Strafbarkeit durch Einsatz getarnter Videoüberwachung

Es gibt eine Norm im Telekommunikation-Telemedien--Gesetz („“), die ein gewisses Schattendasein fristet, aber zunehmend von Bedeutung ist: §8 TTDSG (vormals, nahezu gleichlautend §90 TKG), welche den „Missbrauch von Telekommunikationsanlagen“ unter Strafe stellt.

Was wenig spannend klingt ist aber durchaus von Relevant und im IT-Strafrecht einzuordnen: Es geht um Systeme, die Nachrichten senden („Telekommunikationsanlagen“, siehe im Detail §3 Nr.60 TKG), die

„ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und auf Grund dieser Umstände oder auf Grund ihrer Funktionsweise in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt sind, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen“

Oder anders: Wenn eine Kamera getarnt wird und das aufgenommene Signal übersandt wird, ist bereits der Besitz eine Straftat, noch bevor man über Straftaten im Bereich des Datenschutzrechts oder der §§201ff. StGB nachdenken muss. Und genau darüber hatte, wegen eines zunehmenden Trends, das OLG Köln (, 1 RVs 74/20) nun zu entscheiden. Dabei stellte das OLG klar, dass Dual-Use-Tools aus dem Anwendungsbereich des damaligen §90 TKG ausgenommen sind. Die Rechtsprechung dürfte nahtlos auch hinsichtlich des nunmehr nahezu gleichlautenden §8 TTDSG anwendbar sein.

Versteckte Videoübertragung im Alltag

Es geht gar nicht so sehr um Voyeurismus oder die Überwachung anderer sondern um etwas ganz anderes: Das Bestehen von Prüfungen. In diesem Fall hier beispielsweise um die theoretische Führerscheinprüfung, die eine Dame unbedingt bestehen wollte und sich deswegen „verkabelte“. Die Idee war simpel: Man überträgt durch eine Knopflochgrosse Kamera die Bilder des Prüfbogens und erhält im Gegenzug die Antworten von seinem Kompagnon. Übrigens war die Dame mit dem Ansinnen nicht alleine, im gleichen Durchgang gab es insgesamt drei Betroffene; dabei ist mir bekannt, dass es „Dienstleister“ gibt, die dabei unterstützen, Prüfungen auf diesem Wege zu bestehen. Man kann also somit von einer Leistung sprechen, die durchaus „im Kommen“ ist.

Das Problem ist eben nur, dass man gar nicht darüber philosophieren muss, ob nun eine Übertragung stattgefunden hat oder nicht, denn der §90 TKG stellt bereits des Besitz einer solchen Anlage unter Strafe. Dabei ist die Norm als abstraktes Gefährdungsdelikt im Vorfeld der Verletzungsdelikte der Verletzung der Vertraulichkeit des Worts und der durch Bildaufnahmen einzuordnen.

Verbotene Anlagen

Das Telekommunikationsgesetz ist nun nicht unbedingt das Gesetz, mit dem Verbraucher bewusst täglich in Kontakt kommen – daher hat man dies nicht vor Augen und erwartet immer sehr komplexe Regelungsgegenstände. Doch im Kern ist es ganz simpel: Es muss sich um eine „Sendeanlage“ im Sinne von § 90 Abs. 1 S. 1 TKG. Hierunter fallen „elektrische oder elektronische Erzeugnisse, die bestimmungsgemäß Nachrichten, Zeichen, Bilder oder Töne ohne Verbindungsleitungen, d. h. über Funk (jedenfalls) ausstrahlen können“. Das OLG Köln stellt hierzu fest, dass es insoweit ausreichend ist. wenn aufgenomme Bilder ohne Verbindungsleitung übermittelt werden – und dazu genügt bereits die Übertragung per WLAN.

Und mit Verlaub, das notwendige Equipment bekommt man für kleines Geld bei Amazon (und für noch kleineres beim Elektronikfachhändler, wenn man weiss, was man sucht). Da genügt im Kern eine Minikamera an einer Video Encoder/Decoder Schnittstelle die man wiederum an einen mobilen Mini-Router anschliesst, der sich über das Smartphone mit dem Internet verbindet.


Bestimmung der Anlage macht die Strafbarkeit aus

Nun kommt aber das Besondere – und hieran scheiterte vorher das Amtsgericht: Nicht jede getarnte Videoanlage ist ausreichend für eine Strafbarkeit. Vielmehr muss die Sendeanlage, bedingt durch Tarnung oder Funktionsweise, „in besonderer Weise dazu geeignet und dazu bestimmt sein, das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen“. Das OLG Köln hat nun herausgearbeitet, dass eine Sendeanlage nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dann zum Aufnehmen bestimmt ist, wenn sie von vornherein keinem anerkennenswerten Zweck, sondern offensichtlich nur dem (heimlichen Abhören von Gesprächen bzw. dem) heimlichen Anfertigen von Bildaufnahmen eines anderen dient. In der damaligen Gesetzesbegründung (Drucksache 17/5707, Seite 78) heisst es insoweit:

Durch die Ergänzung in Absatz 1, dass Anlagen nicht nur geeignet, sondern auch dazu bestimmt sein müssen, das nicht öffentlich gesprochene Wort unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen unbemerkt aufzunehmen, soll eine Ausuferung des Verbotstatbestandes vermieden werden. Der Verbotstatbestand soll, wie bisher auch, auf solche Anlagen beschränkt sein, die von vornherein keinem anerkennenswerten Zweck, sondern offensichtlich nur dem heimlichen Abhören von Gesprächen bzw. dem heimlichen Anfertigen von Bildaufnahmen eines anderen dienen.

Diese Ausführungen führen zu einer Objektivierung. Das bedeutet, es kommt auf die Zweckbestimmung des Verwenders und den von ihm beabsichtigten oder unternommenen Einsatz des Geräts nicht an. Das OLG verweist auf zwei einfache Beispiele:

  • Das Smartphone ist zum heimlichen Aufnehmen nicht „bestimmt“, auch wenn es hierfür verwendet wird.
  • Das getarnte Minimikrophon (die „Wanze“) wird nicht dadurch zum erlaubten Gegenstand, dass es zu einem legalen Zweck eingesetzt wird.

Die Entscheidung ist Wichtig und war zum Themenkomplex längst überfällig. Wichtig ist, dass richtigerweise alleine die Tarnung eines Gegenstandes diesen nicht verboten werden lässt. Andernfalls könnte nur durch Besitz manipulierter aber erlaubter Technik schon eine Strafbarkeit im Raum stehen.

Anders herum bestehen einige erhebliche Risiken, wie etwa der vorliegende Fall zeigt: Wie dem Sachverhalt zu entnehmen ist wurden einzelne Komponenten gekauft und zusammengesetzt, um die gewünschte Funktionsweise zu erreichen. Wie der Sachverhalt zeigt, wird nun diskutiert, ob durch die Kombination der Elemente eine verbotene Sendeanlage erreicht wurde und dies auch so bestimmt war. Es drängt sich nun die Frage auf – die das OLG offen lässt – ob das Amtsgericht bei der Bewertung auf die Gesinnung (sic!) der Dame abstellen soll, die die Hardware kombiniert hat; oder ob vielmehr auf die Zweckbestimmung der Hersteller der Hardwarekomponenten im Einzelnen abzustellen ist. Im ersteren Fall würde man quasi zwingend bei erlaubter Hardware immer in der Strafbarkeit landen (weil der konkrete Fall ja gerade auf die Überwachung ausgerichtet ist) – und somit genau das geschehen, was das OLG ausdrücklich nicht will, dass die Tarnung am Ende zu einem strafrechtlich sanktioniertem Verbot führt. Das OLG lässt an der Stelle das Amtsgericht alleine mit der Frage, wie nun damit umzugehen ist, dass doch gerade eine gesamte Apparatur durch die Kombination der einzelnen Geräte mit eigener Intention geschaffen wurde. Es ist absehbar, dass die Nummer irgendwann erneut beim OLG landen wird.

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Jens Ferner

Strafverteidiger

Wie stellt man die Bestimmung fest?

Es stellt sich nun die Frage, wie man eigentlich die Bestimmung nun „objektiv“ feststellen möchte. Das OLG hebt hervor, dass die verbotene Zweckbestimmung gerade nicht die einzige der Sendeanlage sein muss. Auch wenn in der Gesetzesbegründung klar nur davon gesprochen wird, will das OLG davon weg, da in der Gesetzesformulierung „dazu bestimmt“ die Ansicht dass es nur einen verbotenen Zweck haben darf, eben keinen ausreichend deutlichen Ausdruck gefunden hat. Vielmehr sieht das OLG eine Verbindung zu den sonstigen Dual-use-Tools (wie etwa beim §202c StGB) und vertritt die Auffassung, dass es drauf ankommt.

Kommt nach der Funktionalität auch eine andere als die inkriminierte Verwendung in Betracht, entscheidet auch beim §90 TKG der primäre, wesentliche oder eigentliche Zweck. Ob der primäre Zweck der Anlage das heimliche Abhören oder Aufnehmen ist, beurteilt sich somit nach den Vorstellungen derjenigen, die sie entwickelt, hergestellt oder vertrieben haben, soweit sich das nach außen hin objektiv erkennbar manifestiert hat und auf eine beabsichtigte oder als sicher vorausgesehenen Nutzung zum unbemerkten Aufnehmen oder Abhören hinweist. So kann sich etwa die Widmung zum heimlichen Aufnehmen bereits aus der Tarnung selbst ergeben. Wobei auf keinen Fall ein Alltagsgegenstand durch das bloße Verbergen zur verbotenen Sendeanlage wird.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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