Filesharing-Abmahnung: Gewerbliches Ausmaß bei uneingeschränkter digitaler Qualität

Das LG München I (7 O 1310/11) hat festgestellt, dass im Rahmen des Auskunftsanspruchs das notwendige „gewerbliche Ausmaß“ bei „uneingeschränkter digitaler Qualität“ des angebotenen Werkes grundsätzlich anzunehmen ist. Nun findet man eine Fülle Artikel zum Thema, mit der berechtigten Frage, was eine solche Qualität genau sein soll – dabei fällt mir auf, dass seltsamerweise weder Auszüge aus dem Beschluss zu finden sind, noch der Beschluss auf freien Seiten im Volltext. Und dort findet man folgenden Absatz im Volltext (Hervorhebung von mir):

Ausgehend vom Wortlaut „in gewerblichem Ausmaß“, der keine gewerbliche Tätigkeit, sondern nur eine Tätigkeit, die einer gewerblichem vom Ausmaß her gleichkommt, verlangt, ist zunächst das Maß der Werknutzung beim Einstellen in eine Tauschbörse zu untersuchen. Dabei zeigt sich, dass das wirtschaftliche Auswertungsinteresse des Berechtigten an dem Werk durch dessen Einstellen in eine Tauschbörse in gleicher Weise in Gefahr gebracht wird, wie in der nicht virtuellen Welt durch die gewerbsmäßige Herstellung und Verbreitung von Raubpressungen. Aber auch in der virtuellen Umgebung werden entsprechende legale Downloadangebote regelmäßig nur gegen Entgelt und daher im gewerblichen Umfang angeboten, da – abgesehen von den bislang noch seltenen allein auf Bekanntheitssteigerung und anschließende Einnahmengenerierung aus Live-Konzerten zielenden kostenfreien Angeboten – die Erzielung der Einnahmen aus den Downloads sichergestellt sein muss, um das eigene Werk nicht wertlos werden zu lassen. Daher handelt derjenige, der Werke in uneingeschränkter digitaler Qualität zum freien Download ins Netz stellt (über Tauschbörse oder Sharehoster) im gleichen gewerblichen Ausmaß wie der Betreiber eines legalen Downloadangebots.

Man merkt also: Was das LG München I gemacht hat, war keine umfassende pauschale Aussage, sondern ein Vergleich, der jedoch leider einem Denkfehler unterliegt. Wenn man den Absatz nun liest, merkt man, dass das Gericht zwischen legalen Downloadanbietern und Tauschbörsen vergleicht, um darauf abzustellen: Wenn es sich im Kern wie ein legales Angebot darstellt, dann ist es auch gewerblich. Der richtige Schluss wäre nun gewesen, zu untersuchen, welche Qualität entsprechende Angebote (Musicload, iTunes, Amazon etc.) anbieten, um das dann zur Grundlage zu machen. Dabei bieten viele Angebote inzwischen 256kbit bei MP3s an, so dass ein 128kbit-Upload nicht automatisch zu erfassen wäre. An der Stelle ist der Schluss beim LG München schlicht zu schnell gezogen.

Dazu kommt aber noch etwas: In dieser Sache ging es beim LG München um einen Film, so dass sich hier auch erhebliche Fragen stellen, z.B. ob man die verbreitete 720p-Auflösung als Voraussetzung annimmt. Wenn man meinen Gedanken oben folgt, wäre das ein konsequentes Ergebnis.

Hinweis: Der Beschluss des LG München I mag hinsichtlich dieses gezogenen Schlusses m.E. durchaus kritikwürdig, aber man sollte den Beschluss mal in Ruhe durchlesen – er ist äusserst ausführlich und bietet u.a. eine Übersicht über eine Vielzahl von Entscheidungen zum Thema. Wer dem LG München I vorwerfen möchte, dass im Ergebnis wohl jede Nutzung von Tauschbörsen „gewerblich“ wäre, der greift leider fehl: Das LG München I weiss das selbst. Es schreibt ausdrücklich

Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen an einen unbeschränkten Nutzerkreis im Rahmen einer Tauschbörse, die es dem Anbietenden im Gegenzug ermöglicht, eine unübersehbare Anzahl urheberrechtlich geschützter Werke anderer Tauschbörsennutzer unentgeltlich herunterzuladen, stellt grundsätzlich eine derart schwere Rechtsverletzung im Sinne von § 101 Abs. 1 Satz 2 UrhG dar, dass das gewerbliche Ausmaß im Sinne von Abs. 1 Satz 1 begründet und ein nach Abs. 2 Ziff. 3 und Abs. 9 dieser Vorschrift gegeben ist.

und ist mit dem Ergebnis offensichtlich sehr zufrieden. Auch wer meint, dass das nur eine Einzelmeinung ist, geht fehl, hierzu ist in dem Beschluss ausdrücklich zu lesen:

Die Kammer ist mit den anderen drei beim Landgericht München I bestehenden Urheberstreitkammern der Auffassung […]

Harte Zeiten in München.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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