Übersicht zum Akteneinsichtsrecht in „Filesharing“-Prozessen

In der aktuellen NStZ (Heft 2 aus 2010) finden sich mehrere Urteile zum Thema „ bei Urheberrechtsverletzungen“. Darunter ist das inzwischen schon legendäre Urteil des LG München (5 Qs 19/08) mit der Aussage:

Es ist nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gegen Inhaber von Netzzugängen zu rmöglichen, ohne dass eine Straftat nachweisbar wäre.

Zudem bezweifelt das LG München das berechtigte Interesse bei einem Verfahren gegen „Unbekannt“. Hingewiesen wird auch auf das Urteil des LG Darmstadt (9 Qs 99/09), das zumindest bei Bagatellartigen Rechtsverletzungen ein Einsichtsrecht versagen möchte. Nicht mehr bagatellartig nach dem LG Darmstadt wären 5 Filme, 5 Musikalben oder 50 Musikstücke in der Summe. Das LG Saarbrücken (2 Qs 11/09) schliesst sich dem LG Darmstadt hierbei an, ebenso das LG Köln (109-1/08).

Hinsichtlich des inzwischen bestehenden zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs aus §101 UrhG sieht zumindest das LG Duisburg (34 AR 3/09) keine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts – der Anspruchssteller darf nicht einfach auf seinen zivilrechtlichen Anspruch verwiesen werden. Gleichsam entschied das LG Duisburg (34 AR 4/09) später mit folgenden Worten:

Soweit in der Rechtsprechung teilweise die Ansicht vertreten wird, im Rahmen der Interessenabwägung sei die Stärke des Tatverdachts zu berücksichtigen (vgl. LG Darmstadt, MMR 2009, 579; LG Saarbrücken, MMR 2009, 639), führt dies jedenfalls im vorliegenden Fall zu keiner anderen Bewertung. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen kann zwar aufgrund der nicht widerlegbaren Einlassung des Beschuldigten, er habe ein ungesichertes WLAN betrieben, weshalb sein Internet-Zugang ohne sein Wissen von Dritten genutzt worden sein kann, der Nachweis einer Straftat nicht geführt werden. Ein fehlender Tatverdacht führt jedoch nicht ohne weiteres dazu, dass das stets zu berücksichtigende allgemeine Geheimhaltungsinteresse des Beschuldigten gegenüber dem berechtigten Auskunftsinteresse des Verletzten überwiegt. Anderenfalls würde die Regelung des § 406e Abs. 1 S. 1 StPO in den Fällen, in denen das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt worden ist, nahezu vollständig ausgehöhlt. Es ist indes anerkannt, dass ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht insbesondere auch dann besteht, wenn sie der Prüfung der Frage dienen soll, ob eine Einstellungsbeschwerde nach § 172 Abs. 1 StPO oder ein Klageerzwingungsantrag gemäß § 172 Abs. 2 StPO gestellt werden soll (Meyer-Goßner, , 51. Aufl., § 406e Rn. 3).

Auch das vorliegend relativ geringe Ausmaß der Rechtsverletzung durch die einmalige Verbreitung der urheberrechtlich geschützten Software über den Internet-Anschluss des Beschuldigten führt nicht dazu, dass sein allgemeines Geheimhaltungsinteresse gegenüber dem berechtigten Interesse der Verletzten überwiegt. Zwar wird in der Rechtsprechung teilweise die Ansicht vertreten, dass dem verletzten Rechteinhaber die Akteneinsicht jedenfalls dann zu versagen ist, wenn es sich um eine bagatellartige Rechtsverletzung handelt (LG Darmstadt, a.a.O.; LG Saarbrücken a.a.O.). Für eine solche Gewichtung der Rechtsverletzung, die in den Fällen von Urheberrechtsverstößen eine Bewertung der zivilrechtlichen Ansprüche des Rechteinhabers voraussetzt, gibt es jedoch de lege lata keine Grundlage.

Anmerkung: Ein wenig befremdlich ist es schon, wenn man wieder einmal vor Augen gehalten bekommt, wie viel zeitliche Differenz zwischen Publikationen im Internet und Fachzeitschriften liegt. Die entsprechenden Urteile hatte ich – via Blogs – schon recht zeitnah zur Kenntnis genommen. Es zeigt sich zunehmend, dass das Lesen von juristischen Webseiten eine zunehmend zwingende Ergänzung zum Konsumieren entsprechender Fachzeitschriften darstellt.

Bei uns zum Thema:

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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