Leistungsschutzrecht für Presseverlage im Überblick

Der Bundestag hat ein „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ eingeführt. Die vieldiskutierte Änderung des Urheberrechtsgesetzes – die noch durch den Bundesrat muss, womit schon bald zu rechnen ist – habe ich zum Anlass genommen, sie einmal kurz zu besprechenund zu erläutern.

Update: Das „Leistungsschutzrecht“ für Presseerzeugnisse wurde am 01.03.2013 beschlossen, Drucksache 17/11470 (hier als PDF), allerdings mit einer Einschränkung nach Drucksache 17/12534.

Im Folgenden ein kleiner und erklärender Überblick zum neu geschaffenen „Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse“.


Presseverleger und Urheber
Als erstes müssen die Rollen klar gestellt werden: Wer einen eigenen Text schreibt, etwa einen Bericht, der wird als Urheber des Textes durch das UrhG geschützt. Neu eingeführt werden soll nun ein „Schutz des Presseverlegers“. Es geht also nicht um den Autor selber, sondern um denjenigen der seinen Text – im Rahmen eines „Presseerzeugnisses“ – verlegt.

Was ein „Presseerzeugnis“ ist, wird in einem neuen §87f II UrhG definiert:

Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient. Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.

Was wird geschützt?
Ein unscheinbarer Satz stellt fest, was geschützt wird:

Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. [Hinweis: Der letzte Halbsatz, hier in Kursiv gehalten, wurde kurz vor Beschlussfassung hinzugefügt!]

Das heisst (erst einmal!) jeder andere, der ein „Presseerzeugnis“ oder „einen Teil“ hiervon öffentlich zugänglich macht, greift in dieses Recht ein und kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Bei der Frage, was eine öffentliche Zugänglichmachung ist, hilft der Blick auf §19a UrhG

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

mit dem dies im Ergebnis bedeutet, dass jede öffentliche Weitergabe bzw. Wiedergabe jedenfalls im Internet erfasst sein wird. Da laut Gesetzentwurf auch „Teile“ geschützt sind, wobei es keine Einschränkung gibt („wesentliche Teile“, „bedeutsame Teile“), ist theoretisch jeder einzelne Auszug, der noch als Teil des Presseerzeugnisses angesehen werden kann, geschützt. Das heisst, ein einzelnes Wort etwa wäre nicht geschützt, da es schon kein Teil des Presseerzeugnisses ist. Wenn aber ein charismatischer Auszug, und sei es nur eine Überschrift, herausgepickt wird, handelt es sich bereits um einen geschützten Teil.

Das heisst bis hierhin: Wer auch nur eine Überschrift aus einem Artikel herauspickt, die als „Teil“ des Artikels angesehen werden kann, und dies etwa bei Twitter als Linktitel nutzt, greift bereits in das Leistungsschutzrecht in der geplanten Form ein.

Das erste Korrektiv an dieser Stelle ist dann Voraussetzung, dass eine gewerbliche Nutzung vorliegen muss. Wer nicht im Rahmen einer gewerblichen Nutzung geschützte Teile öffentlich zugänglich macht, der greift am Ende doch nicht in das Leistungsschutzrecht ein. Aber was ist gewerblich? Der Gesetzentwurf definiert es so:

Abweichend vom gewerbe- oder steuerrechtlichen Gewerbebegriff erfasst die Zugänglichmachung „zu gewerblichen Zwecken“ jede Zugänglichmachung, die mittelbar oder unmittelbar der Erzielung von Einnahmen dient sowie jede Zugänglichmachung, die im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit steht.

Es soll also ausdrücklich auch die nur mittelbare Absicht Einnahmen zu erzielen ausreichen, wobei ich hier weniger die Probleme sehe, da die üblichen Schranken weiterhin gelten und die Zahl der Anspruchsgegner letztlich erheblich eingeschränkt wird (dazu weiter unten, „Schranken“).. Damit wäre wohl jedes Werbebanner auf einer Webseite ausreichend. Problematisch wäre weiterhin, dass die Zugänglichmachung auch dann erfasst sein soll, wenn sie „im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit steht“. Damit wäre jeder Twitter-Account, den man gewerblich führt und über den man nur Links mit kopierten Titeln teilt, zum erheblichen Problem. Denn wenn schon der Zusammenhang zur Erwerbstätigkeit zählt, wird es am Ende auf das Gesamtbild ankommen wobei die Begründung gerade die Absicht Umsatz zu erzielen aussen vor lassen will. Wer also in seinem Facebook- oder Twitter-Account, den er (auch) als Gewerbetreibender oder Freiberufler nutzt, Teile aus Artikeln aufnimmt, sollte bei diesem Entwurf äusserst vorsichtig sein. Rein vorsichtshalber müsste man wohl von jeglichem Kopieren von Inhalten, wie unbedeutend sie auch sein mögen, absehen müssen.

Darum wurde nun der Halbsatz hinzugenommen, dass einzelne Wörter oder „kleinste Textausschnitte“ nicht erfasst sind. Was genau das ist, speziell, wann ein Textausschnitt noch „kleinst“ und nicht nur „klein“ ist, wird die Rechtsprechung klären müssen. Wir werden hier als erstes streiten können, wie etwa die Artikelüberschrift zu bewerten ist. Die Diskussion wird damit zwar eingeengt, aber letztlich nicht beendet. Insgesamt sehe ich die Diskussion hierdurch erheblich entschärft, aber ich rechne damit, dass letztlich nicht alleine die „Masse“ des Textes ausschlaggebend ist – so kann ein sehr kurzer Textauszug vielleicht am Ende schon deswegen nicht „kleinster Textausschnitt“ sein, weil es sich um eine prägende Kernaussage oder eine besonders stilvoll gehaltene Formulierung handelt. Wir werden es (leider) abwarten müssen. Die Logik, dass man sich auf Twitter keine Sorgen machen muss, weil es dort nur 140 Zeichen gibt, wäre m.E. aber verfrüht angewandt.

Links sind nicht verboten

Der Entwurf weist m.E. korrekt darauf hin, dass der einfache Link nicht betroffen ist

Der Informationsfluss im Internet wird durch die vorgeschlagene Regelung nicht beeinträchtigt. So wird eine bloße Verlinkung von dem Leistungsschutzrecht nicht erfasst und bleibt weiterhin zulässig. Der hat schon im Jahre 2003 entschieden (Urteil vom 17.07.2003, Az. I ZR 259/00 – „Paperboy“), dass durch das Setzen eines Links auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk nicht in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes eingegriffen wird. Dies gilt ebenso für das neue Leistungsschutzrecht des Presseverlegers.

Das sehe ich derzeit genauso: Das Verlinken eines Artikels ist auch in Zukunft möglich. Aber man muss eben von der Übernahme von Informationen absehen, wie etwa der Überschrift. Ein schnelles Teilen auf Twitter und Facebook wird damit eher schwer.

Auch Suchmaschinen haben ein Problem: Den Link zum Artikel dürfen sie zwar zeigen, aber keine Auszüge aus dem Artikel. Wie die neuen Google-Ergebnislisten so aussehen sollen, ist mir ein Rätsel. Rein praktisch ist daher der beruhigende Hinweis „Links gehen doch noch“ vollkommen unnütz und aus gutem Grund sowie mit voller Berechtigung ist zu befürchten, dass Suchmaschinen Presseerzeugnisse gleich ganz aus ihrem Index streichen.

Schranken

Der neue geplante §87g UrhG soll das Leistungsschutzrecht einschränken und sieht folgendes vor:

  1. Dauer: „Nur“ 1 Jahr
  2. Keine Geltendmachung zum Nachteil des jeweiligen Urhebers. Der kann also, etwa wenn er mit seinen Artikeln Eigenwerbung betreibt, nicht aus dem Leistungsschutzrecht in Anspruch genommen werden.
  3. Die Zahl der Anspruchsgegner wird in §87g IV UrhG plötzlich empfindlich eingeschränkt: Demzufolge wäre nämlich eine öffentliche Zugänglichmachung nur untersagt, sofern sie durch „gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten“. Das heisst, „normale Webseitenbetreiber“ wären jedenfalls so lange raus, wie man sie nicht als Dienst einstuft, der „Inhalte entsprechend aufbereitet“. Hier wird der Einzelfall entscheiden. Kritisch bin ich aber bei einem gut geführten Twitter-Account, der viele Links verbreitet in der Art einer Presseschau, was ja gar nicht so selten ist. Hier könnte man bei übernommenen Titeln schnell Probleme erhalten.
  4. Im Übrigen werden die üblichen Schranken, insbesondere das (dazu hier bei uns) zur Anwendung gebracht. Ich habe derzeit Hoffnung, dass man bisherige Suchergebnisse über das Zitatrecht dann absichern kann und letztendlich zwar „Google News“, nicht aber die Google Suche betroffen wäre.

Fazit

Müssen Blogger & Co. Angst haben für die Zukunft wegen dem hier geplanten Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Ich meine, ganz vorsichtig, nein. Der Gesetzentwurf zielt offenkundig alleine auf Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren. Bei letzterem habe ich etwas Sorge, was die Rechtsprechung daraus macht und ob hier am Ende manche Twitter-Accounts und Blogs im Einzelfall nicht Probleme erhalten. Kritisch wird die Lage aber sicherlich in jedem Fall für Google, um die es mit diesem Gesetz offenkundig geht.

Rechtspolitisch kann der Entwurf sicherlich als rückwärtsgewandtes Desaster bezeichnet werden. Insofern stimme ich der Einschätzung des „Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrechts“ (hier als PDF) vollends zu. Die mitunter schon an Peinlichkeit grenzenden Kommentare in manchen Publikationen (stellvertretend nur Prantl, der mich schlicht sprachlos machte) helfen da auch nicht ab. Man mag insofern die beeindruckende Liste der Unterzeichner des Max-Planck-Schreibens im Vergleich auf sich wirken lassen. Letztendlich habe ich erhebliche Zweifel, ob die Verlage nicht eher durch die Google-Links einen starken Nutzen haben – denn ohne Suchmaschinen wird kaum gefunden wonach die Nutzer suchen. Und was man nicht findet, liest man nicht. Der wohl dahinter stehende glaube, Abonnenten zu gewinnen, indem Inhalte nicht auf Suchmaschinen angerissen werden, kann von mir insofern bestenfalls als naiv bezeichnet werden.

Es muss am Ende nicht immer sein, dass sich eine Änderung des Urheberrechts zwingend gegen alle im Internet wendet, dass alle Angst vor weiteren Abmahnungen haben müssen, damit ein Gesetzentwurf dumm oder gar schlecht ist. Der Status Quo im Urheberrecht ist ohnehin schon desaströs genug, wie der hiesige Alltag auch immer wieder zeigt. Die Augen davor zu verschliessen, dass wir in Zukunft Gefahr laufen, ausgerechnet die Tagespresse bei Google-Suchen nicht mehr zu finden, sollte jedoch ausreichen um bei uns allen eine Gänsehaut zu erzeugen. Und nackte Panik bei den Verlagen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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