Das Landgericht Dortmund, 8 O 5/22 (Kart), hat in einem Hinweisbeschluss ausgeführt, dass eine Haftung eines Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft im Hinblick auf eine Kartellbuße dem Grunde nach zu bejahen ist. Dies bedeutet, dass ein Regressanspruch der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsführer auf Ersatz solcher Schäden zu bejahen ist, die der Gesellschaft dadurch entstanden sind, dass der Geschäftsführer an einem der Gesellschaft zurechenbaren Kartellverstoß mitgewirkt hat und die Gesellschaft deshalb mit Bußgeldern belegt und mit Schadensersatzforderungen konfrontiert wurde.
Dieser Anspruch ergebe sich mit dem Landgericht aus § 43 Abs. 2 GmbHG, da die Beteiligung an einem nach Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB verbotenen Kartell eine zur Haftung führende Verletzung der Legalitätspflicht des Geschäftsführers darstelle, da er sich als Organ der Gesellschaft an einem solchen Verstoß nicht hätte beteiligen dürfen, sondern ihn vielmehr hätte verhindern müssen.
Hinweis: Damit stellt sich das Landgericht gegen die bisherige Rechtsprechung (LAG Düsseldorf, 16 Sa 459/14, LG Saarbrücken 7HK O 6/16 und LG Düsseldorf 37 O 66/20 (Kart)).
Das Gericht geht davon aus, dass es allgemein anerkannt ist, dass Dritte, etwa im Rahmen der Verletzung vertraglicher Beratungspflichten, gegenüber der Gesellschaft haften – und betont, dass für den Geschäftsführer aufgrund seiner organschaftlichen Pflicht zur Unterlassung bzw. Verhinderung von Rechtsverletzungen nichts anderes gilt. Denn anders als bei vertraglichen Beratungspflichten kann die Gesellschaft, die nur durch ihr Organ, den Geschäftsführer, handeln kann, nicht etwa von dem erteilten Rat abweichen und dadurch Schadensfolgen vermeiden. Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten greifen hier vielmehr erst ex post, also nach vollzogener Handlung. Der Regress ist daher die einzig mögliche Sanktionsmaßnahme und seine grundsätzliche Anerkennung aus Sicht der Kammer zwingend.
Die bisherige Rechtsprechung sieht die Gefahr, dass ein solcher Regress eine Umgehung der ordnungsrechtlichen Sanktionen darstellen würde, was das Landgericht verneint. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass das Zivilrecht und das Ordnungswidrigkeitenrecht selbständig nebeneinander stehen, ohne dass das Ordnungswidrigkeitenrecht das Zivilrecht einschränken könne.
Sodann wird hierdurch weder die primäre Zahlungspflicht des bebußten Unternehmens in Frage gestellt, noch wird es regelmäßig zu einer vollständigen Entlastung des Unternehmens durch den Regress kommen, da die Bußgelder bekanntlich aufgrund ihrer Höhe häufig ohnehin nicht in voller Höhe vom Geschäftsführer beigetrieben werden können, zumal die Deckungssummen von C1-Versicherungen, sofern diese in solchen Fällen überhaupt zum Tragen kommen, regelmäßig überschritten sein dürften:
Allein schon der Umstand, dass das Unternehmen zunächst gleichsam in Vorleistung zu gehen hat und sodann nicht zuletzt dem Insolvenzrisiko seines Organs, und sei es nur für einen Teilregress, ausgesetzt ist, verbürgt auch die Abschreckungs-bzw. Präventionsfunktion des Bußgeldes, weswegen entgegen der Auffassung des LG Saarbrücken (…) die Anerkennung eines Regresses auch nicht dem effet utile zuwiderläuft. Auch der – naturgemäß nicht regressierbare – Ansehensverlust, den das Unternehmen durch die Bußgeldverhängung erleidet, ist hier in die Rechnung einzustellen.
Landgericht Dortmund, 8 O 5/22 (Kart)
Mit der Argumentation des Landgerichts würden auch keine Fehlanreize gesetzt, da hinreichende Risiken für das Unternehmen verblieben. Der Regressverzicht würde vielmehr eine gewisse Risikobereitschaft des Managements fördern, durch Kartellrechtsverstöße Vorteile unmittelbar für das Unternehmen, aber auch mittelbar für sich selbst zu generieren. Schließlich bestünde auf diese Weise auch nicht die Gefahr, die Bußgelddifferenzierung des § 81 Abs. 4 GWB zu unterlaufen, denn diese betrifft ersichtlich nur ordnungswidrigkeitenrechtliche Erwägungen, nicht aber die zivilrechtliche Ersatzpflicht für verursachte Schäden.
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