Filesharing-Klage: Landgericht Bochum zum Filesharing

Nunmehr hat sich auch das Landgericht Bochum (8 S 34/15) zur Filesharing- geäußert und scheint den Weg des Landgerichts Köln gehen zu wollen. Auch wenn hierbei vieles zwar streitbar aber vertretbar ist, will man auch hier den Weg gehen, Familienmitglieder über Gebühr in der Darlegungslast zu fordern.

Zur Möglichkeit einer Nutzung durch Familienmitglieder

Das Gericht sah den Vortrag der Nutzung durch andere Familienmitglieder als nicht ausreichend an:

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Sie hat mit den allgemeinen Angaben, dass auch ihr Ehemann sowie ihr Sohn den Internetanschluss genutzt haben, nicht die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs dargelegt. Aus dem unsubstantiierten Vortrag der Beklagten kann weder gefolgert werden, dass ein Dritter im streitgegenständlichen Zeitpunkt Zugang zu dem Anschluss hatte, noch, dass ein Dritter die Datei über den Anschluss angeboten hat. Die Beklagte trägt weder etwas zum konkreten Nutzungsverhalten der Familienmitglieder vor, noch, über welche Geräte der Internetanschluss im streitgegenständlichen Zeitpunkt genutzt wurde.

Das geht vollkommen an der Rechtsprechung des BGH und auch der Rechtslage vorbei: Familienmitglieder, gerade Eheleute, müssen sich nicht gegenseitig überwachen. Zu Verlangen, dass man zum konkreten Nutzungsverhalten vorträgt, führt diese Überwachungspflicht aber durch die Hintertüre ein. Weder muss das Familienmitglied etwas vorbringen zum Nutzungsverhalten noch zu Film- oder Musikgeschmack der anderen Familienmitglieder, da hier nicht nur eine Überwachung im Ergebnis gefordert wird, sondern eben auch gefordert wird, dass man – entgegen seinen prozessualen Pflichten – quasi alles dafür tut, den wahren Täter „ans “ zu liefern. Diese Pflicht gibt es im Familienverbund nicht.

Dies bedeutet nicht, dass Rechteinhaber gar keine Möglichkeiten haben, auch dies verkennen viele Landgericht wie nun auch Bochum. Es geht an dieser Stelle nicht um die Frage der Darlegungslast, sondern um die Frage der Beweiswürdigung. Wenn die Rechteinhaber sich darauf zurück ziehen, den Vortrag der Nutzung durch Dritte mit Nichtwissen zu bestreiten, wären diese als Zeugen anzuhören. Hier dann können die jeweiligen Zeugen selber zu Nutzungsverhalten und Musikgeschmack etc. befragt werden. Das Verhalten der Zeugen, also die inhaltliche Aussage oder ein (teilweises) Verweigern von Angaben mag man dann entsprechend würdigen. Dies ist für beide Seiten im Ergebnis dann weder „unzumutbar“ noch „ungerecht“ sondern der ordentliche Ablauf, wie man ihn in einem formgerechten Verfahren zu erwarten hätte.

600 Euro Schadensersatz für einen Film

Das LG Bochum ist der Auffassung, dass 600 Euro Schadensersatz für einen Film grundsätzlic und pauschal angemessen sind:

Die Kammer schätzt in ständiger Rechtsprechung die für das illegale Anbieten des Downloads eines Filmwerks im Internet zu zahlende auf 600,00 Euro. Um die Lizenz zu bestimmen, ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln, der in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr besteht (BGH, NJW-RR 2009, 1053). Im Fall von Urheberrechtsverletzungen durch das Filesharing in Tauschbörsen besteht indes die Problematik, dass es für die angemaßte Benutzung der kostenlosen und unkontrollierten Weiterverbreitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes keine marktübliche Lizenz gibt. Dem entspricht, dass die bisherigen Ergebnisse der Rechtsprechung sich durch eine gewisse Beliebigkeit auszeichnen, deren Begründungen nicht wirklich zu überzeugen vermögen, sondern die bestehende Schwierigkeit der Bezifferung einer faktisch nicht verfügbaren Lizenz widerspiegeln. Die Kammer sieht deswegen davon ab, einzelfallabhängige Schadensersatzbeträge zuzusprechen, denn der Graubereich zwischen kommerziell eindeutig sehr erfolgreichen Werken und solchen, die nur ein geringes Publikumsinteresse erzielen, ist erheblich. Die Kammer beschränkt sich auf eine , die bei dem Massenphänomen des Filesharing sowohl das berechtigte Interesse der Rechteinhaber als auch das Anliegen der Inanspruchgenommenen an der Vermeidung einer Überkompensation berücksichtigt. Angesichts der durchschnittlichen Marktpreise für aktuelle Filme erachtet die Kammer einen Betrag von 600,00 Euro als geboten.

Beeindruckend dabei: Keinerlei Ausführungen dazu, was es für ein Film war (niedrig-Budget-Porno-Film oder Hochpreisiger Streifen), wie alt dieser Film war und/oder ob es sich um ein Remastered-Werk handelt – kurzum, nichts zur Frage, wie man den Unterlassungswert konkret beziffern möchte. Im Ergebnis ist dieser Punkt natürlich vertretbar, die Ausführungen des Gerichts aber zeugen davon, dass man wohl eher selten mit dem Thema zu tun hat.

Abmahnkosten

Das unsaubere Arbeiten rächt sich spätestens bei eigentlich einfachsten Punkt, wo dann nur noch geschludert wird:

Auch hat die Klägerin einen Anspruch auf Abmahnkosten in Höhe von 130,50 Euro nach § 97 a UrhG. Nach ständiger Rechtsprechung des OLG Hamm wird der Streitwert eines Unterlassungsbegehrens bei Urheberrechtsverletzungen mit der doppelten Lizenzgebühr beziffert, so dass vorliegend ein Gegenstandswert in Höhe von 1.200,00 Euro für die Abmahnkosten zugrundezulegen ist. Ein Gebührensatz von 1,3 gemäß §§ 13,14 Nr. 2300 VV RVG ist auch angemessen. Der Einwand der Beklagten, dass der Kläger keine Kostenrechnung vorlegt, steht dem Anspruch nicht entgegen. Der Abmahnende kann schon vor der Bezahlung oder der Vorlage einer Kostennote des eigenen Anwalts Zahlungsklage auf Erstattung der anwaltlichen Abmahnkosten erheben, wenn vom Schuldner – wie auch hier – die Zahlung ernsthaft verweigert worden ist (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.07.2010 – 6 U 31/10).

Immerhin übernimmt man die Rechtsprechung des OLG Hamm, auch wenn schon streitbar sein dürfte, ob diese auf Sachverhalte wie den vorliegenden überhaupt anwendbar ist. Mich stört aber der letzte Satz, der schlichtweg falsch ist und auch nicht Thema der OLG Köln entscheidung war. Das Landgericht Bochum schafft es hier allen Ernstes, die Frage des Freistellungsanspruchs durcheinander zu bringen mit der Frage des materiellen Anspruchs auf Zahlung. Insoweit seir kurz klargestellt, dass es korrekt ist, dass zwar nur ein Freistellungsanspruch besteht, dieser sich aber in einen Leistungsanspruch umwandelt wenn die zahlung verweigert wird (so auch das OLG Köln). Davor aber ist zu prüfen, ob überhaupt ein Freistellungsanspruch in dieser Höhe entstanden ist, was zu verneinen ist, wenn etwa eine Gebührenabrede zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten versteht. Diese Frage wird nicht dadurch erledigt, dass der Gegner die Zahlung verweigert, alleine der Gedanke ist abstrus. Un anders als das OLG Köln 2010 gibt es heute inzwischen zahlreiche ernstzunehmende Anhaltspunkte die für die Annahme eine Gebührenabrede sprechen, etwa die mehrfach bekannt gewordenen Honorarvereinbarungen zwischen manchen Bevollmächtigten und Rechteinhabern. Aber einem Landgericht, dass diese zwei Punkt durcheinanderbringt kann man so viel Detailliebe wohl nicht mehr vermitteln.

Fazit

Im Ergebnis ist die Entscheidung vertretbar und insbesondere auf der Linie des LG Köln. Meine barsche Kritik ist daher nicht so zu vestehen, dass ich erkläre, man solle das Urteil ignorieren (wäre auch dumm bei dem Urteil eines Landgerichts). Vielmehr ist mit Schrecken zu sehen, wie dermaßen schlecht und in Teilen auch noch schlichtweg falsch ein Landgericht bei einem derart wichtigen Thema arbeiten kann.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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