskläger keine weitergehenden Rechte einräumt bzw. für den Verfügungsbeklagten keine schärferen Sanktionen vorsieht, als die Unterlassungserklärung, gegen die er bereits verstoßen hat. Wird nur eine weitere Unterlassungserklärung mit einem Vertragsstrafeversprechen nach Hamburger Brauch abgegeben, so stellt dies keine gegenüber der ersten Unterlassungserklärung gesteigerte Sanktion dar. Darauf, ob ein Gericht bei einer Überprüfung der Angemessenheit einer zunächst durch den Gläubiger bestimmten Vertragsstrafe in Anbetracht des wiederholten Verstoßes eine höhere Vertragsstrafe für angemessen halten würden, kommt es mithin nicht an.

Sprich: Noch einmal die gleiche Unterlassungserklärung abzugeben ist gerade nicht ausreichend (andere Auffassung: LG Bochum, 12 O 101/10). So wird man darüber nachdenken müssen, eine Mindesthöhe der Vertragsstrafe vorzunehmen, die in spürbarer Höhe liegt (dazu auch obige Entscheidung des OLG Köln). An dieser Rechtsprechung hielt das OLG Köln (6 U 161/16) auch im Jahr 2017 fest:

Begeht der Schuldner nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, mit der die Wiederholungsgefahr beseitigt wurde, einen identischen Wettbewerbsverstoß, entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch. Die nach Abgabe einer Unterlassungserklärung durch einen erneuten Wettbewerbsverstoß begründete Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich allenfalls durch eine weitere Unterlassungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden. Bei einem Vertragsstrafeversprechen, das – wie hier – nach „neuem Hamburger Brauch“ abgegeben wurde, kann die erforderliche Verschärfung durch Versprechen einer Vertragsstrafe „nicht unter … “ nach Lage des Falles genügen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 05.12.2014 – 6 U 57/14, WRP 2015, 387 – Parfümfotos bei eBay, mwN).

Abweichend: OLG Düsseldorf

Spannend ist, dass sich das Oberlandesgericht Düsseldorf (I-2 U 3/15) im Jahr 2015 ganz anders geäußert hat und jedenfalls dann, wenn letztlich kein Rechtegewinn gegenüber der bisherigen Abmahnung eintritt eine zweite Abmahnung unnötig ist:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Abmahnung II. Im Umfang der unbegründet geltend gemachten Verstöße ergibt sich das schon daraus, dass die Abmahnung unberechtigt war, und im Umfang des berechtigt geltend gemachten Verstoßes gegen die Produktkennzeichnungspflicht fehlt es an der Erforderlichkeit der zweiten Abmahnung. Sie ist zu verneinen, weil die zweite Abmahnung hinsichtlich der berechtigt erhobenen Beanstandung praktisch vollständig mit der bereits in den Händen des Klägers befindlichen Unterlassungserklärung I übereinstimmt, so dass eine zweite inhaltsgleiche Unterwerfung dem Kläger keine weiteren Rechte verschaffen konnte. (vgl. BGH, GRUR 2013, 307 – unbedenkliche Mehrfachabmahnung; Kühnen, a.a.O. Rdnr. 761). Die ausbedungene Vertragsstrafe für das Unterlassungsversprechen II war nicht zwingend höher als die Bewehrung des Unterlassungsversprechens I. Der Kläger hätte bei der Ausübung seines Bestimmungsrechtes zwar einen höheren Betrag angeben können; diese Möglichkeit bot ihm aber auch schon das erste Versprechen. Eine zweifache Unterlassungspflicht hätte im Falle eines Verstoßes auch nicht zu einer Verdopplung (oder sonstigen Erhöhung) der angemessenen Vertragsstrafe geführt.

Es bleibt hier aber auch die Türe offen, die Notwendigkeit über die Höhe der Vertragsstrafe zu argumentieren.

Fazit zur Abmahnung bei bestehender Unterlassungserklärung

Bezeichnend ist, dass bisher in allen Fällen in denen die Vertragsstrafe gefordert wurde der Betroffene bei Abgabe der Unterlassungserklärung keinen anwaltlichen Rat suchte. Ich muss daher nochmals betonen, wie gross der Fehler ist, wenn jedenfalls Unternehmen nach einer Abmahnung am anwaltlichen Rat „sparen“. Wer nun auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen wird, sollte in jedem Fall fachkundigen anwaltlichen Rat einholen. Ich selbst konnte bisher in jedem Fall zumindest eine Reduzierung der Vertragsstrafe erwirken, selbst wenn sie fest beziffert war. Doch gerade Unternehmen sollte dabei weniger an das zu zahlende Geld denken und vielmehr an die Gefahr, die mit einer Unterlassungserklärung droht. Mit der Abgabe einer Unterlassungserklärung beendet man zwar die Abmahnung – auf Grund der „Einnahmequelle Vertragsstrafe“ ist man aber sehr naiv, wenn man glaubt, dass die Gegenseite nicht über Jahre hinweg genau kontrolliert, ob man nicht irgendwie gegen die Unterlassungserklärung verstossen hat.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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