Filesharing-Abmahnung: Abmahnung für einen Hyperlink?

Der (I ZA 17/10) hat scheinbar entschieden, dass ein Link auf eine Webseite, auf der ein urheberrechtlich geschütztes Lied ohne kopiert werden kann, abgemahnt werden kann. Ich glaube. dem war nicht so – dass die Entscheidung des BGH, trotz der enormen Brisanz, eher wenig Beachtung und verschiedenste Interpretationen erlebt, ist vor allem der Abfassung der gerichtlichen Entscheidungen geschuldet.

Wenn man in die Entscheidung des BGH blickt, findet man u.a. diesen Abschnitt:

Dass der Beklagte keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Internetseite “www.b[…]” hatte, auf der das Musikwerk eingestellt war, ändert nichts daran, dass er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Kontrolle über die Internetseite “www.bb[…]” hatte, die mit der erstgenannten Internetseite verlinkt war.

Ausdrücklich steht dort „verlinkt“ und im Gesamtbild der Entscheidung hat man den Eindruck, es ginge um den Link einer Webseite auf eine andere. Aber: Der BGH bietet faktisch keine Details zum Sachverhalt, das was man herausliest, muss „zwischen den Zeilen“ gelesen und interpretiert werden. Alleine das ausdrückliche Wort „verlinken“ scheint deutlich zu sein.

Aber: Wenn man nun in die erste Entscheidung in dieser Sache blickt (Landgericht Düsseldorf, 12 O 470/07), findet man im Vortrag des Beklagten (das ist das, was der Beklagte behauptet, ohne dass es vom Gericht als Tatsache bereits festgestellt ist):

Soweit der Beklagte die Domain erhalten habe, habe er unter Benutzung des notwendigen Benutzernamens und des Passworts für seine Domain diese mit dem vorhandenen Server des t „verlinken“ können.

Man beachte, dass das Wort „verlinken“ hier in Anführungszeichen gesetzt ist. Meines Erachtens nicht ohne Grund: Der Vortrag des Beklagten erläutert nämlich, dass nach dem Kontakt mit anderen vereinbart wurde, dass diese einen Server zur Verfügung stellen, und der Beklagte die Domain beschafft. Auf dem Server nun steht das urheberrechtlich geschützte Liedgut, die Domain des Beklagten dagegen verlinkt nicht einfach zum Server, sondern zeigt direkt auf diesen (dazu sogleich).

Ob das nun wirklich so ist, lässt sich mit dem Tatbestand des Landgerichts Düsseldorf nicht eindeutig klären. Dies liegt zum einen an der wirklich grottig schlechten Anonymisierung der Entscheidung. Bei der Anonymisierung wurde nämlich konsequent immer ein anderer Buchstabe genutzt, auch für gleiche Sachverhaltsobjekte. So wird z.B. das hier betroffene Lied sowohl als f,h,i,u,x und y bezeichnet. Das gleiche Problem stellt sich dann auch bei Server und Domain, so dass man am Ende beim besten Willen nur raten kann, worüber das Gericht im jeweiligen Satz eigentlich spricht.

Alleine der Vortrag des Beklagten ergibt einen gewissen Sinn, der sich auch in die Worte des BGH brauchbar einfügt. Ich gehe zur Zeit davon aus, dass der Beklagte keinen Link gesetzt hat, sondern eine Domain registrierte und auf einem von drei Wegen dafür sorgte, dass die Domain direkt auf den Server mit dem Lied „zeigte“:

  1. Entweder wurde ein simpler (I)Frame genutzt, so dass bei Aufruf der Domain des Beklagten, der Server mit dem Lied zu sehen war, oder
  2. es wurde eine einfache Weiterleitung eingerichtet, so dass bei Aufruf der Domain des Beklagten sofort zum Server weitergeleitet wurde, oder
  3. die DNS-Einträge der Domain wurden so eingestellt, dass ohne äußere Erkennbarkeit die Domain direkt auf den Server zeigte.

Ich glaube, dass dabei die Varianten 1 und 2 die wahrscheinlichsten sind, denn der BGH spricht von zwei Domains (s.o.), einmal „www.b…“ und „www.bb….“. Bei einer direkten DNS-Zuweisung wäre das kein Thema. Im Kern geht es also nicht um einen einfachen , sondern schon um ein gewisses „mehr“. Hinzu kommt ein anderes Problem für den Beklagten: Ihm wurde nämlich spätestens vom OLG Düsseldorf (I-20 U 171/09) vorgehalten, dass er bzgl. des Servers eigene Einflussnahmemöglichkeiten hatte:

Soweit der Beklagte erneut seine Kontrollmöglichkeiten über die fragliche Internetseite in Abrede stellt, sei lediglich darauf verwiesen, dass er die Seite gemeinsam mit seinen weiteren Bekannten geplant hatte.

Leider aber trägt das OLG Düsseldorf auch wieder zur Verwirrung bei, wenn dort zu lesen ist:

Auch später bestanden Zugriffsmöglichkeiten des Beklagten, wie ohne weiteres aus dem Umstand zu entnehmen ist, dass der Beklagte als Reaktion auf die den Zugriff auf die fragliche Seite, und sei es über die Änderung einer Verlinkung, sperrte.

Wenn durch die „Änderung der Verlinkung“ nämlich der Zugriff auf die Webseite insgesamt verwehrt wäre, dürfte doch nur eine Änderung des DNS-Eintrages in Frage kommen, da sonst zumindest die vom BGH angesprochene sekundäre Domain als Zugriffsmöglichkeit besteht.

Im Ergebnis bin ich mir momentan sicher, dass es hier nicht um einen normalen Hyperlink ging. Zugleich muss man aber auch in die Streitwertfestsetzung des OLG Düsseldorf blicken, wo der Beklagte sich einem Streitwert von letztlich 27.000 Euro ausgesetzt gesehen hat. Das entspricht alleine Gerichtskosten von ca. 4.000 Euro bei Anwaltskosten von ca. 8.000 Euro nach RVG (pro Rechtsanwalt versteht sich). Wenn man sich überlegt, dass hier am Ende ein Minderjähriger gehandelt hat, der nach eigenem Vortrag nur als Handlanger für die Domain herhalten sollte, zeigt sich die ruinöse Gefahr für Familien. Und zugleich muss bemerkt werden, dass – sicherlich auch mangels geeigneter Öffentlichkeitsarbeit – keinerlei „Streisand-Effekt“ zu beobachten ist. Spenden dürften insofern nicht geflossen sein, um den Prozess zu führen (bei Abmahnungen mit entsprechender PR sind Spendenaktionen durchaus vielversprechend).

Die Entscheidungen verdienen dennoch beachtung und eine genauere Analyse: Sofern meine Vermutung stimmt, geht es hier im Kern um eine für eine Domainregistrierung (allerdings nicht als Admin-C sondern als Owner) wobei sowohl OLG Düsseldorf als auch Bundesgerichtshof (anders als noch das Landgericht) am Ende zum Ergebnis einer Schadensersatzpflicht kommen. Wie das genau begründet wurde, werden wir wohl so schnell nicht erfahren – in dieser doch grundlegenden Sache, die vom Landgericht bis zum BGH mit peinlich schlechten Sachverhaltsdarstellungen gespickt ist, macht es sich das OLG auch noch besonders einfach:

Der Senat hält an seiner im Beschluss vom 29. April 2010 (Bl. 214 ff. GA) mitgeteilten Auffassung fest und nimmt auf die dortigen Ausführungen Bezug.

Solange also weder die Prozessbevollmächtigten des Klägers noch des Beklagten sich in der Sache äußern und sauber darstellen, was nun wirklich passiert ist, bleibt es das Geheimnis des OLG Düsseldorf, wie hier von einer Störerhaftung am Ende auf Schadensersatz erkannt wurde. Es bleibt, wie immer, Unsicherheit und Ungewissheit.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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