Urheberrecht: Wann liegt ein öffentliches zugänglich machen vor?

Öffentlich zugänglich machen nach §19a UrhG: Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der 2001/29/EG – die auch die öffentliche Zugänglichmachung umfasst – ist es erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder – ansonsten – für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (vgl. EuGH, C-348/13, hier bei uns).

Was ist die Öffentlichkeit?

Was unterhält dem Begriff der Öffentlichkeit:

Der Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potenzieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt. Um eine „unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören. Mit dem Kriterium „recht viele Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potenziellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. BGH GRUR 2016, 278 – Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen Tz. 44 m. w. N.). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist ein Erwerbszweck – der im Übrigen im vorliegenden Fall offensichtlich besteht – nicht zwingende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe i. S. d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. BGH, a. a. O., – Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen Tz. 41).

OLG München, 29 U 953/16

Nicht auffindbare Datei als öffentlich zugänglich machen

Das OLG Hamburg (310 O 62/09) hat sich bereits im Februar 2010 mit der Frage beschäftigt, wann ein öffentliches zugänglich machen i.S.d §19a UrhG vorliegt. Hintergrund: Jemand hatte unter einer Internetadresse (z.B. www.domain.tld/karte.jpg) einen Kartenausschnitt hinterlegt. Dieses Bild war nirgendwo auf seiner Webseite verlinkt, es lag quasi „als Datei“ auf seinem Webspace. Als er deswegen eine erhielt, wehrte sich der Betroffene mit dem Argument, dass die Datei ja gar nicht zu finden sei und er auch gar nicht wollte, dass es gefunden wird. Das OLG verneint dies, denn: Es kann nur auf die objektive Möglichkeit des Zugriffs Dritter ankommen:

Eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, dass ein tatsächlicher Zugriff realistisch ist, wird nicht verlangt und kann entgegen der Auffassung des LG Berlin ( GRUR-RR 2008, 387 ) auch nicht aus § 15 Abs.3 UrhG gefolgert werden. […] Die Einrichtung einer URL, um von jedem beliebigen Ort und zu jeder beliebigen Zeit einen Inhalt aufrufen zu können, der auf einem mit dem Internet verbundenen Server gespeichert ist, ist jedoch typischerweise und nach Funktionsweise des Internets objektiv dazu bestimmt, diesen Inhalt mit Hilfe eben dieser URL aufzufinden. Damit ist der Tatbestand des § 19a UrhG bereits erfüllt.

Das Ergebnis mag nicht jedem gefallen, überzeugt aber: Wer urheberrechtlich geschütztes Material auf einem Webspace ablegt und nicht direkt auf seiner Webseite verlinkt, veröffentlicht dennoch problemlos. Zu denken ist auch daran, dass URL-Kürzer (wie tinyurl.com) es problemlos zulassen, selbst kryptische und „versteckte“ Ablagen mit eingängigen Zugriffen zu versehen – und die dann per Mail oder über Foren zu verteilen. Das OLG Hamburg geht dabei den sinnvollen Weg, eine Einschränkung bei ungewollter Zugänglichkeit vorzunehmen:

…eine nur zufällig entstehende Öffentlichkeit ist allerdings nicht erfasst (Dreier/Schulze. UrhR, 2.Aufl., § 15 Rn.46).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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